Uneinheitliche Versorgungssituation

»Alles rund um Energie-Transformation boomt«

23. Oktober 2023, 14:30 Uhr | Engelbert Hopf
Leistungshalbleiter Hersteller und Distributoren berichten auf dem Leistungshalbleiter-Forum der Markt&Technik von sehr unterschiedlichen Lieferzeiten bei Leistungshalbleitern: Manches ist fast sofort lieferbar, andere Produkte liegen immer noch bei 30 bis 50 Wochen und mehr.
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Nach wie vor Allokations-Situation bei SiC, Small Signal-MOSFETs dagegen sind fast von einem Tag auf den anderen erhältlich. Kritisch kann es auch werden, wenn Leistungshalbleiter in Gehäusen angeboten werden, die im Automotive-Bereich beliebt sind, auch dann kann es zu höheren Lieferzeiten kommen.

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Zwischen Allokation und Normalität – so stellt sich für viele Kunden im Bereich der Industrieelektronik und des Automotive-Bereichs die aktuelle Situation dar, wenn es um die Belieferung mit Leistungshalbleitern geht. »Speicherbausteine und Analogbauteile sind inzwischen wieder mit sehr kurzen Lieferzeiten erhältlich«, schildert Harald Kasteleiner, Business Unit Manager Analog, Power & Sensors bei Glyn, die Situation auf dem diesjährigen Leistungshalbleiter-Forum der Markt&Technik.

»IGBTs und MOSFETs dagegen sind zum Teil immer noch nur mit Lieferzeiten von einem Jahr oder länger erhältlich.« In der Konsequenz führt das dazu, dass Kunden extra Lagerhallen anmieten, so der Glyn-Manager, »um ihre Ware zu stapeln, weil andere Komponenten, die zur Produktion noch benötigt werden, fehlen«.

Kasteleiner Harald
Harald Kasteleiner, Glyn: »Die große Herausforderung, vor der wir stehen, besteht derzeit darin, den Bedarf an IGBT-Modulen mit 50 bis 60 Wochen zu planen; bei MOSFETs sind es 30 bis 40 Wochen.«
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»Es gibt Kunden, die gehen mit mir durch ihr Hochregallager und erklären mir, dass dort 500 Bauteile, da 1000 und dort 5000 Bauteile sofort verschwinden würden, wenn sie diese oder jene Schlüsselkomponente erhielten«, berichtet Jochen Krause, Product Line Manager Stromversorgungen bei Hy-Line Technology. Trotz dieser Situation würden aber viele Kunden weiter kaufen, »da sie befürchten, dass sie die Bauelemente, wenn sie sie jetzt nicht abnehmen, erst wieder in einigen Monaten bekommen würden; das könnte dann zu spät sein, wenn sie inzwischen endlich die dringend benötigten Schlüsselbauelemente für ihr Produkt bekommen haben«.

Thomas Grasshoff, Senior Director Strategy bei Semikron Danfoss, sieht die Versorgungsprobleme auf dem Industrieelektronikmarkt vor allem applikationsspezifisch: »Alles, was mit Energietransformation zu tun hat, von den Erneuerbaren über Speicher bis zu Ladesäulen, boomt weiter, da reißen die Bedarfe nicht ab, und die Kunden kämpfen mit den beschriebenen Problemen; anders sieht es hingegen im Infrastrukturbereich aus, da wirken sich inzwischen die hohen Zinsen aus. Wenn also beispielsweise weniger Hochhäuser gebaut werden, dann braucht man auch weniger Aufzüge.« Dass die Bedarfe aus seiner Sicht da vor allem in Asien und China nachgelassen haben, hat mit den bekannten lokalen Strukturproblemen zu tun, mit denen China beispielsweise seit geraumer Zeit im Immobiliensektor kämpft.

