Förderstopp für E-Autos, Raketenangriffe auf Container-Schiffe: Nicht vorhersehbare Faktoren haben die Planungen der Batterie- und Akku-Spezialisten in der DACH-Region deutlich gebremst. Ihre Hoffnung liegt nun auf der zweiten Jahreshälfte 2024 und auf Faktoren wie der Leitzinssenkung durch die EZB.
Das war nichts – wie eine aktuelle Umfrage dieser Zeitung unter führenden Herstellern, Distributoren und Konfektionären von Akkus und Batterien in der DACH-Region zeigt, hat sich die Branche mit ihren Erwartungen verschätzt. Am deutlichsten wird das am Beispiel des Stimmungsbarometers der Branche, das die Markt&Technik seit inzwischen zwölf Jahren abfragt. Gut, es gab Schwankungen, aber die bewegten sich in der Boombranche Batterien & Akkus fast immer im oberen Bereich der Skala. Man könnte von Luxusproblemen sprechen.
Aber dieses Mal war es anders. Ging die Branche noch im Herbst letzten Jahres eigentlich von einer Erholung des Marktes aus, was sich in einem Indexwert von 1,2 nach 0,7 in der ersten Jahreshälfte 2023 ausdrückte, korrigierten sie im Rückblick die Erwartungen für die zweite Jahreshälfte auf 0,31. Und zu Beginn des Jahres 2024 kippte das Ganze dann erstmals seit zwölf Jahren ins Negative: –0,31 als Indexwert für die erste Jahreshälfte 2024! Brachen in anderen Segmenten der Elektronikbranche die Branchen-Indizes 2020 oder spätestens 2021 ein und gingen ins Negative, trat dieser Effekt im Batterie&Akku-Bereich offenbar erst mit Verzögerung ein.
Eine einfache Erklärung dafür gibt es nicht, eher verschiedene Erklärungsansätze, wie die Antworten der Batterie&Akku-Hersteller deutlich machen. »Ein starker Treiber für Batterien und Akkus ist sicherlich die Automobilindustrie«, stellt etwa Benno Leuthner, Managing Director bei CustomCells, fest. »Durch den Wegfall von Förderprämien und den unter anderem damit zusammenhängenden Absatzzahlen hat sich die Gesamtlage im ersten Halbjahr 2024 verschlechtert.« Dazu kämen noch der Preisdruck für Elektrofahrzeuge und die Überkapazitäten von Batteriewerken in Asien.
»Vor zwölf Monaten kamen wir langsam aus der Covid-Pandemie heraus und hofften auf eine schnelle Erholung der Wirtschaft«, blickt Gertjan van Reenen, Sales Director Europe bei GP Batteries Europe, zurück, »doch leider musste die Welt sich sofort mit der nächsten Herausforderung auseinandersetzen, der Invasion Russlands in der Ukraine, die große Auswirkungen auf das Geschäft hatte«. Die hohen Energiekosten für Industrie und Privathaushalte sind aus seiner Sicht das Problem, »das führt zu Änderungen bei den Ausgaben und hat sich negativ auf das Geschäft ausgewirkt«.
»Mit dem Start der Krise im Roten Meer hat sich die bis dahin eigentlich wieder entspannte Situation bei Seefrachtlieferungen wieder ins Gegenteil verkehrt«, gibt Oliver Sonnemann, Head of Division Battery Sales von Panasonic Energy, zu bedenken; »jetzt haben wir wieder längere Lieferketten«. Aus seiner Sicht sprechen einige Indikatoren zwar inzwischen dafür, »dass wir die Talsohle passiert haben«, aber diese Indikatoren seien noch volatil und massiv abhängig von kurzfristigen politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen. Trotzdem: Ab Oktober, so seine Hoffnung, »sollte es wieder aufwärtsgehen«.
