Push-Pull-Steckverbinder sind in der Mess- und Prüftechnik sowie in medizinischen Anwendungen unverzichtbar. Weil die schnelle Verriegelung einen klaren wirtschaftlichen Vorteil bietet, setzt sie sich aber auch in anderen Anwendungen zunehmend durch. Mehr dazu lesen Sie im Interview.
Manuela Gutmann, Division Manager Connector Solutions bei Yamaichi Electronics, erläutert die neue Relevanz dieser Technologie.
Markt&Technik: Seit über einem Jahrzehnt setzt Yamaichi Electronics mit der »Y-Circ P«-Serie stark auf den Produktbereich der Push-Pull-Rundsteckverbinder. Was hat sich seitdem getan?
Manuela Gutmann: Zum einen ist unser Produktportfolio stetig gewachsen. Die »Y-Circ P«-Serie umfasst heute verschiedenste Baugrößen und Polzahlen, sodass darauf basierend zehntausende verschiedene Steckerverbinder konfiguriert werden können. Die Vielfalt zeigt sich hier nicht nur über die verschiedenen Baugrößen, sondern auch in den Polbildern: 2 bis 40-polig für die Signalübertragung, spezielle Lösungen für die Datenübertragung bis 10 Gbit/s, außerdem Leistungsübertragung, Pneumatik, LWL oder auch hybride Steckgesichter ganz nach Kundenwunsch. Zum anderen haben wir im Laufe der letzten Jahre den generellen Gedanken des Push-Pull-Mechanismus in weitere Produktbereiche übertragen.
Heißt das, dass immer mehr Steckverbinder von dem schnellen Anschlussmechanismus profitieren?
Ja, zum Beispiel bieten wir im Bereich des M12-Anschlusses unsere »Y-Circ M«-Push-Pull-Steckverbinder heute in allen gängigen Kodierungen an, die trotz des Push-Pull-Mechanismus den gleichen Bauraum wie normale Schraub-Steckverbinder benötigen. Des Weiteren haben wir bei unseren robusten Industrie-RJ45-Steckverbindern »Y-Con«, die bereits seit Jahrzehnten in der Fabrikautomatisierung eingesetzt werden, das Metallgehäuse auf die benutzerfreundliche Push-Pull-Verriegelung umgestellt. Aber nicht nur I/O-Steckverbinder nutzen Push-Pull. Auch unser Board-to-Cable-System »Y-Lock« für die interne Verbindung von Leiterplatten-Stecker und FFC/FPC verwendet den Mechanismus und ist dadurch robust, einfach, prozesssicher und automatisch bestückbar.
Warum sehen Sie in der Push-Pull-Technologie so großes Potenzial?
Der Vorteil liegt in der einfachen und schnellen Bedienbarkeit. Die Zeitersparnis liegt bei mehr als 80 Prozent im Vergleich zum Verschrauben. Das heißt, es gibt einen klaren wirtschaftlichen Aspekt, weil zum Beispiel Wartungsarbeiten viel schneller durchgeführt und damit Stillstandzeiten reduziert werden können. In medizinischen Anwendungen ist das aber oftmals gar nicht der entscheidende Punkt. Hier ist Schnelligkeit schlichtweg essenziell für die Versorgung von Patienten.
Gleichzeitig kann der Push-Pull-Mechanismus auch Bedienfehler ausschließen, denn beim Verschrauben muss auf das richtige Drehmoment geachtet werden. Gerade bei Steckverbindern mit hohen IP-Anforderungen ist dieser Vorteil von großer Bedeutung – denn sowohl zu geringe als auch zu hohe Kräfte bei der Verschraubung können dazu führen, dass das System nicht mehr dicht gegen eindringendes Wasser ist.
Weitere Aspekte sind auch Stecken ohne Sichtkontakt, schwierige Zugänglichkeit oder beengte Bauräume. Es gibt also unterschiedliche Beweggründe für den Einsatz von Push-Pull-Steckverbindern.
Eine wichtiges Produkt ist der standardisierte M12-Push-Pull-Steckverbinder. Sie haben diese Standardisierung aktiv vorangetrieben. Warum war Ihnen das wichtig?
M12-Steckverbinder sind als Verbindungslösung in der Industrie seit Jahrzehnten etabliert und weltweit im Einsatz. Das gesamte System basiert auf internationaler IEC-Normung, um Kompatibilität und Austauschbarkeit zu gewährleisten. Als wir unser Konzept zum M12 mit Inner-Push-Pull-Verriegelung bei Key-Kunden zum ersten Mal präsentiert haben, stieß dies sofort auf sehr großes Interesse. Es wurde aber auch sehr schnell klar, dass für eine breite Akzeptanz eines solchen M12-Steckers die Normung wichtig sein würde. Zumal das System auch rückwärtskompatibel ist, sodass in einem Push-Pull-Gerät auch weiterhin ein Kabel mit Standard-M12-Schraubverbindung eingesetzt werden kann.
