Dank einer internationalen Aufstellung in Hinblick auf Produktion und Logistik sieht sich Al Yost, President & COO des US-basierten Anbieters Bourns, gut für die zweite Amtszeit Trumps und die von ihm angekündigten Maßnahmen wie Schutzzölle oder eine noch härtere Gangart gegen China gerüstet.
Markt&Technik: Herr Yost, ist es aus Ihrer Sicht ein Vorteil, stürmische Zeiten wie die Corona-Pandemie als privat gehaltenes Unternehmen zu überstehen?
Al Yost: Bourns plant als Privatunternehmen langfristig. Wir gewinnen Marktanteile in dem derzeit schwierigen Marktumfeld und planen, organisch und durch Akquisitionen zu wachsen. Als Eigentümer des Unternehmens investiert die Familie Bourns weiter kontinuierlich und nachhaltig in die Zukunft und möchte, dass Bourns noch Hunderte von Jahren ein eigenständiges Unternehmen bleibt. Man könnte sagen, das Familienmoto lautet: Gutes auf die richtige Weise tun.
Seit Kurzem ist klar, Donald Trump wird wieder US-Präsident. Bereits in seiner ersten Amtszeit nutzte er Schutzzölle als Teil seiner Wirtschaftspolitik. Mit welchen Auswirkungen auf Ihr Geschäft rechnen Sie nach seinem Wahlsieg?
Wir bei Bourns glauben, dass sich die kommende Trump-Regierung mehr auf das Wirtschaftswachstum konzentrieren wird, als wir es in den vergangenen Jahren in den USA erlebt haben. Die Welt braucht ein starkes Amerika. Wir gehen davon aus, dass die Zölle erhöht werden, um die Wirtschaftsproduktion in den Vereinigten Staaten zu stärken. Solche Maßnahmen haben negative, aber auch positive Auswirkungen auf die Weltwirtschaft. Als Bourns haben wir eine globale Produktions- und Logistikstruktur. Vor allem glauben wir, dass die Konzentration auf das Wirtschaftswachstum in den USA dazu beitragen wird, eine starke globale Wirtschaft in Europa, Nordamerika und China zu erreichen, sodass Bourns und die Branche ein starkes Geschäftswachstum verzeichnen können.
Als perfekte Möglichkeit zum Get-together und zum intensiven Austausch bot sich vor Kurzem die electronica an. Wie ist Ihre Einschätzung und Perspektive für 2025?
Für uns ist die electronica ein großartiger Ort, um unsere Partner, Kunden und Distributoren aus der ganzen Welt zu treffen. Wir waren hier präsent mit 50 Team-Members und haben viele gute Gespräche geführt. Viele unserer Partner stehen aktuell vor großen Herausforderungen, etwa der industrielle Bereich in Europa oder die europäische Automobilindustrie. Es scheint Konsens zu sein, dass die ersten sechs Monate im Jahr 2025 noch sehr herausfordernd sein werden. Andererseits sind die Lagerbestände bei passiven Komponenten weltweit und erst recht in Europa inzwischen sehr niedrig, sodass eine kleine Verbesserung der Lage durch den sogenannten Bull-Whip-Effekt im nächsten Aufschwung große Auswirkungen haben dürfte. Sie dürfen auch nicht vergessen, dass 40 Prozent unseres Umsatzes auf Distribution basiert.
Wir hören, in Asien würde die Nachfrage inzwischen wieder anziehen. Können Sie das bestätigen? Worauf gründet diese Erholung?
Wir sind der Ansicht, dass sich Asien insgesamt in einer besseren Verfassung befindet als Europa. Allerdings sehen wir keinen anhaltenden Trend zur Erholung Chinas, das aus verschiedenen Gründen weiterhin Probleme hat. Für westliche Passivlieferanten wie Bourns ist China ein schwieriges Pflaster geworden, wenn es etwa darum geht, die chinesische Automobilindustrie für sich zu gewinnen. Gleichzeitig sehen wir in Asien einen Nachholbedarf, die Elektronifizierung der Gesellschaft, der Weg zur »All Electric Society« ist dort bereits weiter fortgeschritten. In einer zunehmend vernetzten Gesellschaft bedeutet Bandbreite fast alles! Wir tun dort unser Bestes, um unsere Kunden im besten Maße zu unterstützen.