Raphael Eckert, Country Manager bei GS Yuasa Battery Germany, sieht im Prinzip keinen Unterschied zur Lage vor einem Jahr, »außer dass die Krise im Roten Meer einmal mehr die Lieferketten massiv gestört hat«. Mittlerweile spreche man nicht mehr von Wochen, was den Verzug bei den Lieferzeiten betreffe, sondern von Monaten. »Zudem sind die Frachtkosten wieder gestiegen, und die ganze Planbarkeit des Liefervorgangs wurde spürbar erschwert.«
Nach Einschätzung von Ralf Sauer, Sales & Marketing Director bei Tadiran Batteries, haben sich keine allzu großen Veränderungen gegenüber der Situation im Sommer 2023 ergeben. »Die Rahmenbedingungen sind relativ gleich geblieben, und die Umsätze bewegen sich auf sehr ähnlichem Niveau, allerdings ist der Auftragseingang etwas zurückgegangen.« Angesichts des Produktionsstandortes Israel erklärt sich auch sein Hinweis, »dass sich die Transportkosten, besonders aus Israel, deutlich verteuert haben«.
Aus Sicht eines der großen Distributoren in diesem Produktbereich, Avnet Abacus, stellt sich die Situation aktuell wie folgt dar: »Nahezu alle Zellentechnologien sind nun zur Regellieferzeit erhältlich«, so Marc Eichhorn, Technology Segment Specialist Energy Storage. »Teils sind inzwischen sogar Lagerbestände kurzfristig verfügbar. Zudem hat sich die Preissituation für die meisten Rohmaterialien deutlich entspannt.« Allerdings, so Eichhorn, »ist momentan eine hohe Unsicherheit am Markt spürbar, das gilt für die Hersteller wie für die Kunden«. Das Hauptproblem sieht er aktuell darin, »dass die Auswirkungen globaler Krisen auf die Lieferketten wie auch drohende Handelsbeschränkungen nicht planbar sind«.
»Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum sehen wir deutlich mehr Kurzarbeit bei den OEM-Kunden«, stellt Thilo Hack, Vorstand bei Ansmann, fest. »Das schlägt sich dann in mehr Zurückhaltung bei neuen Rahmenaufträgen aufgrund der angespannten Marktlage nieder und führt damit zu Verzögerungen bei Neuprojekten.« Seine Einschätzung ist pessimistisch: »Wenn weiterhin Förderungen und eine stabile Wirtschaftspolitik in Deutschland ausbleiben, wird die Unsicherheit bleiben, und auch weitere Investitionen in neue Projekte werden nur noch mit gedrosselter Geschwindigkeit erfolgen.«
»Grundsätzlich ist die Lage schlecht«, redet Werner Suter, Managing Director der Tefag Elektronik in der Schweiz, nicht lange um den heißen Brei herum. »Die Nachfrage ist in der Breite rückläufig, es herrscht eine hohe Unsicherheit«, so Suter, »es gibt aber auch Ausnahmen, also Kunden, bei denen sich die Nachfrage gegenüber dem Vorjahr erhöht hat«. Von einem Übergangsjahr möchte er trotzdem nicht sprechen – »wir können nicht jedes Jahr, in dem es mal nicht so gut läuft, ein Übergangsjahr nennen« –, und so ist er zur Jahresmitte noch optimistisch, »dass wir trotz der Konjunkturprobleme in Deutschland und in der EU dieses Jahr noch über dem Vorjahr abschließen können«.
Ähnliche Beobachtungen wie Suter hat auch Fabian Fluck, Senior Field Application Engineer bei Hy-Line in der Schweiz, gemacht. »Bis zum Mai dieses Jahres lagen wir etwa 20 Prozent unter dem Vorjahr, und wenn wir Deutschland betrachten, waren es sogar um die 35 Prozent.« Aber er blickt optimistisch auf die zweite Jahreshälfte: »Wir gehen von einer deutlichen Verbesserung in der zweiten Jahreshälfte aus. Zum einen verbessert sich die Marktsituation kontinuierlich, und es kommen langsam zusätzliche Projekte auf.« Er verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass Hy-Line eine ganze Reihe neuer Projekte von der diesjährigen embedded world mitgenommen hat.