Allerdings gibt es konkurrierende Steckverbinder-Systeme beim M12-Push-Pull – trotz Normung. Wie ist hier der aktuelle Stand, auch hinsichtlich der Standardisierung?
Grundsätzlich ist an dieser Stelle wichtig zu erläutern, dass beim M12-Push-Pull differenziert werden muss zwischen Outer Push-Pull und Inner Push-Pull. Beim Outer Push-Pull greift die Kabelseite von außen über einen Dom und verrastet über entsprechende Rasthaken. Geräteseitig kann hier sowohl eine Buchse als auch ein Stecker verwendet werden. Der Gerätestecker für den Outer Push-Pull hat dazu eine umlaufende Verriegelungsnut, die Gerätebuchsen sind für zwei verschiedene, am Markt erhältliche Outer-Push-Pull-Kabel ausgelegt. Dafür befinden sich auf der Außenseite der Gehäuse Verrieglungskonturen für diese beiden Systeme. All das ist detailliert beschrieben in der Norm IEC 61076-2-010. In dieser Norm gibt es ebenfalls die Definition für einen Inner Push-Pull, der für die Verriegelung eine umlaufende Nut direkt an der Frontseite der Gerätebuchse vorsieht.
Speziell auf Inner Push-Pull ausgelegt ist die Norm IEC 61076-2-012 – diese Norm beschreibt den von Yamaichi konzipierten Inner-Push-Pull-Mechanismus mit drei Rasthaken. Diese Rasthaken verriegeln tief im Gehäuse und sind daher besonders robust, insbesondere bei Torsionsbelastung. Grundsätzlich muss bei Inner-Push-Pull-Steckern immer berücksichtigt werden, dass geräteseitig nur Buchsen zum Einsatz kommen können. Definiert ist in der IEC 61076-2-012 auch die Abdichtung. Diese ist auf der Gehäuseseite ganz einfach zu realisieren mit einem Standard-O-Ring wie bei jedem Schraub-M12. Die Kabelseite bringt dann eine eigene Dichtung mit. Somit ist die Dichtung unabhängig davon, ob die Buchse mit Schraub- oder Push-Pull-Kabel verwendet wird, und eine wechselseitige Beschädigung ist in jedem Fall ausgeschlossen. Das ist sehr wichtig, denn im Sinne der Rückwärtskompatibilität kann das Push-Pull-Gerät bei Bedarf ja auch weiterhin einen ganz normalen M12 mit Schraubverriegelung aufnehmen.
Wie ist die Marktverbreitung bei Push-Pull-Steckverbindern?
Wie geschildert setzen wir die Technologie in den unterschiedlichsten Produkten und Applikationen ein. Das erwähnte Y-Lock-Board-to-Cable-System ist z. B. mittlerweile in Batteriemanagementsystemen im Automotive-Bereich im Einsatz. Das Potenzial ist aus unserer Sicht somit auf jeden Fall da, und vor allem ergeben sich in den Kundengesprächen immer wieder neue Anwendungsfelder.
Für die Rundsteckverbinder Y-Circ P sind die wesentlichen Märkte die Mess- und Prüftechnik, Automotive Testing, Medizintechnik und auch Defense und Security – diese Märkte setzen schon seit Jahrzehnten auf die Vorteile von Push-Pull.
Der »Y-Circ M12« ist als Industriesteckverbinder ein echter Allrounder, da er mittlerweile Signale, Daten und Leistung übertragen kann. Und dabei ist er kompakt, zuverlässig und preislich attraktiv. Bei M12 wird ein wesentlicher Bereich sicherlich weiterhin mit klassischen Schraublösungen abgedeckt werden. Aber wir sind überzeugt davon – und sehen dies auch bereits an unseren Projekten –, dass sich Push-Pull einen interessanten Anteil erobern wird.
Wahrscheinlich bereiten Sie schon die nächsten Innovationen im Bereich Push-Pull vor. Woran arbeiten Sie konkret?
Der Aspekt Push-Pull und ganz generell das Thema Handhabung haben mittlerweile einen viel stärkeren Fokus. Deshalb denken wir diesen Gesichtspunkt immer von Anfang an mit bei unserer Produktentwicklung. So haben wir unsere Single-Pair-Ethernet-Steckverbinder »Y-SPE« von Beginn an auf Push-Pull-Verriegelung ausgelegt. Und Single-Pair-Ethernet für Industrieanwendungen wird sicherlich in den nächsten Jahren ebenfalls ein spannendes Thema sein.