Bourns ist in insgesamt neun Marktsegmenten aktiv. Welches ist dabei das mit Abstand wichtigste für Sie und welches der Marktsegmente, in denen Sie aktiv sind, wies in den letzten Jahren die höchsten Steigerungsraten auf?
Was die Marktsegmente betrifft, so ist das Transportsegment, das großteils aus der Automobilindustrie besteht, seit vielen Jahren unser größtes Segment. Wir haben zuletzt ein starkes Wachstum für unser Magnetikgeschäft und auch für unser Sensorikgeschäft in der Automobilindustrie gesehen. Transportation macht rund 45 Prozent unseres Umsatzes aus. Wir profitieren auch stark von der Nachholsituation im Verbrauchersegment, etwa durch unser Geschäft mit Unterbrechern, die Notebooks und Tablets schützen. In Summe entfallen etwa 25 Prozent des Umsatzes auf den Bereich Consumer. Auch unser Industriegeschäft hat sich gut entwickelt, etwa mit Produkten für den Solar- und Wechselrichtermarkt, insbesondere in Europa in den Jahren 21 und 22 und auch noch im Jahr 23. Aktuell steuert dieser Bereich etwa 15 Prozent zum Umsatz bei. Sehr gut entwickeln sich auch die Bereiche Medizin und Luftfahrt.
Können Sie etwas zur Umsatzverteilung von Bourns sagen? Wie hoch war zuletzt der Gesamtumsatz und wie verteilt er sich auf die Regionen Europa, Amerika, Asien und China? Rechnen Sie 2024 mit einer Steigerung gegenüber dem Vorjahr?
Unser weltweiter Umsatz lag im Jahr 2023 unter 900 Millionen Dollar, und wir erwarten einen leichten Rückgang im Jahr 2024. Asien ist mit 45 Prozent unser wichtigster Absatzmarkt, aber wenn wir das Geschäft mit Designs aus Europa und Amerika mit Produktion in Asien berücksichtigen, haben die drei globalen Regionen eine ähnliche Bedeutung für Bourns, und wir wollen sicherstellen, dass wir geografisch und aus technischer Sicht ausgewogen bleiben. Rein umsatztechnisch betrug der Umsatzanteil der USA zuletzt etwa 25 Prozent, und EMEA trug etwa 20 Prozent zum Gesamtumsatz des Unternehmens bei.
Bourns hat ein starkes Automotive-Geschäft. Hat sich die Schwäche der europäischen Automobilindustrie zuletzt im Umsatzanteil Europas niedergeschlagen? Wann rechnen Sie mit einer Erholung in Europa?
In der Tat ist unser Anteil am Automobilgeschäft in Europa der größte weltweit. Wir waren 2024 von der Schwäche vieler unserer Tier-One-Kunden betroffen, die zu hohe Lagerbestände hatten. Gleichzeitig hatten wir eine Situation, in der OEMs neue Projekte in der gegenwärtig schwierigen Cashflow-/Investitionssituation verschoben. Die Bemühungen, neue marktgerechte BEVs zu entwickeln und auf den Markt zu bringen, wurden dazu begleitet von einer Entwicklung, in der viele Hersteller ihre Verbrennungsmotor-Plattformen länger als ursprünglich erwartet am Laufen halten. Wir haben in Europa mit unserem Sensorikgeschäft gut abgeschnitten, das gilt beispielsweise für Steering-Sensoren; in diesem Bereich haben wir mehrere neue Plattformen gewonnen und sind vor diesem Hintergrund auch für 2025 optimistisch. Wir gehen aktuell davon aus, dass sich der Automobilmarkt in Europa im Jahr 2025 wahrscheinlich nicht erholen wird, da die Produktionsprognosen in der EU derzeit leicht negativ bis stagnierend sind. Wir haben jedoch viele interessante Projekte, sodass wir schnell daran partizipieren werden, sobald sich die Märkte insgesamt erholen werden. Letztlich ist der EV-Bereich ein völlig neues Spiel, und die Marktkräfte werden darum die Supply-Chain beeinflussen.
Elektrofahrzeuge benötigen im deutlich höheren Maße passive Bauelemente als klassische Verbrenner. Wo sehen Sie im Automotive-Bereich aktuell die Transformation in Richtung Elektromobilität?