Der größte Unterschied liegt für Sönke Zacher, Head of Project Management bei Jauch Quartz, darin, »dass Bestellungen inzwischen nicht mehr mit einem Vorlauf von bis zu einem Jahr platziert werden«. Aktuell würden sich Projekte teilweise auf Kundenseite verzögern, manche bereits platzierte Aufträge würden nach hinten geschoben. Für ihn aber auch eine normale Entwicklung. »Bedingt durch die Allokation gab es eine besonders hohe Nachfrage, die nun wieder auf ein normales Maß zurückkommt.« Aufgrund vieler langfristig platzierter Aufträge und leicht steigender Nachfrage »wird das zweite Halbjahr 2024 voraussichtlich besser als die erste Jahreshälfte«.
»Wir sind für die zweite Jahreshälfte 2024 positiv eingestellt und erwarten eine Verbesserung der Marktsituation aufgrund des Wirtschaftswachstums in Deutschland«, versichert Adrian Griese, Geschäftsführer der Omnitron Griese. »Dafür sprechen wichtige Signale vom Markt wie die sinkende Inflation und die erwartete Zinssenkung der EZB Anfang Juni.« Seinen Optimismus begründet Griese auch damit, »dass wir im letzten Sommer nicht so hochwertige, große Neuanfragen wie in diesem Jahr hatten.«
»Wir haben unsere Prognose für das Geschäftsjahr 2024 bewusst sehr niedrig angesetzt«, erläutert Josef Pfeil, Vertriebsleiter bei Dynamis Batterien, »wir hatten mit einem ähnlichen Umsatz wie 2023 gerechnet«. Inzwischen sei es aber besser gelaufen als erwartet, »wir haben bereits Ende Mai das gesteckte Umsatzziel für das erste Halbjahr 2024 erreicht«. Im Gegensatz zu den anderen Befragten geht Pfeil aber von einem schwächeren zweiten Halbjahr 2024 aus.
Ein gemischtes Bild der Marktlage gibt auch Sven Krüger, Geschäftsführer der Actron Power: »Viele Unternehmen achten derzeit gezielt auf ihre Kostensituation. Einige geplante Investitionen im Bereich von Neuentwicklungen für neue Produkte wurden darum gestoppt oder verschoben.« Auch werde vermehrt darauf geachtet, die Lagerbestände so niedrig wie möglich zu halten; »das hat natürlich zur Folge, dass Bestellungen reduziert oder nach hinten geschoben werden«. Positiv ist aus seiner Sicht, »dass mehr und mehr Projekte im zweiten Halbjahr 2024 in die Serie übergehen, sodass daraus resultierend Umsatzwachstum generiert werden kann«.
Eine ganz eigene Entwicklung jenseits der Konsumgüter- und Industrieanwendungen vollzieht sich derzeit nach Angaben von Prof. Dr. Karl-Heinz Pettinger, Professor für Elektrische Energiespeicher an der Hochschule Landshut: »Die Erwartungen für die zweite Jahreshälfte 2024 sind in den Bereichen PV und Heimspeicher hoch. Es ist ein deutlicher Preisrutsch hin zur Massenware erfolgt. Die Technologien sind nun wirtschaftlich, und es ist nicht mehr notwendig, sie für Idealisten schönzurechnen.« Auch im Industriebereich nehmen laut Prof. Pettinger inzwischen Projekte mit Hybridspeichersystemen zu, »auch da hat es deutliche Reduktionen bei den Hardwarekosten um bis zu 30 Prozent gegeben«.
Neben den Themen PV und Heimspeicher scheint es aber noch ein anderes Marktsegment zu geben, das sich als sehr robust erweist: die Medizintechnik. Das bestätigen unter anderem Eichhorn, Fluck, Griese, Pfeil, und Sönke. Die Gründe dafür liegen bei näherer Betrachtung einer alternden Bevölkerung auf der Hand. Mobile und tragbare Medizinprodukte, aber auch Reha-Produkte liegen im Trend, und es ist kaum davon auszugehen, dass diese Entwicklung in Zukunft stoppen wird. Doch mit der steigenden Zahl an Produkten, die mit Batterien ausgestattet sind, steigt auch der Bedarf im Ersatzteilgeschäft. »Je mehr Akkus im Markt sind«, so Suter, »desto höher wird in Zukunft die Nachfrage nach Ersatz-Akkus sein«.
