Nach der Überhitzung der Corona-Jahre hat sich die Nachfrage nach passiven Bauelementen für Dr. Werner Lohwasser, COO des TDK-Bauelementegeschäfts und CEO von TDK Electronics, weltweit deutlich abgekühlt. In vielen Produktbereichen liegen die Lieferzeiten wieder zwischen 12 und 16 Wochen.
Markt&Technik: Dr. Lohwasser, in den letzten Wochen und Monaten waren Sie intensiv damit beschäftigt, Werke und Forschungseinrichtungen des TDK-Bauelementegeschäfts zu besuchen. Ein Nachholbedarf, der der Corona-Pandemie geschuldet ist?
Dr. Werner Lohwasser: Ich persönlich halte es mit »Seeing is Believing«. Man könnte auch von »Feets on the Ground« sprechen. Natürlich kann man viel über Videokonferenzen erledigen, aber für mich geht eben nichts über den persönlichen Kontakt. Ich möchte auf diesem Wege einen engen und persönlichen Kontakt zu unseren Mitarbeitern pflegen. In meinen Verantwortungsbereich fallen 40 Werke des TDK-Bauelementegeschäfts. Dazu kommt, dass derzeit die Vorbereitungen für den neuen Midterm-Plan bei TDK laufen, auch dafür ist eine gewisse Reisetätigkeit notwendig.
Seit etwas über einem Jahr bekleiden Sie nun das Amt des CEO der TDK Electronics, sind Sie auch Chief Operations Officer (COO) des gesamten TDK-Bauelementeschäfts. Wo liegen die größten Unterschiede zu Ihrer bisherigen Tätigkeit und wo sehen Sie noch Veränderungsbedarf?
Mein Aufgabenportfolio hat sich als CEO von TDK Electronics deutlich erweitert. Neben Unternehmensorganisation und Personalthemen sind gesetzliche Aspekte stärker in den Vordergrund getreten. Neben diesen Aspekten, die dazugekommen sind, widme ich mich als COO des gesamten TDK-Bauelementegschäfts aber auch weiter sehr stark operativen und technologischen Themen.
Wie stellt sich für Sie die aktuelle Situation dar? Back to normal? Wie steht es aktuell um die Lieferzeiten, wie entwickelt sich die Auftragslage?
Ganz allgemein gesprochen: Die Lieferzeiten haben sich in vielen Produktbereichen inzwischen wieder normalisiert. Da sprechen wir dann wieder von 12 bis 16 Wochen. In speziellen Produktbereichen wie bestimmten Induktivitäten und MLCCs sind wir aber noch mit längeren Lieferzeiten unterwegs. In der Entspannung der Lieferzeiten spiegelt sich die schwächere Auftragslage wider. Im Hinblick auf die Auftragsentwicklung sind wir inzwischen seit zwölf Monaten schwächer unterwegs. Unsere Book-to-Bill-Rate liegt seit einem Jahr unter 1.
In der Allokationsphase der Corona-Pandemie wurde von den Bauelemente-Herstellern der Ausbau der Produktionskapazitäten gefordert. Wie haben sich Ihre Fertigungskapazitäten inzwischen gegenüber 2019 verändert?
Die große Frage für uns und die anderen Hersteller war ja: Ist die Covid-Pandemie nur eine kurzfristige Störung des Marktes? Wird es danach eine V-förmige Markterholung geben? In dieser Phase hat uns die Möglichkeit der Kurzarbeit wirklich geholfen, wir waren nicht gezwungen, unser Personal so radikal anzupassen, wie es die Marktsituation zunächst scheinen ließ. Ich muss aber auch sagen, dass wir schlicht robuster waren als bei der vorangegangenen Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/09.
Aktuell passen wir über Maßnahmen wie das Nichtbesetzen von Arbeitsplätzen, die durch Fluktuation frei werden, die Personalsituation an die gesunkene Marktnachfrage an. Zum Teil haben wir auch die Zahl der Schichten reduziert. Wenn Sie mich nach der Steigerung der Produktionskapazitäten gegenüber 2019 fragen, dann ist die sicher im Bereich MLCCs am höchsten ausgefallen. Da sprechen wir über eine hohe zweistellige prozentuale Steigerung. In anderen Bereichen wie etwa Aluminium-Elektrolyt- und Folienkondensatoren bewegt sich die Produktionssteigerung ebenfalls im zweistelligen prozentualen Bereich, aber deutlich niedriger als bei MLCCs.
In den letzten Jahren wirkten sich Preissteigerungen im Rohstoffbereich auch auf die Bauelementepreise aus. Hat sich das inzwischen wieder normalisiert?
Es waren ja nicht nur die Rohstoffpreise, auch die Energiepreissteigerungen haben uns getroffen. Chemische Prozesse sind eben einfach energieintensiv. Im Bereich der Rohstoffe hat sich die Situation gegenüber den jüngsten Höchstständen wieder etwas entspannt. Palladium ist beispielsweise wieder deutlich preiswerter geworden; wir sind aber auch dabei, unseren Bedarf an Palladium durch technologische Weiterentwicklungen zu reduzieren. Die Preise für Kupfer sind inzwischen auch wieder leicht zurückgegangen, aber immer noch deutlich über dem Vor-Corona-Niveau. Eine Belastung stellen dagegen weiterhin die hohen Energiepreise dar. Deutlich entspannt hat sich neben den Rohstoffpreisen auch die Situation im Logistikbereich, wir bewegen uns ja beispielsweise bei den Container-Preisen wieder auf dem Niveau der Vor-Corona-Zeit.
Es gibt Stimmen am Markt, die angesichts von Auftragsverschiebungen und Mitarbeiterentlassungen in den asiatischen Produktionsstätten vor der Möglichkeit einer neuen Allokation im Herbst 2024 warnen. Halten Sie das für realistisch?
Ganz ehrlich – auf der Ebene der Bauelemente kann ich mir das in so kurzer Zeit nicht vorstellen. Im Bereich der Subsysteme mag das anders sein. Aus heutiger Sicht ist das aber sehr schwer zu prognostizieren.
TDK hat einen Think-Tank ins Leben gerufen, der nach dem Out-of-the-Box-Prinzip neuen Produktideen eine Chance gegeben sollte. MITAI.AI im Bereich der EMV war das erste Projekt dieser Art; folgt demnächst ein zweites?
Eine neue Idee durchläuft gerade die Phase der Verifizierung des Business-Case. Es geht dabei um, sagen wir: Wassertechnologien. Getrieben wird das Projekt von zwei Faktoren: Mangel und Reinheit. In der Kombination aus Sensorik und Elektronik passt diese neue Idee hervorragend zum TDK-Portfolio. Ich gehe aber davon aus, dass wir hier den Rollout erst 2024 erleben werden.
Wie muss man sich das eigentlich vorstellen, gehen da das ganze Jahr über Vorschläge bei Ihnen ein?
Nein, wir haben zweimal im Jahr eine Vorstellungsrunde für solche neuen Ideen. Ob sich eine Idee dann durchsetzt und wirklich Marktreife erlangt, hängt für uns nicht nur von den Marktrechechen, sondern auch immer davon ab, ob wir die notwendige Manpower haben, um die Idee umzusetzen. Wenn man sich für die Realisierung einer neuen Idee entscheidet, bedeutet das ja auch immer, dass die damit beschäftigten Mitarbeiter nicht mehr für ihre ursprünglichen Tätigkeiten zur Verfügung stehen. Auch dieser Aspekt fließt in den Abstimmungsprozess ein.