Stabilisierung der Bedarfszahlen im Automobil- und Automotive-Bereich, eine leichte Erholung des Industriesektors gegenüber 2024. Angesichts der Verunsicherung durch die US-Importzölle verlief das Jahr 2025 für Spezialisten im Bereich passiver Bauelemente zwar schwach, aber stabil.
Allerdings sind die Aussichten für 2026 mehr als vage.
Drei Jahre Wirtschaftsflaute hinterlassen in der deutschen Wirtschaft zunehmend Spuren. So gehen die führenden Wirtschaftsinstitute in ihrem Herbstgutachten für die Bundesregierung davon aus, dass sich das Wirtschaftswachstum im laufenden Jahr nur auf 0,2 Prozent belaufen wird. Will man es positiv sehen – in ihrem Frühjahrsgutachten Anfang April dieses Jahres waren sie noch von 0,1 Prozent Wachstum des Bruttoinlandsprodukts ausgegangen.
Und natürlich wird im nächsten Jahr nach Einschätzung der Experten alles besser – 1,3 Prozent soll das Wirtschaftswachstum dann betragen. Ob es wirklich so kommt? Gerade erst ist der ifo-Geschäftsklimaindex überraschend eingebrochen. Von 88,9 auf 87,7 sank der Indexwert von August auf September, und das, nachdem er zuvor in Serie sechs Monate angestiegen war. Die Stimmung der rund 9000 vom ifo-Institut befragten Führungskräfte ist deutlich gesunken.
Kein Wunder also, dass bei der aktuellen Befragung der im deutschsprachigen Raum aktiven Hersteller und Distributoren passiver Bauelemente die Haltung überwiegt – es hätte schlimmer kommen können! Oder anders ausgedrückt: 2025 fällt ganz offensichtlich nicht so schlimm aus wie 2024. Dabei hatte das Jahr gut begonnen. »Dadurch, dass Kunden im ersten Halbjahr Bestellungen vorgezogen haben, um den angekündigten Zöllen von US-Präsident Trump zu entgehen«, erläutert Rüdiger Scheel, Vice President Mobility und Branch Manager bei Murata, »führte das im zweiten Halbjahr eher zu einer abgeschwächten Nachfrage«.
Vielleicht hängt die Sicht auf den Verlauf des Jahres aber auch einfach damit zusammen, wie hoch man die Messlatte gelegt hat. »Bisher hat das Geschäftsjahr unsere Erwartungen erfüllt«, meint etwa Harald Sauer, Director Taiyo Yuden Europe, »die waren aber auch nicht besonders ambitioniert angesetzt. Wir reden von einem flachen bis kleinen einstelligen Wachstum«. »Wir haben uns stabilisiert«, meint Michael Turbanisch, Director, Head of Sales Central Europe der Yageo Group, »einige Segmente wie Automotive, Solar oder Automation sind nach wie vor deutlich hinter den Vorjahren, andere wie AI, Defense und Aerospace oder Industrial entwickeln sich positiver, was aber auch regional stark unterschiedlich ist«.
»Zwar konnten wir im Industriegeschäft leichte Fortschritte verzeichnen, in der Automobilbranche sind wir aber weiterhin weit entfernt von den ursprünglich geplanten hohen Steigerungsraten der E-Mobility«, blickt Josef Vissing, Präsident und Head of Sales Europe bei TDK Europe, auf den bisherigen Jahresverlauf zurück, »der weltweit stark wachsende Bedarf, getrieben durch die Infrastruktur und Stromversorgungen für KI-Rechenzentren, wirkt sich bislang nur begrenzt positiv auf das Geschäft hier in Europa aus«.
Antonio Rodas, CTO der Endrich Bauelemente, sieht für 2025 seine Erwartungen und Befürchtungen bestätigt, »nachdem deutlich geworden ist, dass in diesem Jahr nicht mit Verbesserungen der allgemeinen wirtschaftlichen Situation zu rechnen ist«. Ähnlich sieht das Joachim Pfülb, Vertriebsleiter der Beck Elektronik Bauelemente, »in puncto Umsatz und Auftragseingang ist 2025 weiter unter Plan«. Für Guido Renner, Director Strategic Business Segment Components & Sensors bei der Isabellenhütte Heusler, »ist das Jahr bislang geprägt von der Stabilisierung im Automotive-Bereich, bei steigendem Wettbewerbsdruck sowie SOP-Verschiebungen. Der Industriesektor hat sich zwar im Vergleich zum schwachen Jahr 2024 erholt, hat das Niveau von 2022/23 aber noch nicht wieder erreicht«.
