Erste Anzeichen deuten auf eine langsame Verbesserung der Auftragsentwicklung für passive Bauelemente aus dem Automobil- und Automotive-Bereich. Welche Auswirkungen der stockende Verkauf von Elektro-Autos haben wird, muss sich noch zeigen.
Als Tiger gesprungen, als Bettvorleger gelandet, so könnte man den Verlauf des Geschäfts mit passiven Bauelementen im Bereich Automotive im Verlauf des letzten Jahres beschreiben. Einem teils hervorragendem ersten Quartal folgten vielerorts Verschiebungen und massive Korrekturen des Forecast vonseiten der Kunden. Wer für diese Fehleinschätzungen in erster Linie verantwortlich ist – die Automobilhersteller mit ihren Erwartungen an eine deutliche Steigerung der Nachfrage, besonders im Bereich Elektromobilität, oder aber falsche Einschätzungen der Lieferkette –, ist letztlich eine akademische Diskussion. Fakt ist: Das Geschäftsjahr 2023 entsprach bei fast keinem Hersteller passiver Bauelemente den ursprünglichen Erwartungen.
Und dieser Trend setzt sich bislang auch 2024 fort, wie eine aktuelle Umfrage der Markt&Technik unter führenden Herstellern und Distributoren passiver Bauelemente auf dem deutschsprachigen Markt zeigt. »Es hat sich aus unserer Sicht nichts Grundlegendes geändert«, stellt Harald Sauer, Director Taiyo Yuden Europe, fest. »Wir gehen bislang immer noch davon aus, dass eine deutliche Erholung im Laufe dieses Jahres kommen wird, allerdings können wir bis dato noch keine Anzeichen dafür im Auftragseingang sehen.«
»Das Automobil-Geschäft läuft bislang stabil, jedoch liegt es um 10 Prozent unter den in den Jahresanfragen benannten Zahlen«, stellt Joachim Pfülb fest, Vice President Sales Components bei Beck Elektronik Bauelemente. Er weist auch darauf hin, »dass die Zahlen unserer EDI nicht mehr auf realen Auftragsbeständen bei den Fahrzeugherstellern basieren, vielmehr sind es Erwartungszahlen, die bei den Fahrzeugherstellern über das Marketing geplant werden – mit einem hohen Maß an unverbindlichen Aufträgen«. Längerfristige Entwicklungsprognosen, so sein Fazit, »kommen somit der Marketing-Entscheidung der Hersteller gleich«. Und diese seien schon des Öfteren abweichend vom tatsächlichen Käufermarkt gewesen.
Eine Einschätzung, das wird in den Antworten der verschiedenen Marktteilnehmer klar, die viele teilen. Trotz der Tatsache, dass es bei Murata im ersten Quartal dieses Jahres bislang keine Verbesserung gegeben hat, sieht Rüdiger Scheel, Vice President Mobility bei Murata, einen Silberstreif am Horizont: »Mit dem Start des zweiten Quartals ist es etwas besser geworden, allerdings bleibt abzuwarten, was die weitere Entwicklung bringt.« Seine Skepsis ist vor allem auf seine Erwartung zurückzuführen, dass die Kaufzurückhaltung bei Elektroautos ihre Spuren in den Auftragsbüchern der Hersteller hinterlassen wird.
Dass die Einschätzungen der Branche für das zweite Halbjahr 2024 aus heutiger Sicht besser ausfallen, hat unter anderem mit dem erwarteten Abschmelzen der Lager bei den Endkunden zu tun. So geht man nach den Worten von Josef Vissing, President und Head of Sales Europe bei TDK Europe, davon aus, »dass sich die Bedarfe an passiven Bauelementen in diesem Jahr weiterhin erhöhen werden, auch positiv beeinflusst durch die reduzierten Lagerbestände in der gesamten Lieferkette«. Er stellt aber auch fest, »dass der Anteil der Elektrofahrzeuge am Gesamtmarkt bislang unter den Erwartungen liegt, ganz offensichtlich gibt es dort eine Wachstumspause«.
