Noch Anfang des Jahres gab es die Hoffnung auf kräftige Bedarfssteigerungen für passive Bauelemente in der zweiten Jahreshälfte. Nur langsam abschmelzende Läger zerstörten diese Hoffnung. Nun richten sich die Erwartungen auf die zweite Jahreshälfte 2025. Erste Produktgruppen zeigen bereits Auftrieb.
»Unsere Hoffnungen auf eine grundlegende Verbesserung im zweiten Halbjahr 2024 haben sich bisher nicht bestätigt«, brachte vor Kurzem Josef Vissing, President von TDK Europe, den Blick seines Unternehmens auf den Markt auf den Punkt.
Zwar habe sich der Auftragseingang leicht verbessert, »aber er liegt immer noch unter den Erwartungen vom Frühjahr«. Als Gründe dafür nennt Vissing neben den schleppenden Verkäufen von batterieelektrischen Fahrzeugen die schwache Nachfrage im Industriebereich. Im Automotive-Bereich liegen die Abweichungen gegenüber dem Forecast eher im niedrigen einstelligen Bereich, »im Bereich Industrie eher höher«.
»Leider setzt sich die Flaute weiter fort«, stellt Rüdiger Scheel, Vice President Mobility und Branch Manager bei Murata, fest »Wenn ich ehrlich bin, hatten wir aber auch kein besseres zweites Halbjahr 2024 erwartet.« Wie bereits im letzten Jahr unterscheiden sich Forecast und reale Auslieferungen bei Murata auch in diesem Jahr wieder deutlich: »Die Abweichung gegenüber dem Forecast liegt bei einem Minus von 20 Prozent.« Mit einer wirklichen Trendumkehr rechnet er auch für 2025 nicht: »Aktuell liegen die Planungen der Kunden für 2025 bestenfalls flach über dem Jahr 2024.« Nach Scheels Worten gibt es aber auch Kunden, die eine Reduktion ihres Bedarfs planen.
Auch wenn sich die Bestände der Distribution im Bereich passiver Bauelemente nach Ansicht von Ferdinand Leicher, Vice President Sales EMEA bei Bourns, mittlerweile fast wieder völlig normalisiert haben, »ist die Nachfrage aufgrund der europäischen und vor allem deutschen Rezession so schwach, dass die Distribution weiterhin kaum kauft«. Die wichtigsten Märkte in Europa, so sein Fazit, »laufen schwach, und vor allem der Industriebereich liegt massiv unter dem Vorjahr«. Für Leicher heißt das in der Konsequenz: »Wir erwarten für 2024 deutliche Rückgänge zum noch ganz akzeptablen Jahr 2023.« Mit einer Trendumkehr rechnet man bei Bourns aktuell erst zur Mitte 2025.
Etwas positiver sieht Jan Pape, Vice President für ESBU Sales EMEA & South America bei Littelfuse, die aktuelle Marktsituation bei den passiven Bauelementen. Dort geht man davon aus, dass die Talsohle inzwischen durchschritten ist. Das 1. Halbjahr 2024 sei gegenüber dem Vorjahreszeitraum noch um 25 Prozent unter den Vergleichszahlen gelegen, »aber bereits seit dem 3. Quartal dieses Jahres sehen wir keine Verschlechterung mehr gegenüber den Vorjahreswerten«. Dass die Talsohle durchschritten ist, leitet er auch aus einer steigenden Anzahl von Short-Term-Orders ab, »die wir gut und gerne bedienen«. Pape gibt jedoch zu, »dass im Bereich der Industriekunden nach wie vor der Pessimismus überwiegt«. Mit einer Erholung der Märkte rechnet er erst ab dem Ende des ersten Halbjahres 2025.
»Für Europa hat sich die erwartete Erholung leider deutlich schlechter entwickelt als ursprünglich angenommen«, stellt Thomas Heel, Director Global Distribution in EMEA bei der Sales Business Group der Yageo-Gruppe, fest. »Die Gründe dafür sind vielfältig, aber die europäische und insbesondere die deutsche Exportwirtschaft ist weiterhin stark durch die diversen Krisen und weltweiten Konflikte negativ belastet.« Was das bedeutet, macht er mit Zahlen deutlich: »Im Durchschnitt fallen die Ergebnisse niedrig zweistellig schwächer aus als ursprünglich von den Kunden für 2024 avisiert.« Eine wirkliche Verbesserung sieht er für Europa 2025 noch nicht: »Es bleibt abzuwarten, was die momentanen Zinssenkungen und auch eventuelle Förderprogramme in Europa für Effekte auf dem Markt auslösen.«
Aus Sicht von Alexander Gerfer, CTO von Würth Elektronik eiSos, hat sich das Jahr 2024 letztlich wie prognostiziert entwickelt. »Kaufzurückhaltung, volle Läger und globale Krisenherde machen es bislang zu einem schwierigen Jahr.« Punktuell kam es demnach nicht nur zu Stornierungen und Verschiebungen, es waren auch Insolvenzen zu beklagen. Erste kleine Hoffnungsschimmer sieht Gerfer derzeit im asiatischen Raum. Der sei der Konjunktur in Europa inzwischen vorgelagert, »eine Belebung des hiesigen Marktes erwarten wir frühestens Mitte 2025«.
