Berühmter Silberstreif am Horizont

Passive Bauelemente: 2024 bleibt ein schwieriges Jahr

19. Oktober 2024, 10:00 Uhr | Engelbert Hopf
Branchenbarometer: Einbruch statt Wachstum / Anfang des Jahres sah es noch gut aus: Zwar lag der Stimmungsindex der Branche für das erste Halbjahr 2024 bei –0,41, aber die zweite Jahreshälfte gab zu Hoffnung Anlass, und so lag der Stimmungswert dafür bei 0,82, also klar im positiven Bereich. Nur sah die Realität leider anders aus. Statt +0,82 liegt das Branchenstimmungsbarometer jetzt für die zweite Jahreshälfte bei –1,44! Und es wird nur langsam besser, –0,44 als Wert für die erste Jahreshälfte 2025. Der Indexwert von +1,28 für die zweite Jahreshälfte steht dann wohl für den erwarteten Bull-Whip-Effekt – obwohl, tritt der tatsächlich ein, dürften die Werte für die zweite Jahreshälfte 2025 wohl eher im Bereich von 3 liegen. Oder die Flaute dauert noch länger an und 2025 wird, wie es ein Distributor ausdrückt, »zu einer Katastrophe«.
© Componeers GmbH

Einige Spezialisten für Passive sehen die Talsohle inzwischen als durchschritten an, andere rechnen damit, dass es erst im 4. Quartal 2024 dazu kommt. Nachdem die Nachfrage bisher nicht deutlich angesprungen ist, könnte der erwartete Bull-Whip-Effekt 2025 kräftiger ausfallen als bisher erwartet.

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Kein Zweifel, die Erwartungen an das Jahr 2024 waren höher! Wer sich Anfang des Jahres mit Vertretern der Branche passiver Bauelemente unterhielt, der konnte den Eindruck bekommen, dass sich die Nachfrage vor allem im zweiten Halbjahr verbessern würde. Diese Erwartungen wurden enttäuscht. »Auch wenn sich der Auftragseingang leicht verbessert hat, so liegt er immer noch unter den Erwartungen vom Frühjahr«, stellt Josef Vissing, President TDK Europe, fest. Die Ursachen dafür sieht er unter anderem in den sehr schleppenden Verkäufen von batterieelektrischen Autos, aber auch im Industriebereich mit den dort immer noch wesentlichen Lagerbeständen. Konkret gefragt nach den Unterschieden zwischen dem Forecast der Kunden zu Beginn des Jahres und der heutigen Realität, so liegt er laut Vissing im hohen einstelligen Prozentbereich: »Bei Automotive tendenziell geringer, im Bereich Industrie eher höher.«

Würth Elektronik
Alexander Gerfer, Würth Elektronik eiSos: »Erste kleine Hoffnungsschimmer sehen wir im asiatischen Raum, der der Konjunktur in Europa mittlerweile vorgelagert ist. Wir erwarten frühestens Mitte 2025 eine Belebung.«
© Würth Elektronik

Warum läuft das Jahr so schlecht in der Branche?

Für Alexander Gerfer, CTO der Würth Elektronik eiSos, hat sich das Jahr 2024 bislang wie prognostiziert entwickelt: »Es ist geprägt von Kaufzurückhaltung, vollen Lägern und globalen Krisenherden. In Summe macht das 2024 zu einem schwierigen Jahr.« Es sei auf Kundenseite nicht nur zu punktuellen Stornierungen und Verschiebungen gekommen, »aber auch Insolvenzen sind zu beklagen«. In Summe, betont Gerfer jedoch, »war die Planung der Kunden vorsichtig vorausschauend und bedarfsorientiert«. Erste kleine Hoffnungsschimmer sieht er im asiatischen Raum, »der der Konjunktur in Europa inzwischen vorgelagert ist« – mit einer Marktbelebung rechnet er allerdings frühestens Mitte 2025.

»Der erwartete Aufschwung ist leider nicht ausreichend eingetreten«, stellt Ferdiand Leicher, Vice President Sales EMEA bei Bourns, fest. »Die Bestände in der Distribution haben sich zwar mittlerweile fast völlig normalisiert, allerdings ist die Nachfrage aufgrund der europäischen und vor allem der deutschen Rezession so schwach, dass die Distribution weiterhin kaum verkauft.« Wie Leicher weiter erläutert, »laufen die wichtigsten Märkte in Europa schwach, und vor allem die Industriebereiche liegen massiv unter dem Vorjahr«. Viele Kunden, Distributoren und auch Bourns hatten mit einem Umschwung nach dem Sommer 2024 gerechnet. Grund für diesen Optimismus war unter anderem das überraschend starke 1. Quartal bei Bourns, »dann aber fielen Q2 und Q3 leider sehr schwach aus«, berichtet Leicher, »sodass wir für 2024 deutliche Rückgänge zum noch akzeptablen Jahr 2023 sehen«.