Ganz ähnlich sieht das Maximilian Jakob, Director der Device Solutions Business Division von Panasonic Industry Europe, auch wenn er den Beginn des Jahres 2024 als flach im Vergleich zum Vorjahr bezeichnet. »Aber die gute Nachricht ist, dass die Läger ganz offensichtlich nicht mehr so überfüllt sind wie noch vor Kurzem.« Auf vereinzelte gute Informationen aus dem Markt verweist auch Ferdinand Leicher, Vice President EMEA Sales bei Bourns; er weist aber auch auf derzeit sehr unterschiedliche Ausblicke auf den Automotive-Markt hin: »Einerseits sind die EV-Verkäufe schwächer als erwartet, andererseits verkaufen sich traditionelle Verbrenner deutlich stärker als erwartet.« Er geht deshalb davon aus, »dass die Nachfrage nach Komponenten für Automotive 2024 nur leicht steigen wird und stark vom Produktmix in den einzelnen OEM-Plattformen abhängen dürfte«.
Auch wenn das Automotive-Geschäft derzeit bei Rutronik hinter den Erwartungen zurückliegt, weist Stefan Sutalo, Vice President im Product Marketing für Passive Components bei Rutronik, darauf hin, »dass sehr viele Neuprojekte in der Pipeline sind; gleichzeitig macht es sich inzwischen deutlich bemerkbar, dass die Lagerbestände bei den Kunden abgebaut wurden und Neubestellungen platziert werden«. Für ihn lässt das einen positiven Ausblick auf das zweite Halbjahr 2024 zu. Positiv auf das zweite Halbjahr schaut auch Guido Renner, Global Sales Director der Business-Unit Components Sales bei Isabellenhütte Heusler: »Zwar ist die Book-to-Bill seit mehreren Monaten auf einem niedrigen Niveau, jedoch zeigt der Kundenauftragsbestand bei uns für die zweite Jahreshälfte höhere Werte für Absatz und Umsatz an.«
Bereits im 1. Quartal dieses Jahres konnte man bei Vishay eine höhere Nachfrage registrieren, so Olaf Lüthje, Senior Vice President Marketing Operations bei Vishay: »Wir sehen viele neue Projekte, vereinzelt werden aber auch Produktionsreduzierungen einzelner OEMs im Bereich EV gemeldet; diese haben derzeit aber keinen signifikanten Einfluss auf die generelle Entwicklung.« Lüthje weist aber auch darauf hin, »dass wir aufgrund der volatilen Auswirkungen der politischen Entscheidungen der Bundesregierung in einigen Fällen Verzögerungen des Produktionsstarts von 2024 auf 2025 registrieren«.
Nach Einschätzung von Thomas Heel, Director Global Distribution EMEA der Yageo Group, werden die Produktionszahlen in der Automobilbranche in Europa 2024 eher rückläufig erwartet. Dafür gibt es verschiedene Gründe: Zum einen wurden Lagerbestände bei den Autohändlern aufgebaut, und der Anteil der Importfahrzeuge steigt, explizit bei Elektrofahrzeugen. Hervorzuheben ist hier der Anteil der in China produzierten E-Autos. Durch den Wegfall der Förderung für E-Fahrzeuge seien in Deutschland zudem die Endverbraucher verunsichert, was zu einem Anstieg der gekauften neuen Fahrzeuge mit Verbrennermotoren führe. Heel rechnet deshalb mit einer flachen Bedarfsentwicklung, die zudem noch von einigen wirtschaftlichen und geopolitischen Risiken geprägt sein dürfte.
Das Thema E-Mobility prägt auch das Thema Neuentwicklungen im Bereich passive Bauelemente. Prinzipiell lässt sich sagen, dass die Elektrifizierung der Fahrzeuge bei den MLCCs den Bedarf bei größeren Bauformen wie 1206 und 1210 treibt, und die Spannungen bewegen sich zunehmend Richtung 100 V. Zudem, so Sauer, habe sich bei MLCCs die Nachfrage nach COG-Keramik erhöht. Dass der EV-Bereich seine besonderen Eigenheiten hat, darauf weist Scheel hin: »Einige Kunden haben dort spezielle Design-Rules bezüglich der zulässigen Spannung, die mit unseren Design-Rules in Einklang gebracht werden müssen.« Wer dabei glaube, eine einheitliche Anforderung bezüglich der Spezifikationen von Infotainment über Driver-Assistance bis EV aufstellen zu können, der sei auf dem Holzweg, »nur eine Differenzierung der Anforderungen bringt Innovation«.