Etwas anders sieht das Thomas Garz, CEO der Würth Elektronik eiSos Gruppe: »Wir sehen seit Jahresanfang erste Zeichen einer Trendwende, die Auftragseingänge steigen in mehreren Ländern wieder an. Wir gehen aktuell davon aus, dass sich auch das 4. Quartal solide entwickelt.« Ähnlich positiv fällt die Antwort von Dr. Arne Albertsen, Senior Sales Manager bei Jianghai Europe Electronic Components, aus: »Das Geschäft hat sich im laufenden Jahr konsolidiert und zeigt in Europa ein erfreuliches Wachstum von mehr als 20 Prozent gegenüber 2024!«
Ist für den Herbst, allgemein betrachtet, noch mit einer Verbesserung oder gar dem Beginn einer Aufholjagd zu rechnen? »Eigentlich nicht«, meint Sauer, »das vierte Quartal ist eigentlich schon im Auftragsbuch«. Als eher flach, wenn nicht gar rückläufig, ordnet Turbanisch die Aussichten für die verbliebenen drei Monate ein. »Auch wenn sich der Auftragseingang leicht positiv entwickelt«, so Vissing. »Wir rechnen in den letzten drei Monaten des Jahres nicht mit einem konjunkturellen Aufschwung, der Endspurt dürfte eher verhalten ausfallen.«
Auch Renner sieht keine Indikatoren für einen »Endspurt 2025«: »Die Kundenabrufe zeigen in den letzten Monaten keine signifikanten Veränderungen.« Ein glattes »Nein« kommt von Rodas, Pfülb sieht zwar einen steigenden Auftragseingang, aber der entwickelt sich sehr differenziert nach Kunden und Märkten. Garz wiederum will nicht von einem Endspurt sprechen, »vielmehr von einer kontinuierlichen Beschleunigung nach einigen Jahren mit herausfordernden Rahmenbedingungen in der Elektroindustrie«.
Und sieht es dann für 2026 besser aus? Schließlich geht das Herbstgutachten ja für die Gesamtwirtschaft von einem Wachstum von 1,3 Prozent im nächsten Jahr aus. Vielleicht sollte man die Erwartungen nicht zu hoch ansetzen? »Von der Kundenseite erhalten wir bislang keine Indikationen für eine Verbesserung in 2026 in den Märkten Automotive und Industrie, welche für Europa relevant sind«, gibt Scheel seine bisherige Einschätzung wieder. »Wir können keine gravierende Änderung des Marktes erkennen«, pflichtet ihm Sauer bei, »wir sehen in Europa auch keinen Auslöser, der dafür sorgen könnte – also Wunschdenken!«
»Vielleicht ergibt sich ja was spontan«, meint Rodas, »aber bislang sehen wir keine Tendenzen in den Märkten in diese Richtung«. Pfülb setzt darauf, dass die Lagerbestände aufgebraucht sind und deshalb 2026 wieder neue Aufträge erteilt werden. Turbanisch geht 2026 von einer leichten Verbesserung in EMEA aus, »jedoch nicht signifikant, insgesamt erwarten wir ein Wachstum im einstelligen Bereich«. Eine grundlegende Verbesserung bleibt für Vissing »vorerst eher eine Wunschprojektion«. Positiv stimmt ihn der Manufacturing-Production-Index, kurz PMI, »der erstmals seit Juni 2022 zumindest wieder eine leicht positive Stimmung in Europa zeigt«.
In diese Richtung argumentiert auch Renner: »Wir gehen mit vorsichtigem Optimismus in das Jahr 2026, die strukturellen Trends wie Elektrifizierung, Digitalisierung und Nachhaltigkeit sprechen klar für eine mittelfristige Erholung.« Eine Verbesserung der Marktsituation ist in seinen Augen möglich, »ist aber eine zugegebenermaßen optimistische Annahme und beruht aktuell nicht auf messbaren Fakten, wie etwa Book-to-Bill-Zahlen oder Ähnlichem«.
