15 Prozent Importzölle auf europäische Exporte in die USA trüben für Dr. Fabian Mayer, ZVEI-Konjunkturexperte, nicht nur das Konjunkturbild für 2025 ein, sie richten auch ökonomischen Schaden in Deutschland, der EU und den USA an.
Trump wäre wohl nicht Trump, wenn das auf seinem schottischen Golfplatz mit der EU ausgehandelte Zollabkommen wie geplant am 1. August in Kraft getreten wäre. Schlussendlich startete es am 7. August. Positiv bewerten dürfte die Exportzölle von 15 Prozent in die USA derzeit nur die deutsche und europäische Automobilindustrie, sinken deren Zollabgaben damit doch von momentan 27,5 auf 15 Prozent. Wie die jüngsten Quartalsergebnisse, unter anderem von VW und Mercedes Benz, gezeigt haben, schlugen sich die US-Zölle zuletzt massiv auf die Gewinne nieder.
Für die deutsche Elektro- und Digitalindustrie stellen die 15 Prozent nach den Worten von Dr. Fabian Mayer, ZVEI-Konjunkturexperte, »im Vergleich zum Status quo vor der Trumpschen Zollpolitik mehr als eine Verfünffachung dar«. Allein dieses Ausmaß des Zollanstiegs dürfte nach seiner Einschätzung dazu führen, »dass die Zölle auf die Marge und die Exportmengen durchschlagen werden«.
Sein Fazit: »Der Deal ist kein Grund zum Feiern!« Die jetzt verhängten Zölle werden ökonomischen Schaden verursachen, in Deutschland, in der EU und auch in den USA. Derzeit geht der ZVEI weiterhin von einem Rückgang der realen Produktion in Deutschland um etwa 2 Prozent aus. Zwar habe sich das Konjunkturbild seit Jahresbeginn ein wenig aufgehellt, sagt Dr. Meyer, »andererseits sind nun die US-Zölle als negativer Faktor hinzugekommen«.
Faktisch hat die deutsche Elektro- und Digitalindustrie im vergangenen Jahr Waren im Wert von 25 Milliarden Euro in die USA geliefert. Damit gingen 10 Prozent der Branchenexporte in die USA. Zugleich waren die Vereinigten Staaten das zweitgrößte Einzelabnehmerland hinter China. Dr. Meyer zweifelt auch daran, dass sich durch den Deal wirklich mehr Fertigungsstandorte in den USA ansiedeln werden, »denn er verschlechtert die Standortbedingungen in den USA, weil Vorprodukte teurer werden«.
Als Reaktion auf die US-Zölle könnte die deutsche und europäische Elektro- und Digitalindustrie ihre Exportanstrengungen zum Beispiel nach Ostasien oder Indien intensivieren. Für deutsche Hersteller würde sich aber in erster Linie ein Ausbau der Exporte in die Länder der EU auszahlen. »Rein rechnerisch«, meint Dr. Meyer, »könnte eine Steigerung der EU-Exporte um zwei Prozent einen zehnprozentigen Rückgang der US-Exporte kompensieren – eine Vertiefung des EU-Binnenmarkts muss also mit hoher Priorität vorangetrieben werden!«
Thilo Brückner, Geschäftsführer VDMA Electronics, Solar and Battery Production, weist darauf hin, dass es sich nach wie vor um einen politischen Deal handelt, dessen Umsetzung noch unbekannte Größen und Unsicherheiten birgt. »Halbleiter-Equipment ist beispielsweise von den Zöllen ausgenommen, Halbleiter-Komponenten dagegen nicht, aber in der genauen Abgrenzung bestehen aktuell noch Unklarheiten«, führt Brückner aus. »In der Industrie herrscht momentan Unsicherheit hinsichtlich zukünftiger Bedarfs- und Preisentwicklungen, und es kann Stand heute nicht gesagt werden, in welche Richtung die Entwicklung laufen wird.«
Bei den Betroffenen selbst, soweit sie bereit waren, sich zu den Auswirkungen des Deals zu äußern, überwiegt der Pragmatismus – von Schwarzsehen keine Spur. »Derzeit liegt unser Umsatzanteil in den USA etwa bei 5 bis 7 Prozent«, erläutert Josef Pfeil, Vertriebsleiter bei Dynamis Batterien. »Wir gehen aktuell nicht davon aus, dass unser Umsatz dort komplett einbricht – aber eine Halbierung wäre denkbar.« Er ist sich sicher, dass das Potenzial der USA kurz- und mittelfristig kein anderes Land erreichen wird, »auch wenn einige unserer Kunden verstärkt Richtung Indien blicken«.
