Dabei gäbe es leichte regionale Unterschiede, »die aber nicht zu signifikanten Abweichungen führen«. – »Wir stellen momentan schon Unterschiede zwischen den Marken, Modellen und auch Applikationen fest«, fasst Thomas Heel, Director Global Distribution EMEA der Yageo-Gruppe, seine Markteindrücke zusammen. Die Herausforderung Elektromobilität bedeute eine immense Veränderung in der gesamten Ausrichtung der Automobilhersteller, sowohl hardware-, aber auch softwareseitig. »Letztlich treibt dies inzwischen eine wesentlich schnellere Zeitschiene in der Umsetzung von neuen Designs voran!« Geschwindigkeit, ist er sich sicher, »wird ein Entscheidungsfaktor sein, der in Zukunft Spreu vom Weizen trennt«.
»Die Nachfrage im Bereich Power-Elektronik wächst zwar, sie bleibt aber leider stark hinter den Kunden-Forecasts für 2023 und auch hinter unseren Erwartungen zurück«, stellt Rüdiger Scheel, Vice President Mobility bei Murata Electronics Europe, nüchtern fest. Auch weltweit sieht er den Markt nicht so stark wachsen wie ursprünglich geplant. »Auch in China gibt es viele Hersteller, die Absatzprobleme bei EVs haben, und die US-Hersteller sind bis auf eine Ausnahme sowieso abgeschlagen.« Jean von Redwitz, Sales Director EMEA bei Samsung Electro-Mechanics, stellt sich hingegen trotz bislang hinter den Erwartungen zurückliegender Wachstumsraten deutscher OEMs auf steigende Bedarfseingänge ein. Er attestiert aber auch einen wachsenden Einfluss lokaler chinesischer Autohersteller auf dem E-Mobility-Markt, »was den Wettbewerb natürlich verschärft«. »Da sowohl Top-Tier-One-Hersteller in Amerika, Asien sowie Europa unser Portfolio nutzen, gehen wir davon aus, dass sich uns auch in Zukunft weitere Möglichkeiten eröffnen werden.«
Von einem leicht rückläufigen Geschäft berichtet auch Dr. Dieter Vogel, Head of Global Sales Development Automotive bei TDK Europe: »Die Versorgungssituation mit Halbleitern verbessert sich weiter. Im Zuge dessen bauen die Automotive-Hersteller ihre hohen Lagerbestände an passiven Bauelementen ab. Mittelfristig erwarten wir aber wieder weiteres Wachstum.« Er stellt auch fest, »dass die Bedarfe von Zulieferern, die eng mit bestimmten Automotive-OEMs kooperieren, ausgeprägter rückläufig sind«. Auch wenn einige Hersteller ihre etwas zu optimistischen Prognosen anpassen mussten, »die Elektromobilität hat einen großen Hebel für passive Bauelemente. Sie bleibt daher weiterhin der größte Wachstumstreiber für TDK im Automotive-Bereich.«
»Der Positionierungskampf am E-Mobility-Markt ist im vollen Gange«, meint Alexander Gerfer, CTO von Würth Elektronik eiSos. »Tesla hat den Preiskampf eingeläutet, chinesische Anbieter drängen mit ihren Modellen in die internationalen Märkte, und die deutschen Hersteller kämpfen darum, dass sie auch bei alternativen Antrieben die Bedeutung erlangen, die sie bei Verbrennungsmotoren hatten.« – »In Europa wurde zu lange gehofft, dass es Tesla doch nicht schafft und dass China ja technologisch weit hinter Europa liegen würde«, erinnert Ferdinand Leicher, Vice President Sales EMEA bei Bourns, an Denkmuster vergangener Tage; »beides ist aus heutiger Sicht für EV nicht der Fall«. Für ihn ist das Statement von Thomas Schäfer »deshalb ein Weckruf für die Branche«. Aus Leichers Sicht geht es letztlich für die Zukunft um nichts weniger, als durch geeignete Maßnahmen »Deutschland als Mobility-High-Tech-Standort auch für die nächsten Jahrzehnte zu erhalten«.
Guido Renner, Global Sales Director bei Isabellenhütte, erinnert daran, »dass in China, dem weltweit größten Markt für EV-Fahrzeuge, chinesische OEMs wie BYD, Changan, Geely, GAC, Nio oder Xpent auf dem Vormarsch sind und deutsche und europäische Automobilhersteller erhebliche Marktanteile verlieren«. Es gäbe in China über 90 Marken sowie über 300 Modelle, wovon zehn Modelle etwa 45 Prozent des chinesischen EV-Marktes ausmachten. In Deutschland berichtet Renner von Auftragsverschiebungen im Kurzfristbereich, »sodass wir etwa 20 bis 30 Prozent unter den vereinbarten Margen für 2023 liegen«.
Helge Puhlmann, European President bei Yamaichi Electronics, fühlt sich an die Entwicklung im PV-Bereich erinnert, wenn er auf den Preiskampf auf dem chinesischen EV-Automarkt schaut, »indem europäische oder amerikanische Hersteller mit Ausnahme von Tesla keine Chance haben«. Wie das im Fall der PV-Module ausging, sei ja bekannt, »europäische Hersteller sind da nicht mehr existent«. Puhlmann ist sich sicher: »Nur wenn es Europa schafft, sich in zwei Schlüsselbereichen, nämlich der Zelltechnologie und der Software, unabhängig zu machen von chinesischen und amerikanischen Anbietern, wird es auch in 20 Jahren noch eine signifikante Automobilindustrie in Europa geben.«
Und wie beurteilen die Distributoren die Lage? »Bis zum April hielten sich Umsatz und Auftragseingang noch die Waage, danach kehrte sich die Situation um«, stellt Stefan Sutalo, Vice President Product Marketing Passive Components bei Rutronik, fest; »das gilt aber sowohl für den deutschen wie den globalen Markt«. Bei den deutschen Automobilherstellern bemängelt er die Konzentration auf die Oberklasse. »Was fehlt, sind Angebote in den unteren Klassen, besonders die VW-Gruppe steht hier vor großen Herausforderungen. Wir bräuchten den ID2 jetzt, zu den versprochenen Preisen, der ID3 ist hier zu teuer.« Helfen würde nach seiner Einschätzung auch eine weitere Reduktion der Strompreise. Ein Punkt, an dem sich auch der ZVEI bereits eingebracht hat. Der Branchenverband fordert, dass der Strompreis von bestehenden Abgaben wie der Konzessionsabgabe und Umlagen entlastet wird und die Stromsteuer auf europäisches Mindestmaß abgesenkt wird.
Antonio Rodas schließlich, CTO von Endrich Bauelemente, hat den Eindruck, dass sich die deutschen Automobilhersteller mit der Umstellung auf die Elektromobilität wesentlich schwerer tun als die Konkurrenz aus Übersee: »Allgemein sieht es so aus, als ob der Markt für E-Mobility in Asien und den USA positiver gestellt ist als in Europa.« Da verwundert es nicht, dass es auch bei den wenigen, klar zuordenbaren E-Mobilitätsprojekten zu Verschiebungsanfragen gekommen ist, wenn auch nicht in dem Umfang wie bei klassischen Automotive-Aufträgen, wie Rodas feststellt.