Annette Landschoof it Product Manager PEMCO bei Schukat electronic
Annette Landschoof, Schukat electronic: »Erste Produktgruppen wie etwa MLCCs, laufen inzwischen zögerlich wieder an. Ob das bereits das Zeichen zur Kehrtwende ist, bleibt allerdings noch abzuwarten.«
© Schukat electronic

Aufschwung erst 2025 zu erwarten

Mit Humor reagiert Ole Bjørn, General Manager der Jianghai Europe Electronic Components, auf die Frage nach der aktuellen Situation am Markt: »Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt, und es bleiben angesichts kurzer Lieferzeiten ja auch noch ein paar Tage für ein Wunder in 2024.« Er stellt aber ganz nüchtern fest, »dass sich der Aufschwung aus heutiger Sicht doch eher nach 2025 verschoben hat«. Kaum ein Plan habe die Realität getroffen, so sein Fazit. Er betont, dass Jianghai zum Glück weder von Kurzarbeit noch Personal- oder Maschinenabbau betroffen sei, »damit bleibt unsere Flexibilität, Wettbewerbsfähigkeit, die technische Design-Unterstützung und die Logistik vollumfänglich erhalten«. Global gesehen sei es dem Unternehmen auch in diesem Jahr gelungen, Wachstum zu generieren.

Jan Pape, Vice President ESBU Sales EMEA & South America bei Littelfuse Europe, sieht für Europa inzwischen die vielbeschriebene Talsohle inzwischen für erreicht an. »Im ersten Halbjahr 2024 haben wir gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres noch eine Decline von über 25 Prozent gesehen. Im 3. Quartal waren wir dann bei einem plusminus Null gegenüber dem Vorjahr, und sequenziell haben wir im 3. Quartal dieses Jahres bereits ein Wachstum gegenüber dem 2. Quartal 2024 registriert. Vor allem steigen die Short-Term-Orders an, die wir gut und gerne bedienen, die Long-Term-Visibility ist dagegen bisher noch sehr verhalten.« Vor allem im Industriebereich herrscht nach seinem Eindruck immer noch Pessimismus vor: »Die gängige Information, die wir erhalten, ist, dass die Erholung des Marktes nicht vor Ende des ersten Halbjahres 2025 zu erwarten ist.« Eine Rückmeldung, die vor allem von Kunden aus Deutschland käme.

Renner Guido
Guido Renner, Isabellenhütte Heusler: »Im Automotive-Bereich sehen wir eine Abweichung gegenüber den Forecasts von 10 bis 15 Prozent, in der Industrieelektronik und der Distribution bewegen sich die Abweichungen bei 30 bis 50 Prozent.«
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»Nein, es hat leider keine Erholung in der zweiten Jahreshälfte eingesetzt«, bestätigt auch Guido Renner, Global Sales Director in der BU Components Sales bei der Isabellenhütte Heusler. »Vielmehr haben die Kunden für das zweite Halbjahr 2024 platzierte Aufträge verschoben oder zum Teil auch storniert.« Renner geht darum davon aus, dass das zweite Halbjahr 2024 in etwa auf dem Niveau des ersten Halbjahres ausfallen wird. Dabei fallen die Abweichungen gegenüber der ursprünglichen Planung der Kunden von Industriesegment zu Industriesegment sehr unterschiedlich aus. Während Renner im Automotive-Bereich von einer Abweichung von 10 bis 15 Prozent spricht, fällt die Abweichung in den Bereichen Industrie und Distribution deutlich größer aus, »da sprechen wir von 30 bis 50 Prozent«.

Das sagen die Distributoren

Und was sagen die Distributoren zum bisherigen Verlauf des Geschäftsjahres 2024? »Es war schon früh im Jahr erkennbar, dass sich der Markt nicht so schnell erholen wird und die Läger bei den Kunden deutlich langsamer abfließen als ursprünglich gedacht«, gibt Annette Landschoof, Product Manager PEMCO bei Schukat electronic, ihre Eindrücke wider. Schon zum Ende des 1. Quartals hätten deshalb viele ihren Forecast korrigiert und nach unten angepasst. Wie in allen Bereichen der Wirtschaft hätte es auch Schukat mit Auftragsverschiebungen und Stornierungen zu tun, »wobei die Book-to-Bill gar nicht so schrecklich ist«. Und es gibt Hoffnungsschimmer, wie auch Landschoof bestätigt: »Erste Produktgruppen wie die MLCCs laufen zögerlich wieder an.« Ob das dann aber wirklich ein Zeichen für eine Kehrtwende sei, bleibe abzuwarten. »Für 2024 bleiben die Stimmen auf jeden Fall pessimistisch.«

»Nein, eine Belebung ist ausgeblieben«, bestätigt auch Joachim Pfülb, Vice President Sales Components bei der Beck Elektronik Bauelemente. »Unsere Kunden leiden immer noch an fehlenden Aufträgen und immer noch vorhandenen Lagerbeständen sowohl von Komponenten als auch ihrer eigenen Produkte.« Aus seiner Sicht verhalten sich die Jahre 2024 und 2025 auch anders als frühere Jahre. »Rechenmodelle wie früher sind einfach nicht anwendbar, da der Bedarf bei unseren Kunden weit niedriger ausfällt.« So liege die Differenz zwischen den ursprünglichen Plänen der Kunden und der aktuellen Abnahmewirklichkeit bei bis zu 25 Prozent.