Infineon Technologies weist darauf hin, dass man über ein effizientes und diversifiziertes Produktions- und Vertriebsnetz verfüge und in allen Märkten, in denen man tätig sei,alle geltenden gesetzlichen Anforderungen, Gesetze und Vorschriften einhalte. Man werde die Details des angekündigten Handelsabkommens prüfen, sobald eine offizielle Vereinbarung veröffentlicht sei, und dann geeignete Maßnahmen ergreifen. Ähnlich äußern sich andere Halbleiterhersteller, die in Europa produzieren. Man habe noch keine abschließende Bewertung der 15 Prozent Zölle auf EU-Waren vorgenommen. Das Thema könne sich, wie in der Vergangenheit bereits geschehen, noch dynamisch verändern, deshalb könne man erst nach dem Sommer mehr sagen.
Bei Vishay gibt man zu Protokoll, dass knapp 20 Prozent des Unternehmensumsatzes auf die USA entfallen, aufgrund der weltweiten Produktionsstandorte liege der von den neuen US-Zöllen betroffene Umsatzanteil aber lediglich im einstelligen Prozentbereich. »Den größten Einfluss haben die neuen Importzölle auf das Geschäft und die Wettbewerbsfähigkeit unserer Kunden in den USA«, erläutert Olaf Lüthje, Senior Vice President Marketing Operations bei Vishay. »Besonders betroffen sind hier die europäischen Automobilhersteller sowie Unternehmen der Industrieelektronik einschließlich des Maschinenbaus.« Da Vishay sich vor allem auf kundenspezifische Anwendungen und maßgeschneiderte Bauteile konzentriert, »erwarten wir kurzfristig aber kaum Einbrüche«.
Oliver Hüttner, Geschäftsführer TDK Europe, gibt an, dass der Umsatzanteil von TDK in den USA etwa 12 Prozent beträgt. Er erwartet, dass der Umsatz in den USA um einen niedrigen einstelligen Prozentbereich zurückgehen wird. Er rechnet im Wesentlichen mit indirekten Auswirkungen des Zoll-Deals auf die US-Kunden von TDK, »denn diese werden nun zusätzlich belastet«. Er sieht auch die dringende Notwendigkeit, die eigenen Liefer- und Logistikprozesse in den USA anzupassen, »um Zölle für den Warentransit durch die USA nach Mexiko und Kanada zu vermeiden«. Hüttner hält es für möglich, dass die protektionistische US-Außenpolitik Firmen sogar dazu veranlassen könnte, Produktion aus den USA nach Europa oder Asien zu verlagern. »Das könnte für uns zu neuen Absatzmöglichkeiten führen.«
»Die Einführung von 15 Prozent Importzoll verschärft für uns den Wettbewerb mit US-amerikanischen Unternehmen deutlich“, stellt Guido Renner, Director Strategic Business Segment Components & Sensors bei der Isabellenhütte Heusler fest. »Lokale Anbieter profitieren kurzfristig von einem Preisvorteil, was insbesondere bei standardisierten Komponenten zu einem erhöhten Preisdruck führen kann.« Gleichzeitig begrüßt er die Klarheit, die nach der Entscheidung nun herrsche. Wie er berichtet, gibt es am Markt bereits erste Kunden, die ihre Lieferketten aufgrund der globalen Importzölle optimieren. »Wir prüfen derzeit gezielte Maßnahmen, um die Auswirkungen für uns abzufedern.« Renner geht davon aus, »dass sich die neuen Rahmenbedingungen auf unsere Umsatz- und Absatzziele für das Jahr 2025 auswirken werden«. Mittel- bis langfristig prüfe man eine Ausweitung der US-Aktivitäten zum Beispiel durch eine lokale Fertigung oder strategische Partnerschaften, um so die Marktpräsenz zu sichern und die Zollbelastung zu umgehen.