Je höher die Verfügbarkeit von Batterien und Akkus, umso größer das Bedürfnis, wieder über Einkaufsvolumina und Preisreduzierungen zu verhandeln. Ein Ansinnen, dem das Verhalten einzelner Hersteller in die Karten spielt. »Es gibt einzelne Hersteller, die im aktuellen Marktumfeld sehr preisaggressiv auftreten, entweder um Marktanteile zu gewinnen oder um Überkapazitäten abzubauen«, beobachtet Eichhorn. Pfeil weist darauf hin, dass einige Lieferanten volle Lager hätten mit Ware, die sie teuer eingekauft hätten, deren Problem aber darin bestehe, dass sich der Marktpreis momentan leicht nach unten bewege. »Preise können wieder verhandelt werden, und damit sind auch Einsparungen möglich«, bestätigt auch Suter.
Doch Preise setzen sich aus verschiedenen Elementen zusammen, wie van Reenen deutlich macht. »Der Rohstoffmarkt hat sich beruhigt, das ist positiv, und auch die Energiekosten sind gesunken. Doch die Logistikkosten unterliegen weiterhin Störungen. Ebenso sind die Kosten der Transportgesellschaften für Kraftstoff und Besatzung gestiegen, und darüber hinaus werden die Grundpreise der Batterien und Akkus durch zusätzliche Gebühren wie Kriegsrisiko und andere Zuschläge beeinflusst.«
Ein ganz anderes Thema, bei dem es derzeit auch nicht wirklich rund läuft, sind die geplanten Ansiedlungen und Neubauten von Batteriefertigungen in Deutschland. So groß die Erleichterung Anfang des Jahres war, als Northvolt sich schließlich endgültig für den Bau des Werks bei Heide in Schleswig-Holstein entschied, so ließ sich dieses Momentum bislang noch nicht für die Realisierung anderer Projekte nutzen. So wurde vor Kurzem bekannt, dass Svolt seine Pläne für ein Zellenwerk in Brandenburg nicht umsetzen wird, und für das Werk im Saarland gibt es offenbar weiterhin keine Baufreigabe.
In Kaiserslautern wiederum ist es inzwischen auf dem ehemaligen Opel-Gelände zu einem Baustopp für die dort zu errichtende Giga-Factory von ACC gekommen. Nun gilt ähnlich wie für das in Italien geplante Werk in Termoli eine »Baupause«. Die Rahmenbedingungen hätten sich verschlechtert, das Thema E-Auto laufe in Deutschland nicht wie erhofft. Da helfen dann auch die insgesamt 450 Millionen Euro nichts, mit denen Bund und Land den Bau der Giga-Factory fördern wollten.
Branchenindex
Runter in den Keller!
Für eine Branche, die über mehr als zwei Jahrzehnte in Deutschland eigentlich nur Wachstumsraten im zweistelligen Bereich kannte und deren größtes Problem bereits vor Jahren der Fachkräftemangel war, ist das ein herber Schlag. Gekappte Subventionen, unter anderem für die Elektroautos, und dann die Probleme der Raketenangriffe der Huthi-Milizen im Golf von Aden als Begleiterscheinung des Krieges im Gaza-Streifen. Die Stimmung in der deutschsprachigen Batterie- und Akku-Branche kippte zum Jahreswechsel ins Negative, eine Premiere in den zwölf Jahren der Datenerhebung. Aktuell liegen die Hoffnungen auf dem zweiten Halbjahr 2024. Bleibt zu hoffen, dass es zu keinem Déjà-vu kommt. Schließlich war man im letzten Jahr auch optimistisch, was die zweite Jahreshälfte anging, und stieg dann in den Keller hinab.