Software-definierte Fahrzeuge brauchen eine intelligente Vernetzung, Ethernet kann das allein nicht stemmen, vielmehr sind noch andere Kommunikationsansätze notwendig, insbesondere für die Anbindung der stetig steigenden Anzahl von Edge-Knoten.
»Unser Fokus liegt auf Konnektivitätslösungen im Fahrzeug – also allem, was notwendig ist, um immersive, personalisierte und sichere Erlebnisse im Innenraum des Fahrzeugs zu ermöglichen. Dabei geht es um Audio, Video, aber auch um die Fahrzeugarchitektur, die den Datentransfer zwischen verschiedenen Systemen – ob Domänen- oder zonale Architektur – unterstützt. Unser Ziel ist es, das intelligente Nervensystem des Fahrzeugs mitzugestalten«, erklärt Yasmine King, Vice President Automotive Cabin Experience bei Analog Devices. Dabei unterscheidet Analog Devices zwischen drei Anwendungsbereichen: Video, Audio und Body-Control – jeder Anwendungsbereich wird mit unterschiedlichen Ansätzen unterstützt: Video mit GMSL, Audio mit A2B und Body-Control mit E2B.
GMSL steht für Gigabit Multimedia Serial Link (ursprünglich eine Entwicklung von Maxim, heute ein Teil von Analog Devices) und ist eine »Hochgeschwindigkeitsverbindung, die Kameras mit dem zentralen Steuergerät oder mit Displays verbindet«, so King.
Der A2B-Audiobus wiederum ist eine einfache, flexible und kosteneffiziente Lösung für die Audioübertragung. A2B wurde speziell für eine Vielzahl von Anwendungen in der Automobil-, Consumer- und Industrieelektronik entwickelt – darunter Road Noise Cancellation (RNC), In-Car Communication (ICC) und Unified Communications Systems (UCS). In all diesen Bereichen sind geringe und deterministische Latenzen entscheidende Anforderungen an das Systemdesign. »Mit Millionen im Einsatz befindlicher Verbindungen bei über 35 Automobilherstellern hat sich A2B als De-facto-Standard für digitale Audioübertragung im Fahrzeug etabliert«, erklärt King weiter.
Der 10BASE-T1S »Ethernet to Edge Bus« (E2B) wiederum ermöglicht eine besonders einfache und flexible Umsetzung von Edge-Nodes für Automotive-Anwendungen. King: »Durch den Verzicht auf Mikrocontroller in Edge-Nodes erlaubt diese Technologie die vollständige Zentralisierung der Software – ein entscheidender Schritt hin zu modernen zonalen Architekturen und software-definierten Fahrzeugen.«
Ethernet galt mal als Zauberwort für die Automobilindustrie. In den Anfängen wurde davon ausgegangen, dass Ethernet mehr oder minder alle Busse im Fahrzeug verdrängt. Diese Vision ist eine Vision geblieben. »Stimmt, viele dachten, Ethernet würde alle anderen Bussysteme verdrängen. Aber es gibt nach wie vor verschiedene Netzwerkbereiche im Fahrzeug, und Ethernet passt nur zu bestimmten davon. Ethernet ist für kurze Distanzen zwischen High-Performance-Rechnern sinnvoll – aber nicht für Edge-Konnektivität, z. B. zu Sensoren oder Lautsprechern. Hier wäre die Verkabelung zu teuer und zu komplex«, erklärt King. Und genau auf diese Edge-Konnektivität konzentriert sich Analog Devices. Hier seien sehr energieeffiziente, asymmetrische Verbindungen gefragt – bei denen viele Daten nur in eine Richtung fließen. Auch ein Minuspunkt für Ethernet: Die Technologie ist symmetrisch und verbraucht dadurch unnötig Energie.
Dass die Anzahl der Kommunikationsstandards im Fahrzeug weiter zunimmt, anstatt reduziert zu werden, begründet King folgendermaßen: »Der Automobilbereich ist extrem kostengetrieben und volumenstark. Um hohe Leistung bei niedrigen Kosten zu erreichen, haben sich oft spezialisierte, proprietäre Ansätze durchgesetzt – die sind für spezifische Anwendungen einfach effizienter. Standardlösungen hingegen sind oft zu allgemein und dadurch ineffizient für bestimmte Anforderungen.«
Und daran scheint sich auch in Zukunft nicht viel zu ändern, denn laut King würden die OEMs ganz klar signalisieren: Sie wollen resiliente, schnelle und kosteneffiziente Lösungen. Und »das heißt nicht zwangsläufig Ethernet, aber es braucht eine gewisse Standardisierung«, erklärt King. Und weiter: »Unser Ansatz ist in diesem Fall ‚Ethernet to the Edge‘ – konkret 10BASE-T1S – ein Low-Speed-Ethernet, das CAN ersetzen kann. Wie bereits gesagt, lassen sich damit Edge-Nodes ohne Mikrocontroller realisieren. Für hochauflösende Videosignale ist Ethernet heute allerdings noch zu teuer und stromhungrig.«
ADI setzt auf einen Daisy-Chain-Ansatz, sodass sich mehrere Lautsprecher oder Displays mit einem einzigen Kabel in Reihe schalten lassen. »Das spart Gewicht und Kosten, und mit Ethernet wäre so ein Ansatz nicht möglich«, führt King weiter aus. Und der Daisy-Chain-Ansatz ist durchaus wichtig, denn mittlerweile gibt es Premiumfahrzeuge, die mit knapp 30 Lautsprechern ausgestattet sind. Klingt übertrieben, doch King ist überzeugt, dass »immersive Sound-Erlebnisse immer gefragter werden – auch in den unteren Fahrzeugklassen. Es geht sogar in Richtung ‚personal sound zones‘: vorne Klassik, hinten Kinderhörspiel. Das erfordert Mikrofone, Noise-Cancellation und viele Lautsprecher. Die Zahl der Komponenten wächst stetig – Mikrofone, Displays, Kameras, alles.«
Das spiegeln auch die Wachstumszahlen von ADI selbst wider. Das Unternehmen hat laut King analysiert, wie sich der Halbleiterumsatz von ADI im Automotive-Segment verändert, und »diese Analyse hat gezeigt, dass unser Elektronikanteil unabhängig von Fahrzeugtyp oder Antrieb wächst«, erklärt King.