»Unser Puls-Salesteam in den USA freut sich über diese Zölle, da unsere Wettbewerber unter höheren Zöllen leiden«, beschreibt Bernhard Erdl, Gründer und CEO von Puls Power, die Auswirkungen des Deals auf den Stromversorgungsmarkt. »Den Wettbewerber mit einer Produktion in den USA haben wir praktisch nicht.« Der US-Markt habe für Puls einen hohen Umsatzanteil, »und wir erleben schon jetzt steigende Umsätze durch den Kostenvorteil aufgrund der Zölle«.
Martin Tenhumberg, Managing Director DACH bei Traco Power, geht davon aus, »dass die Zölle alle, die den Großteil ihres Produktspektrums in Asien fertigen, gleichmäßig treffen werden. Ich sehe deshalb keinen Wettbewerbsnachteil durch die Zölle für unsere Traco Produkte«. Da sich die Hersteller durch Qualität deutlich voneinander abgrenzten, sei davon auszugehen, dass die durch die Zölle entstehenden Mehrkosten von den Kunden getragen werden müssten.
Kai Heinemann, General Manager Development and Product Management bei Block Transformatoren-Elektronik, sieht die Folgen der Zollentscheidung entspannt: »Unser Umsatzanteil in den USA ist eher gering, die Zölle werden deshalb keinen gigantischen Einfluss auf unseren Umsatz und unsere Rendite haben.« Er weist auch darauf hin, dass amerikanische Hersteller vergleichbarer Produkte ihr Material ebenfalls importieren müssten, weil es für die Rohmaterialien in den USA keine konkurrenzfähige Industrie gebe. »Vor diesem Hintergrund können amerikanische Marktbegleiter also höchstens den Zoll auf die Arbeitsleistung an ihrem Produkt sparen. Da die Zollverhandlungen mit China noch nicht abgeschlossen seien, lasse sich noch nicht sagen, ob letztlich alle Exporteure die gleichen Zölle zahlen müssten oder nicht.
Thomas Widdel, Geschäftsführer von Eplax, geht davon aus, dass sein Unternehmen vor allem indirekt betroffen sein wird, »da es für unsere Kunden schwieriger wird, ihre Produkte in den USA zu verkaufen. Deshalb erwarte ich im einstelligen Prozentbereich geringere Umsätze«. Bei kundenspezifischen Netzteilen würde es zudem eine Weile dauern, diese zu ersetzen, wenn man das will. »Bei Neuentwicklungen könnte es darum durchaus sein, dass man entwicklungs- und auch produktionsseitig in Zukunft verstärkt auf US-Unternehmen setzt.«
Nach Einschätzung von Oliver Walter, CEO von Camtec Power Supplies, werden sich die Auswirkungen dieses auf einem schottischen Golfplatz ausgehandelten Deals erst langfristig zeigen. »Wenn wir mit unseren Exporten in die USA um 15 Prozent teurer werden, aber der US-Wettbewerb seine Geräte und Bauteile 50 Prozent teurer einkauft als Europa, dann sind die amerikanischen Firmen am Ende stärker unter Druck als die europäischen. Letztendlich könnte sich das Ganze also bestenfalls ausgleichen.« Und wie alle für diese Recherche Befragten, ist er sich nicht sicher, ob und wie lange dieser Zoll-Deal Bestand haben wird.
Karsten Bier, CEO der Recom-Gruppe, ist zuversichtlich, »dass wir unsere Renditeziele trotz der Zölle erreichen, wenn nicht gar übertreffen werden. Entscheidend wird sein, wie hoch letztlich die Chinazölle ausfallen werden«. Für Recom macht der US-Markt gut 25 Prozent des Unternehmensumsatzes aus. Unabhängig davon setzt er für die Zukunft auch auf Alternativen: »Südostasien wird schon aus Gründen der Demografie in den nächsten Jahrzehnten zu einem interessanten Absatzmarkt werden, dasselbe gilt für Südamerika!« Vor diesem Hintergrund hofft Bier, »dass das Mercosur-Abkommen nun endlich unterzeichnet wird«.