Garz geht bei der Würth Elektronik eiSos Gruppe mit einer positiven Grundeinstellung ins neue Jahr: »Der Trend zeigt nach oben und wir haben dafür auch in diesem Jahr in den Ausbau der Lager- und Logistikkapazitäten sowie der Fertigungen investiert und bauen weiterhin an unserem weltweiten Direktvertrieb«. Dr. Albertsen erwartet durch den Serienanlauf neuer Projekte ein starkes Wachstum 2026, zudem profitiere Jianghai seit Monaten von Auftragseingängen, die offenbar auf Lieferengpässe anderer Hersteller zurückzuführen sind.
Besteht die Chance, dass das ehemalige Rückgrat der deutschen Wirtschaft und der größte Abnehmer passiver Bauelemente im deutschsprachigen Raum, die Automobil- und Automotive-Branche, 2026 wieder spürbar Fahrt aufnimmt? Trotz des Hochlaufens etwa von Elektroautos mit 800-V-Architektur erwartet offenbar niemand 2026 eine kräftige Erholung. »Die Forecasts für 2026 sind sehr zurückhaltend, und es bleibt zu hoffen, dass die Vorhersagen dieses Mal getroffen oder sogar übertroffen werden«, meint Scheel. »Die Bedarfszahlen der Automobilisten haben sich nach unten korrigiert«, pflichtet Sauer bei, »sodass die Realität aktuell im Allgemeinen sehr gut abgebildet wird.«
Rodas sieht eine leicht erhöhte Abnahme bei den Automobilisten. Turbanisch berichtet immer noch von kurzfristigen Veränderungen der Bedarfsstückzahlen nach unten bei der Abnahme gegenüber dem Forecast«. Er geht davon aus, dass dieser Anpassungsprozess noch etwas dauern wird. Eine leichte Verbesserung registriert auch Renner, »aber das ist noch keine Trendwende«, immerhin habe sich 2025 die Diskrepanz zwischen Forecast und realer Abnahme etwas reduziert.
Aus Sicht von Vissing zeigt der Automotive-Markt aktuell zwar stabilere Bedarfe, »aber auf einem deutlich niedrigeren Niveau als zuvor«. Da in den kommenden Monaten und Jahren aber zahlreiche neue Plattformen europäischer OEMs in den Startlöchern stehen, »hat der Auftritt der europäischen Hersteller auf der IAA Mobility vor kurzem wieder etwas Hoffnung gemacht. Gleichzeitig sehen wir jedoch eine starke Konkurrenz durch chinesische und koreanische OEMs sowie neue Tier-1-Zulieferer, die sowohl preislich als auch technologisch mindestens gleichgezogen haben«.
Und wie massiv, nun bereits mit einigen Monaten Erfahrung in diesen Dingen, schlagen Trumps Schutzzölle auf das Geschäft mit passiven Bauelementen durch? Wer direkte Geschäfte mit den USA macht und dabei mit Ware aus China hantiert, hat Probleme. »Unser Geschäft in Nordamerika war deutlich betroffen«, berichtet Scheel, »zum Teil waren Veränderungen in der Supply Chain hinsichtlich Country of Origin oder der Supply Route notwendig. Dieser Anpassungsprozess ist nach wie vor im vollen Gange«. Sauer schildert den extremen Mehraufwand der Kollegen in den USA hinsichtlich Logistik und dem Problem, die Zusatzkosten weitergeben zu können.
Pfülb ist der Ansicht, dass die Verunsicherung bei den Halbleitern größer sei als bei den passiven Bauelementen. Turbanisch berichtet davon, dass die Yageo Group global davon betroffen sei: »In EMEA betrifft es hingegen eher unsere Kunden als uns.« Renner verweist auf Kunden, die Lieferketten bereits aufgrund der globalen Importzölle optimieren: »Wir prüfen derzeit gezielte Maßnahmen, um die Auswirkungen abzufedern.« Dass sich das Hin und Her um die verschiedenen Zollsätze inzwischen etwas beruhigt hat, verschafft laut Vissing TDK eine Verschnaufpause, »um unsere Importprozesse zu stabilisieren«. Im Fortgang der wirtschaftspolitischen Entwicklungen erwartet er als Nächstes Exportbeschränkungen aus China, etwa im Bereich Seltener Erden, oder zusätzliche Anforderungen hinsichtlich lokaler Wertschöpfung.