Pfülb registriert bei den neuen Anforderungen vor allem Spannungen von über 100 V DC für Kondensatoren und bis zu über 1000 V DC bei Varistoren. Dazu kommen Induktivitäten unter anderem für Drei-Phasen-Systeme und hohe Strombelastungen. Wenn es um EV geht, sieht Jakob die Forderung nach Kondensatoren mit hoher Kapazität vor allem aus dem Bereich Batteriemanagement kommen; »wir sehen aber auch aus dem Bereich ADAS viele Anregungen für Neuentwicklungen bei passiven Bauelementen«. Leicher weist darauf hin, »dass der neue Ansatz mit 800 V im Elektrofahrzeug zu Anpassungen beim Wärmekonzept führt, bei dem beispielsweise sogenannte keramische Heating-Stones in Zusammenarbeit mit den jeweiligen Tier-Ones angepasst werden müssen«.
Vissing und Sutalo stellen die wachsende Bedeutung von DC-Link-Kondensatoren im Zusammenhang mit Elektrofahrzeugen heraus. »Dabei werden besonders viele kundenspezifische Designs getätigt, um die großen Bauelemente platzoptimiert einzusetzen«, so Sutalo. »Darüber hinaus lässt sich sagen, dass die Bauteile für den Einsatz im Bereich Elektrofahrzeug immer präziser werden und auch die Forderung nach einer Temperaturfestigkeit bis 150 °C immer häufiger vorgebracht wird.« TDK hat nach den Worten von Vissing mit dem xEVCap ein modulares Baukastensystem entwickelt, um schnell und kosteneffizient DC-Link-Kondensatoren als Kernkomponente kundenspezifisch auf verschiedene Einsatzfälle hin maßschneidern zu können.
Renner hebt hervor, dass der Trend hin zu HV-Systemen im E-Mobility-Bereich neue Anforderungen an die Genauigkeit von BMS-Shunts und geringere Widerstandswerte von 20 bis 50 µΩ erfordere; »dafür haben wir bei der Isabellenhütte spezielle Entwicklungen vorangetrieben«. Lüthje verweist bei den Neuentwicklungen, die den Einsatz im EV-Bereich im Fokus haben, auf kleine, niederinduktive, leistungs- und impulsfeste SMD-Widerstände, die sich als Gate-Widerstände einsetzen lassen. Auf Leistungsdrahtwiderstände für die Vor- und Entladung von DC-Link-Kondensatoren. »Durch den Trend zum autonomen und unterstützten Fahren werden zudem verstärkt verbesserte Induktivitäten für eine zuverlässige Restwelligkeitskontrolle und höhere Schaltfrequenzen erforderlich, sowie Hochfrequenzbauelemente für den Radar- und Lidar-Einsatz.«
»Mit steigender Frequenz nehmen die Verluste in den Kernen sowie Spulen herkömmlicher Induktivitäten zu«, beschreibt Heel die Entwicklung. »Wir haben darum mit Nanomet ein neues Material entwickelt, das die Kernverluste reduziert und die Permeabilität deutlich erhöht. Dadurch sind bei gleicher Dimension höhere Frequenzen möglich, und es werden für die gleiche Induktivität weniger Windungen benötigt.« Höhere Frequenzen führen auch bei Kondensatoren zu negativen Nebeneffekten wie einer höheren Eigenerwärmung. Yageo hat darum eine Reihe neuer Elektrolyt- und Folienkondensatoren auf den Markt gebracht, die nicht nur optimierte und niedrigere ESR-Werte bieten, sondern auch Temperaturen bis zu 135 °C oder darüber aushalten.