Vissing Josef
Josef Vissing, TDK Europe: »Im Automotive-Bereich gehen wir davon aus, dass die 2025 verschärften EU-Vorgaben für die CO2-Flottenziele und die damit verbundenen Strafzahlungen die Verkaufsaktivitäten für Elektrofahrzeuge positiv stimulieren.«
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Große negative Differenzen zwischen den einmal getätigten Forecasts für 2024 und der aktuellen Realität sieht Antonio Rodas, CTO bei Endrich Bauelemente, vor allem im Bereich e-Mobility; den Bereich der Industrieelektronik sieht er dagegen auf einem stabilen mittleren Niveau.

Gibt es also berechtigten Grund, von einem Silberstreif am Horizont zu sprechen, oder ist das eher ein Fall von Selbstsuggestion? Vissing sieht unter anderem in der Entscheidung der Europäischen Zentralbank und in weiteren geplanten Zinssenkungen positive Signale für die Wirtschaft. Er gibt allerdings zu bedenken, »dass unsere Kunden immer noch einen hohen Druck beim Thema Kapitalfluss spüren, hervorgerufen durch hohe Investitionen in den letzten Jahren, zum Teil noch bestehende Lagerbestände sowie schleppend verlaufende oder verschobene Projektanläufe«. Einen positiven Effekt erwartet er sich von den 2025 verschärften EU-Vorgaben für die CO2-Flottenziele. Er geht davon aus, »dass die damit verbundenen Strafzahlungen die Verkaufsaktivitäten für Elektrofahrzeuge positiv stimulieren werden«. Im Industriebereich werde sich dagegen wohl erst ab Mitte 2025 eine grundlegende Verbesserung zeigen.

Von einer Trendumkehr am Markt geht Leicher erst zur Mitte 2025 aus. »Makroökonomisch«, so der Bourns-Manager, »sieht Deutschland auch für 2025 schwach aus«. Er weist auch darauf hin, »dass die Produktionsmengen für Autos in der EU im nächsten Jahr voraussichtlich zurückgehen werden. Gleichzeitig würden die Bestände in der Distribution und bei den Endkunden weiter sinken »und voraussichtlich im 2. Quartal 2025 ein historisch niedriges Niveau erreichen«. Leicher ist sich sicher: »Der berüchtigte Bull-Whip-Effekt wird kommen, nur eben deutlich später als bisher erwartet.«

Erste Hoffnungsschimmer schon zu erkennen?

Bei Littelfuse beobachtet man derzeit einen starken Anstieg der Short-Term-Orders und der Pull-in-Requests speziell bei passiven Bauelementen. Zeitgleich steige auch der kurzfristige Bedarf für Halbleiter-Protection sowie Leistungshalbleiter. »Aus unsrer Sicht gibt das Grund zur Hoffnung für 2025«, meint Pape, »ich denke, ab Anfang 2025 werden wir sehr bald ein starkes Ansteigen des Auftragseingangs beobachten können«.

Auch bei Würth Elektronik eiSos registriert man erste kleine Hoffnungsschimmer im asiatischen Raum, wie Gerfer erläutert, »wir erwarten deshalb frühestens Mitte 2025 eine Belebung«.

Renner rechnet mit einer Erholung des Industriebereichs im nächsten Jahr. Er geht davon aus, »dass sich das in etwa auf dem Niveau von 2023 bewegen wird, oder leicht darunter«. Im Automotive-Bereich geht er eher von einer Größenordnung wie 2024 aus. Wachstum werde im Automotive-Bereich lediglich durch Neuanläufe von Projekten generiert. »Grundsätzlich rechnen wir erst in der zweiten Jahreshälfte 2025 mit einer leichten Verbesserung.«

Und die Distributoren? »Aus Sicht eines Bauelemente-Distributors ist die Lage 2025 schwierig bis schlecht«, formuliert es Pfülb. Alles hänge von Investitionen und Abnehmermärkten ab. »Wenn diese nicht durch Impulse zügig nach vorne gehen und neuer Bedarf entsteht, wird 2025 zu einer Katastrophe!«

Wirtschaftliche Zugpferde sind aktuell für Landschoof nicht wirklich zu erkennen. Das in Kombination mit politisch unsicheren Zeiten führt dazu, dass teilweise erst im 4. Quartal 2024 oder dem 1. Quartal 2025 vom Erreichen der Talsohle gesprochen wird. Hoffnung auf ein moderates Wachstum gibt es demnach erst wieder ab dem 2. Quartal des nächsten Jahres. Sie verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass einige Hersteller ihren Output deutlich reduziert hätten, »und es ist dann immer die Frage, wie schnell sie auf wieder steigende Bedarfe reagieren können«.

Rodos gibt sich sehr zurückhaltend: »Aus unserer Sicht ist die Frage nach einer möglichen Trendumkehr 2025 derzeit nicht sinnvoll zu beantworten. Zwar verweisen Kundenstimmen auf die zweite Hälfte des nächsten Jahres, aber es ist aktuell einfach nicht bewertbar, ob das wirklich so eintreffen wird.«


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