In der Automobilindustrie gibt es einen langjährigen Trend, passive Komponenten auf neue Plattformen zu verlagern, was ein wichtiger Faktor für das Wachstum unserer Branche war. Derzeit stellen wir sicher, dass wir für Tier-One und OEM über noch viele Jahre hin End-of-Life-Plattformen in der Verbrennung unterstützen werden. Wie ich schon erwähnt habe, scheint deren Lebenszeit offenbar noch länger zu sein, als das noch vor wenigen Jahren prognostiziert wurde. Für uns stellt die Umstellung auf EVs unabhängig davon ein großes Potenzial für zukünftiges Wachstum dar. Wir stärken darum unsere Forschung und Entwicklung in diese Richtung und arbeiten dabei eng mit Tier-Ones und OEM an zukünftigen Technologien zusammen.
Man könnte Bourns fast als Broadliner bezeichnen, Ihr Schwerpunkt liegt aber ganz klar auf passiven Bauelementen. Beim Thema Leistungshalbleiter haben Sie sich Foundry-Partnern gesucht. Wird Bourns diese Strategie beibehalten oder planen Sie, mittelfristig eigene Fertigungskapazitäten in diesem Bereich aufzubauen?
Wir konzentrieren uns im Power-Bereich auf drei Geschäftsbereiche: Da ist zuerst einmal unser Magnetikgeschäft, dazu kommt dann der Bereich Sensorik, der hauptsächlich bei Lenkungs-, Positions- und Geschwindigkeitssensoren liegt, und als drittes Hauptsegment Protection. Dahinter verbirgt sich in unserem Fall vor allem eine breite Palette von On-Board-Schutztechnologien. Wir haben ein kleines IGBT-Geschäft und einige PTVS (Power-TVS-Dioden, Anmerkung der Red.), und wir werden uns auch weiterhin nach Technologien umsehen, die unser Geschäftsmodell ergänzen. Wir haben jedoch keinen Schwerpunkt auf Leistungshalbleiter im Allgemeinen.
Bourns hat in der Vergangenheit regelmäßig Unternehmen oder Produktsegmente anderer Unternehmen übernommen, zuletzt Kaschke 2021. Zählen Akquisitionen weiter zur Wachstumsstrategie? Haben Sie noch weiße Flecken?
Bourns hat eine klare Akquisitionsstrategie mit dem Ziel, zusätzlich zu den 7,5 Prozent organischem Wachstum jährlich um 7 Prozent durch Akquisitionen zu wachsen. Wir haben eine starke Pipeline an Akquisitionszielen und konzentrieren uns auf Unternehmen, die unser bestehendes Geschäftsmodell und unsere Technologien ergänzen. Wenn Sie mich nach weißen Flecken fragen: Softwarespezialisten für Sensorauswertungen wären für uns sicher von Interesse. Bourns hat keine Schulden, wir sind problemlos in der Lage, wenn es für uns Sinn ergibt, auch mehrere hundert Millionen Dollar für eine Akquisition auszugeben. Entscheidend ist letztlich: Hilft uns eine Akquisition, unsere Gesamtleistung als Unternehmen zu verbessern? Gelingt uns das auch in Zukunft, werden wir weiterhin profitabel sein und unabhängig am Markt agieren können.
Akquisitionen können immer in zwei Richtungen gehen. Ich erinnere mich, dass Dr. Zandman und Herr Bourns immer mal wieder über eine Übernahme sprachen.
Ich habe gehört, dass Marlan Bourns und Dr. Zandman alte Geschäftsfreunde waren und beide unsere Elektronikindustrie entscheidend mitgeprägt haben. Wir wissen, dass Vishay viele Übernahmen getätigt hat, und es könnte in dieser fernen Vergangenheit Diskussionen gegeben haben. Die Familie Bourns hat jedoch eine klare Strategie, um Bourns in die Zukunft zu entwickeln und es für lange Zeit unabhängig zu halten.
Letzte Frage: Indien wird immer wieder als Hoffnung genannt – wie beurteilen Sie die Möglichkeit, dass Indien mittel- und langfristig eine ähnliche Bedeutung wie China in den letzten zwei Jahrzehnten für Bourns einnehmen wird?
Indien ist auch für Bourns ein wichtiges Wachstumsziel, und wir sind dabei, unsere Präsenz durch verschiedene Aktivitäten zu erhöhen. Indien wird ein starkes Wachstum bringen, aber es ist schwierig vorherzusagen, ob es sich auf ein ähnliches Niveau entwickeln kann, wie es China in der Vergangenheit für unsere Branche war. In unseren Augen vielversprechend ist auch Malaysia, deshalb engagieren wir uns dort aktuell und in Zukunft verstärkt.