In diesem Zusammenhang verweist King auch auf den Trend, dass immer mehr Bildschirme in die Fahrzeuge wandern, und zwar nicht nur für das Rücksitz-Entertainment, sondern »Displays ersetzen zunehmend mechanische Schalter – z. B. für Fensterheber oder Sitze. In manchen Modellen sieht man mittlerweile kaum noch physische Bedienknöpfe. Mechanische Komponenten gelten als Fehlerquelle Nr. 1. Daher der Trend zu Touchscreens«, so King. Darüber hinaus haben Displays auch den Vorteil, dass sich die Funktion über Software ändern lässt – ein Knopf bleibt immer gleich. »Das ist ein Riesenvorteil für Updates und Personalisierung«, fährt King fort.
Es wird ein Wachstum geben
Auch wenn die Umstellung auf zonale Architekturen etwas länger als erwartet dauert, ist sich King sicher: »Langfristig führt kein Weg daran vorbei – einerseits bietet sie viele Vorteile, andererseits sind Rückrufaktionen einfach zu teuer.« Wachstum erwartet King so oder so, und zwar nicht, weil mehr Fahrzeuge produziert werden, sondern weil mehr Elektronik in die Fahrzeuge wandert: »Mehr Kameras, mehr Displays, mehr Sensoren. Der Trend zur Cabin Experience ist ein klarer Wachstumstreiber«, so die Überzeugung von King. Und abschließend: »Früher war der Motor das Unterscheidungsmerkmal. Heute sind es Audio, Video, Konnektivität. Wer da überzeugt, gewinnt.«
Die drei zentralen Fähigkeiten des intelligenten Nervensystems eines Fahrzeugs |
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1. Konfigurieren – Konfigurieren bedeutet, eine nahtlose Kommunikation zwischen den Systemen sicherzustellen, um effiziente Abläufe und schnelle Entscheidungen zu ermöglichen. Ein Beispiel sind fortschrittliche Fahrerassistenzsysteme (ADAS): Bei Nebel erkennen Sensoren ein Hindernis, Algorithmen analysieren die Daten, und das Fahrzeug gibt eine Warnung aus, während es sich gleichzeitig auf das Bremsen oder Ausweichen vorbereitet. Damit Sicherheit und Leistung gewährleistet sind, müssen alle Komponenten – von der Kamera über die Entscheidungslogik bis hin zu den ausführenden Systemen – reibungslos zusammenarbeiten. 2. Synthese – Die Synthese beschreibt die Fähigkeit des Fahrzeugs, Daten aus verschiedenen Sensorquellen zu erfassen, zu kombinieren und zu verarbeiten. Sie repräsentiert das »Intelligent Edge« des Fahrzeugs – also die Fähigkeit, blitzschnelle, reflexartige Entscheidungen auf Basis umfassender Datenanalysen zu treffen. Ein Fahrzeug in einem komplexen, urbanen Umfeld muss Informationen von Kameras, LIDAR, Radar sowie GPS- und V2X-Schnittstellen integrieren, um seine Umgebung präzise zu erfassen und entsprechend zu handeln. Darüber hinaus verarbeitet es auch menschliche Eingaben wie Sprachbefehle und wird dadurch intelligenter, reaktionsfähiger und zunehmend proaktiv statt rein reaktiv. 3. Koordination – Koordination ist der letzte und verbindende Schritt im intelligenten Nervensystem eines software-definierten Fahrzeugs (SDV). Sie sorgt dafür, dass verschiedene Hardware-Plattformen abgestimmt zusammenarbeiten, wodurch Erkenntnisse gewonnen, Skalierbarkeit unterstützt und die Integration ins Gesamtökosystem gefördert wird. Durch koordinierte Abläufe von Hard- und Software kann das Fahrzeug in unterschiedlichsten Situationen effizient und sicher betrieben werden. |