Eigentlich hatte sich das 1. Quartal für viele Komponentenzulieferer der deutschen und europäischen Automobilbranche positiv entwickelt, doch Trumps unberechenbare Politik sorgt für Unsicherheit und ein volatiles Marktumfeld. Fazit: »Die chaotischen Rahmenbedingungen könnten das Geschäft bremsen.«
Erst zu einem Stichtag Strafzölle gegen die europäische Automobilbranche verhängen und sie dann, zumindest für drei Monate, vorläufig wieder aussetzen. »Die aktuelle Politik hat einen riesigen Impact, und die Folgen sind schwer ausrechenbar und aufgrund des ständigen Hin und Hers auch kaum berechenbar«, meint Alexander Gerfer, CTO der Würth Elektronik eiSos, »Unternehmen brauchen Planungssicherheit, die aber ist weltpolitisch momentan nicht gegeben«. Wie sehr das Zollchaos die deutschen Autohersteller trifft, lässt sich allein daran ablesen, dass 2024 fast jeder dritte Porsche und jeder sechste BMW in Nordamerika verkauft wurde. Bei VW, Audi und Mercedes-Benz liegt der Anteil nach eigenen Angaben jeweils zwischen 12 und 15 Prozent. Zwar fertigen VW, BMW und Mercedes-Benz bereits in den USA, den Großteil der dort verkauften Fahrzeuge führen sie aber ein.
Olaf Lüthje, Senior Vice President Marketing Operations bei Vishay, macht darauf aufmerksam, dass die angedrohten und für andere Weltregionen bereits gültigen Zölle nicht nur Fahrzeuge, sondern auch importierte Fahrzeugkomponenten betreffen. »In den USA waren 2024 rund 50 Prozent der verkauften Autos Importfahrzeuge, und die bereits damals verhängten Zölle haben sich negativ auf Importe aus China und Südkorea ausgewirkt.«
Bei Murata erwartet man derzeit einen Einbruch des PKW-Absatzes von 10 bis 20 Prozent für das zweite Halbjahr 2025. Rüdiger Scheel, Vice President Mobility und Branch Manager bei Murata, macht dafür nicht die angedrohten Zölle an sich, sondern die durch die Situation hervorgerufene Verunsicherung der Verbraucher in den USA verantwortlich. Und er legt den Finger in eine Wunde des ehemals erfolgreichen Business-Konzepts deutscher Premium-Anbieter: »Die SUVs, die BMW und Mercedes in China bislang verkauft haben, werden in den USA produziert und sind nun mit einem Gegenzoll Chinas von 125 Prozent beaufschlagt.«
Probleme, mit denen sich offenbar nicht nur deutsche Autobauer konfrontiert sehen. Laut der Nachrichtenagentur Reuters durchkreuzen die chinesischen Gegenzölle auch die zukünftigen Produktionspläne von Tesla. Der Elektroautopionier ist beim Bau seiner Fahrzeuge auf Komponenten aus China angewiesen. Zwar war man offenbar bereit, die in der ersten Phase des Zollstreits aufgerufenen Strafzölle von 34 Prozent auf chinesische Waren aufzufangen, was viel über die Gewinnmarge von Tesla verrät; bei 145 Prozent funktionierte das dann aber nicht mehr. Aus diesem Grund, so Reuters, habe Tesla seine Pläne für die Produktion des Robotaxis Cybercab und des Sattelschleppers Semi vorerst auf Eis gelegt. Ursprünglich war geplant, die Serienproduktion beider Fahrzeuge 2026 zu starten.
Da die USA momentan fast im Tageswechsel Zölle entweder weiter erhöhen oder dann auch wieder aussetzen, bleibt die Unsicherheit über die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen vorerst die einzige Konstante. »Eigentlich zeigte die Book-to-Bill im 1. Quartal eine leicht steigende Tendenz«, erläutert etwa Guido Renner, Director Business Segment Components & Sensors bei der Isabellenhütte Heusler. »Aufgrund der aktuellen Zolldiskussionen erwarten wir inzwischen aber leider negative Auswirkungen auf das Geschäftsjahr 2025.«
Harald Sauer, Director Taiyo Yuden Europe, ist sich ebenfalls sicher, »dass, wenn die Zölle Bestand haben, sie zumindest vorübergehend zu einem schwächeren Markt führen werden«. Sauer rechnet aber damit, »dass der Markt Wege um die und mit den Zöllen finden wird«. Dass sich der Ausblick auf das Geschäftsjahr 2025 ohne die Zollsituation vielleicht verbessert hätte, davon geht auch Ferdinand Leicher aus, Vice President Sales EMEA Bourns: »Zölle per se sind schon negativ, aber das Hin und Her macht die Situation für alle Marktteilnehmer unplanbar und produziert weitere Verunsicherung.« Trump sei zwar immer auf Deals aus, »allerdings ist beispielsweise die Auswirkung der Zölle zwischen Mexiko und den USA so groß und so unsicher, dass es absolut unklar erscheint, ob es hier zu einer vernünftigen Balance kommen wird.«
Unter dem Eindruck der gegen Mexiko verhängten und gegen Europa angedrohten Strafzölle hatte beispielsweise VW den Bahntransport der in Mexiko gefertigten Fahrzeuge in die USA gestoppt und die Schiffslieferungen aus Europa angehalten. Wie es nun weitergeht, ob man Schutzzölle weiter in absurde Höhen eskalieren lässt wie im Fall Chinas und was passiert, wenn die vorerst ausgesetzten Zölle gegen die europäische Automobilindustrie doch noch kommen, ist derzeit nur schwer für die Komponentenzulieferer abzuschätzen.
Für Wolfram Harnack, President von Rohm Semiconductor Europe, »hängt das stark davon ab, wie sich die einzelnen OEMs positionieren – werden sie die Zölle weitergeben, und wenn ja, in welchem Umfang, und kommt es wirklich dazu, dass Produktionsstandorte in die USA verlagert werden?« Ole Gerkensmeyer, Vice President EMEA Sales bei Nexperia, sieht durch den Zollstreit erst einmal weniger Auswirkungen auf die gegenwärtige Entwicklung von Elektrofahrzeugen, er geht aber davon aus, »dass das die Absatzmärkte und die Modelle der Fahrzeughersteller langfristig beeinflussen wird.« Aufgrund der gegenwärtigen Verhandlungen im Zollstreit, rechnet er aktuell damit, »dass Veränderungen im Bestellverhalten der Automobilhersteller derzeit eher Spekulation sind.«
Sollten die Zollkonflikte jedoch Bestand haben, müssen nach Ansicht von Dr. Vogel, TDK, »viele Lieferketten neu gedacht werden, als Tier-2 wird das TDK mit einer höheren Verzögerungswirkung treffen. Vor allem unsere Kunden, OEMs und Tier-1s, werden unter Druck geraten, ihre Fertigung in die USA zu verlagern. Ob und wie schnell das passiert, ist aus heutiger Sicht völlig offen«. Sein Fazit lautet: »Die Unsicherheit ist groß, und mit der aktuellen US-Politik lässt sich kaum verlässlich planen. Flexibilität in den Lieferstrukturen wird darum jetzt zum strategischen Muss«!