Von der Verschiebung von platzierten Aufträgen für die zweite Jahreshälfte 2024, teilweise auch von Stornierungen, berichtet auch Guido Renner, Global Sales Director in der BU Components bei Isabellenhütte Heusler. »Eine Erholung der Märkte hat in der zweiten Jahreshälfte 2024 leider nicht eingesetzt.« Renner geht davon aus, »dass das Niveau der zweiten Jahreshälfte in etwa der ersten Jahreshälfte 2024 entsprechen wird«. Sieht man sich die Details an, lassen sich zum Teil deutliche Unterschiede erkennen. Während im Automotive-Bereich die Abweichungen zum Forecast zwischen 10 und 15 Prozent liegen, bewegen sie sich in den Bereichen Industrie und Distribution bei 30 bis 50 Prozent. »Für den Industriebereich sehen wir eine Erholung im nächsten Jahr«, versichert Renner; im Automotive-Umfeld geht er von einer Größenordnung wie 2024 aus. »Grundsätzlich rechnen wir mit einer leichten Verbesserung in der zweiten Jahreshälfte 2025.«
Vergleichsweise positiv blickt Ole Bjørn, General Manager der Jianghai Europe Electronic Components, auf die Marktsituation: »Kaum ein Plan hat in der jüngsten Vergangenheit die Realität getroffen.« Zum Glück sei man weder von Kurzarbeit, Personal- noch Maschinenabbau betroffen; »damit bleiben unsere Flexibilität, Wettbewerbsfähigkeit und Logistik vollumfänglich erhalten«. Sein Eindruck ist, »dass man sich hierzulande sehr an die Kerngeschäfte klammert, statt innovativ nach vorne zu blicken«. Entsprechend schwer falle es deshalb vielen, neue Geschäftsfelder zu entwickeln und die Krise hinter sich zu lassen.
Für Stefan Sutalo, Vice President für Product Marketing Passive Components bei Rutronik, »hängen wir derzeit noch zwischen der Flaute und der Hoffnung fest«. Zwar gäbe es deutlich mehr Vorziehungen vonseiten der Kunden, »ich sehe aber noch zu wenig Impulse am Markt, die einen deutlichen Anstieg anzeigen würden«. Entsprechend fällt sein Urteil für das Jahr 2024 aus: »Die komplette Branche hat die Erwartungen nicht erfüllt!« Man liege deutlich hinter den Erwartungen. Nach seiner Ansicht kommen aktuell noch zu wenig Zeichen aus der Politik, die helfen würden, eine Trendumkehr einzuläuten. »Generell kommen wir alle aus sehr erfolgreichen Jahren, und nun ist es an der Zeit, neue Anreize zu setzen.«
Für Annette Landschoof, Product Manager PEMCO bei Schukat electronic, war schon früh im Jahr erkennbar, »dass sich der Markt nicht so schnell wie erhofft erholen würde und die Läger bei den Kunden deutlich langsamer abfließen als ursprünglich gedacht«. Es sei jedoch nicht alles negativ: »Die aktuelle B2B ist gar nicht so schrecklich, und erste Produktgruppen laufen wieder zögerlich an, beispielsweise MLCCs.« Ob das bereits ein Zeichen zur Kehrtwende sei, bleibe jedoch abzuwarten. Das Problem: Ein wirkliches wirtschaftliches Zugpferd ist aktuell nicht zu erkennen. Vor diesem Hintergrund werde von einem Erreichen der Talsohle teils erst im 1. Quartal 2025 gesprochen, mit der Hoffnung auf ein moderates Wachstum ab dem 2. Quartal 2025.
Wie groß die Unsicherheit über die Entwicklung der nächsten Monate ist, macht auch die Äußerung von Antonio Rodas, CTO bei Endrich Bauelemente, deutlich: »Sinnvoll beantwortbar ist diese Frage derzeit nicht, Kundenstimmen verweisen bei uns auf die zweite Hälfte des kommenden Jahres; für uns ist allerdings aktuell nicht bewertbar, ob das auch so eintreffen wird.«
Angesichts von Differenzen zwischen Forecast und wirklicher Abnahme von bis zu 25 Prozent in diesem Jahr ist auch für Joachim Pfülb, Vertriebsleiter bei Beck Bauelemente, eine Belebung der Nachfrage in diesem Jahr absolut nicht in Sicht. Der Ausblick für die Distributionsbranche auf das Jahr 2025 gestaltet sich für ihn deshalb schwierig bis schlecht: »Alles hängt von den Investitionen und den Abnehmermärkten ab. Gehen diese nicht durch Impulse zügig nach vorne und entsteht so neuer Bedarf, wird 2025 zu einer Katastrophe.«