Schutz vor Gläubigern mit einem Insolvenzverfahren nach Chapter 11 vor einem Insolvenzgericht in den USA zu suchen, ist keine Schande. Wolfspeed will durch ein Chapter-11-Verfahren rund 70 % seiner Schulden abbauen.
In den inzwischen sieben Jahrzehnten seit dem Entstehen der amerikanischen Halbleiterindustrie haben bereits zahlreiche Unternehmen diesen Weg eines Sanierungsverfahrens in Eigenverantwortung beschritten. Manche nicht nur einmal in ihrer Unternehmensgeschichte.
Dass es Wolfspeed einmal treffen würde, hätten vor einigen Jahren wohl nur die wenigsten für möglich gehalten. Okay, die Strategie, die Gregg Lowe einschlug, als er im September 2017 bei Cree die Verantwortung übernahm und das Unternehmen in den nächsten Monaten in der Form transformierte, dass er sich vom klassischen Cree-Geschäft trennte und alles auf die SiC-Leistungshalbleiter-Sparte Wolfspeed setzte, war ambitioniert und damit natürlich auch risikobehaftet.
Aber die Idee, einen vertikal integrierten Player im Zukunftsfeld Siliziumkarbid zu erschaffen, war vor allem eines: zukunftsgerichtet. Als SiC-Pionier verfügte Cree/Wolfspeed über zahllose Patente. Als Wafer-Hersteller war das Unternehmen der dominierende Player am Markt. Hinzu kam, dass sich Wolfspeed in Zeiten des Green Deals exakt in den Märkten bewegte, auf die es in Zukunft ankam: E-Mobility und Energiewende.
Dass Lowe letztlich eine Start-up-Strategie verfolgte, dürfte den wenigsten verborgen geblieben sein. Er setzte alles auf eine Karte. Wolfspeed gestaltete den Markt, ja schuf ihn zum Teil erst. Kunden und Wettbewerber folgten. Aber anders als Wolfspeed handelte es sich bei Infineon Technologies, STMicroelectronics, Bosch oder onsemi um etablierte Unternehmen mit teils deutlich zweistelligem Milliardenumsatz. Wolfspeed dagegen bewegte sich meist in hohen dreistelligen Millionen-Dollar-Umsatzregionen.
Beim Thema Investitionen war Wolfspeed dagegen Spitze. Der Ausbau der Fertigungskapazitäten verschlang Milliarden. Eine auffällige Diskrepanz, die Lowe schon einmal Anfang dieses Jahrzehnts in argumentative Schwierigkeiten gegenüber den Aktionären brachte. Es war dann aber die Erosion des Green Deals, die schleppende Transformation der Automobilbranche und vor allem der rasche Aufstieg chinesischer Wettbewerber, die dem mit Milliarden Dollar verschuldeten Unternehmen letztlich das Genick brachen.
Chapter 11 bietet nun Lowes Nachfolger Robert Feurle die Möglichkeit, sich von einem Großteil der aufgetürmten Schulden für den Produktionsaufbau zu befreien – konkret 70 Prozent – rund 4,6 Milliarden Dollar. Ob das genügen wird? Es gab und gibt Stimmen am Markt, die Wolfspeed empfehlen, sich in Zukunft auf das Wafer-Business zu konzentrieren und das SiC-Komponenten-Geschäft seinen Kunden zu überlassen.
Das Problem könnte sein, dass dieses Komponenten-Geschäft in den Augen der US-Regierung für Militär und Luftfahrt von strategischer Bedeutung ist und somit nicht an Unternehmen außerhalb der USA verkauft werden darf. Ob das dann allerdings wirklich das letzte Wort von Trump ist, wird die Zukunft zeigen.