Grasshoff Thomas
Thomas Grasshoff, Semikron Danfoss: »Alles, was mit Energietransformation zu tun hat, boomt; der Solarbereich, Klimageräte, Kompressoren, Ladestationen, da sind die Bedarfe auf absehbare Zeit weiter hoch.«
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Hat sich die grundsätzliche Situation im Bereich der Leistungselektronik seit dem letzten Jahr verbessert? Die Antwort der Forumsteilnehmer darauf lautet »ja, aber«. »Im Halbleiter-Bereich leben wir immer noch von der Hand in den Mund«, meint etwa Krause. »Was reinkommt, geht nach wie vor sofort raus; ob das dann allerdings direkt in die Produktion geht oder in den Safety-Stock des Kunden, können wir nicht sagen.« – »Die aktuell größte Herausforderung für uns besteht darin, den Bedarf für IGBT-Module mit derzeit 50 bis 60 Wochen zu planen«, berichtet Kasteleiner; »bei MOSFETs ist es ein bisschen gehäuseabhängig, aber auch da bewegen wir uns noch immer zwischen 30 und 40 Wochen«.

Low-Power-MOSFETs seien zudem immer davon abhängig, wie die Automobilbranche läuft: »Wenn ein großes Automobilwerk seine Produktion drosselt, sind auf einmal Mengen verfügbar, die man dann gerne an den Distributor schickt, der ja schon lange darauf wartet, und ich gebe sie dann an diejenigen weiter, die die Ware vor ein oder eineinhalb Jahren bestellt haben.«

Mit Blick auf die IGBT-Module stellt Grasshoff fest: »Es gibt solche, die innerhalb von 20 bis 30 Wochen lieferbar sind, und solche, bei denen der Bestellvorlauf bei 50 Wochen plus liegt.« Seine Erklärung dafür ist wieder: applikationsspezifisch. »Bei mittleren Leistungen von 5 bis 40 kW gibt es einen deutlich höheren Bedarf als bei größeren Leistungen, das hat wieder mit den besonders gut laufenden Applikationsbereichen zu tun.« Wie kann es aber sein, dass trotz der Investitionen in den Kapazitätsausbau offenbar nach wie vor zu wenig Kapazität zur Verfügung steht?

»Allein für das Fertigungs-Equipment im Bereich IGBTs liegen die Lieferzeiten bei 18 Monaten und mehr«, so Grasshoff, »dann kommen noch die Hochfahr- und die Ramp-up-Phase hinzu, da kommen locker zweieinhalb, drei Jahre oder auch mehr zusammen, bevor die neuen Kapazitäten zur Verfügung stehen«. Vor diesem Hintergrund ist wohl davon auszugehen, dass sich die Liefersituation in den engen IGBT-Bereichen nicht vor 2025 entspannt.

Gerkensmeyer
Ole Gerkensmeyer, Wolfspeed: »Der Bedarf an SiC ist deutlich höher als das, was die Industrie liefern kann, deshalb sind wir in der Allokation und stehen in einem Branchenwettbewerb bei der Erweiterung der Produktionskapazitäten.«
© Wolfspeed

Allokations-Zustände herrschen zudem nach wie vor im SiC-Bereich. »Wir befinden uns in einem Investitionswettlauf mit unseren Mitbewerbern beim Ausbau der Fertigungskapazitäten«, beschreibt Ole Gerkensmeyer, Sales Director Automotive EMEA bei Wolfspeed, die Situation, »und trotzdem ist die Nachfrage nach wie vor höher als das, was die Industrie liefern kann«. Was für den Bereich Industrieelektronik zutrifft, gilt noch in viel schärferer Form für die Automobilelektronik: »Ich habe noch nie einen so umkämpften Bereich der Halbleiterbranche erlebt«, so Gerkensmeyer, »wo sich die Vorstände von Automobilherstellern die Klinke in die Hand geben, um an ihre Bedarfe zu kommen«.

Es helfe ja nichts, fünf Autos im Showroom stehen zu haben, wenn man nicht die entsprechenden Bauteile habe, um die Produktion hochzufahren. »Für uns als Industrie wird die Kunst deshalb in den nächsten Jahren darin bestehen«, so der Wolfspeed-Manager, »in verantwortungsvoller Weise keine falschen Erwartungen zu wecken – der Bedarf wird gestillt werden können, aber eben nicht über Nacht«.

Mehr über die aktuellen Entwicklungen und Trends im Bereich der Leistungselektronik erfahren Sie im Trend-Guide »Leistungshalbleiter«, der am 29. Oktober erscheint. 


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