Nur schleppend bauen sich die Läger im Bereich passiver Bauelemente ab. Zwar gibt es erste Lichtblicke, etwa bei MLCCs, aber es wird wohl noch bis zum Herbst 2025 dauern, bis sich das Bestellverhalten wieder normalisiert. Eine gefährliche Entwicklung, denn dann werden die Läger sehr niedrig sein.
Eine exportabhängige Wirtschaft leidet in hohem Maße unter den diversen aktuellen Krisen und den weltweiten Konflikten, so das Ergebnis einer aktuellen Befragung der Markt&Technik unter führenden Herstellern und Anbietern passiver Bauelemente auf dem deutschsprachigen Markt. »Es war leider schon früh im Jahr erkennbar, dass sich der Markt nicht so schnell erholen wird wie erhofft«, fasst Annette Landschoof, Product Manager PEMCO bei Schukat electronic, das Wesentliche zusammen. »Die Läger bei den Kunden sind deutlich langsamer abgeflossen als ursprünglich gedacht.«
Auch Josef Vissing, President von TDK Europe, stellt nüchtern fest: »Unsere Hoffnungen auf eine grundlegende Verbesserung im zweiten Halbjahr 2024 haben sich bisher nicht bestätigt.« Zwar habe sich der Auftragseingang inzwischen leicht verbessert, »doch er liegt immer noch unter den Erwartungen des Frühjahrs«. In Summe, so Vissing, liegen die Abweichungen bei TDK Europe im hohen einstelligen Prozentbereich, wobei sie tendenziell bei Automotive geringer ausfallen als im Bereich der Industrieelektronik.
Guido Renner, Global Sales Director BU Components bei Isabellenhütte Heusler, wird konkret: »Die Rückgänge im Vergleich zum Forecast der Kunden Anfang des Jahres fallen je nach Industriesegment sehr unterschiedlich aus. So sehen wir im Automotive-Bereich Abweichungen von 10 bis 15 Prozent. Dagegen ist die Abweichung im Segment allgemeine Industrie und Distribution wesentlich größer ausgefallen, hier sprechen wir teilweise von 30 bis 50 Prozent!«
»Viele unserer Kunden, Distributoren und auch wir selbst haben mit dem Umschwung nach dem Sommer dieses Jahres gerechnet«, erläutert Ferdinand Leicher, Vice President Sales EMEA bei Bourns, die Ereignisse der letzten Monate. »Nachdem das Q1 2024 noch überraschend stark war, waren das 2. Quartal und auch das 3. Quartal leider sehr schwach, sodass wir für 2024 in Summe einen deutlichen Rückgang zum noch akzeptablen Jahr 2023 sehen.« Zwar hätten sich inzwischen die Bestände der Distribution fast völlig normalisiert, »allerdings ist die Nachfrage aufgrund der europäischen und vor allem der deutschen Rezession so schwach, dass die Distribution weiterhin kaum kauft«.
Alexander Gerfer, CTO Würth Elektronik eiSos, spricht in Summe von einem schwierigen Jahr 2024: »Letztlich hat sich das Jahr wie prognostiziert entwickelt – Kaufzurückhaltung, volle Läger, globale Krisenherde.« Punktuell führte das zu Stornierungen und Verschiebungen, auch seien Insolvenzen zu beklagen gewesen. Erste kleine Hoffnungsschimmer sieht Gerfer in asiatischen Raum: »Der ist der Konjunktur in Europa inzwischen vorgelagert, in Summe erwarten nach heutigem Stand allerdings frühestens Mitte 2025 eine Belebung am Markt.«
Thomas Heel, Director Global Distribution für EMEA in der Sales Business Group der Yageo Group, unterscheidet die Entwicklung in Europa klar vom Rest der Welt. »Weltweit betrachtet hat das erste Halbjahr ein paar Hoffnungen zur Erholung geschürt. Für Europa hat sich diese Erholung leider deutlich schlechter entwickelt als ursprünglich angenommen. Die Gründe dafür sind vielfältig, aber die europäische und insbesondere die deutsche Exportwirtschaft ist weiterhin stark durch diverse Krisen und weltweite Konflikte negativ belastet.«
Jan Pape, Vice President ESBU Sales EMEA & South America bei Littelfuse Europe, stimmt der Einschätzung seiner Kollegen im Wesentlichen zu. »Vergleicht man die erste Hälfte des Jahres 2024 mit der Vorjahreshälfte, dann sehen wir da einen Rückgang von über 25 Prozent.« Grund zur Hoffnung gibt ihm die Tatsache, »dass wir im 4. Quartal dieses Jahres bereits ein Wachstum zum 3. Quartal 2023 sehen. Das schlägt sich vor allem in einer steigenden Anzahl von Short-Term-Orders nieder, die wir gut bedienen können, allerdings fehlt langfristig noch die Visibility«. Pape stellt allerdings auch fest, »dass vor allem bei den Industriekunden noch immer der Pessimismus vorherrscht«. Er rechnet deshalb nicht mit einer Erholung des Marktes vor dem Ende des ersten Halbjahres 2025.
Verschieben sich also die Erholungserwartungen einfach um ein Jahr nach hinten? So einfach ist es wohl nicht, die Erholung wird von verschiedenen Faktoren abhängen. »Letztlich wird alles von zu tätigenden Investitionen und von den Abnehmermärkten abhängen«, versichert Joachim Pfülb, Vice President Sales Components bei Beck Elektronik Bauelemente. »Wenn es nicht durch entscheidende Impulse zügig nach vorne geht und neuer Bedarf entsteht, wird 2025 aus Sicht der Distribution zu einer Katastrophe!«
Das Problem dabei: »Aktuell ist ein wirtschaftliches Zugpferd nicht wirklich zu erkennen«, so Landschoof; »dazu kommen die politisch unsicheren Zeiten«. Sie weist auch darauf hin, dass einige Hersteller ihren Output deutlich reduziert hätten, »da ist dann immer die Frage, wie schnell dann auf steigende Bedarfe reagiert werden kann«. Aus Sicht von Heel »bleibt abzuwarten, was die momentanen Zinssenkungen und auch eventuelle Förderprogramme in Europa für Effekte auf dem Markt auslösen werden«.
Gewisse Hoffnungen verbindet Vissing im Automobilbereich mit den im nächsten Jahr verschärften EU-Vorgaben für die CO2-Flottenziele und damit verbundenen Strafzahlungen. »Das könnte die Verkaufsaktivitäten für Elektrofahrzeuge positiv stimulieren.« Im Industriebereich rechnet er damit, »dass sich wohl erst Mitte 2025 eine grundlegende Verbesserung zeigen wird«.
Mit dem Ausblick auf 2025 warnt auch Leicher vor dem berüchtigten Bull-Whip-Effekt, »der kommen wird, aber eben deutlich später als ursprünglich erwartet«. Der Grund dafür: die Tatsache, dass die Läger der Kunden bis voraussichtlich zum 2. Quartal 2025 ein historisch niedriges Niveau erreicht haben werden.
Mehr über die aktuellen wirtschaftlichen und technischen Trends am Markt für passive Bauelemente erfahren Sie in unserem Schwerpunkt ab Seite 51 des aktuellen E-Papers.