Getrieben vor allem von der E-Mobility-Branche in China, schreitet die Entwicklung der Natrium-Ionen-Batterie zügig voran. Von Rundzellen für Elektrofahrzeuge bis herab zu Zellen im klassischen 18650-Format, wird in China inzwischen alles angeboten, und die Zahl der Hersteller steigt weiter.
Der BYD Seagul rollt, bestückt mit einer Natrium-Ionen-Battery, in China bereits über die Straßen. In Europa soll er optional in Zukunft ebenfalls mit Natrium-Ionen-Batterie erhältlich sein. BYD gibt eine Reichweite von 305 km an, der Preis soll unter 10.000 Euro liegen. Der Erste mit Natrium-Ionen-Akkus war BYD in China aber nicht, JAC hat zuvor bereits einen Kleinwagen mit einer Natrium-Ionen-Batterie von Hina auf den Markt gebracht. Als Pionier in Sachen Natrium-Ionen-Batterie startete Hina die Serienproduktion bereits 2022. Für 2023 strebt das Unternehmen eine Gesamtproduktion von 5 GWh an – das wäre genug für einige 10.000 Elektrofahrzeuge.
Auch wenn das Hype-Thema Natrium-Ionen hierzulande noch nicht in der Dynamik durchgestartet ist, wie das der ein, oder andere erwartet hat, treibt in China vor allem der Elektro-Automobilmarkt die Entwicklung voran. So berichtet unter anderem Ralf Isermeyer, Gründer und Geschäftsführer der VRI Batterie Technik davon, dass ihm einer seiner chinesischen Gesprächspartner auf der letzten Chinareise bereits eine Natrium-Ionen-Zelle in der Baugröße 21700 gezeigt hat, die dieser auf Anfrage aus der E-Mobility-Branche entwickelt hat (siehe Interview Seite 36). »Natrium-Ionen-Zellen«, so Isermeyers Eindruck vor einigen Wochen, »entwickeln nicht nur einige Hersteller in China, verschiedene Anbieter haben sie sogar bereits im Programm«.
Wie eine aktuelle Umfrage dieser Zeitung unter europäischen Batterie- und Akku-Spezialisten zeigt, sind die Entwicklungen aus China jedoch bisher kaum auf dem europäischen Markt angekommen, wenn es um Applikationen im Bereich Industrieelektronik geht. Wer sich selbst auf die Suche nach Natrium-Ionen-Batterien macht, findet zwar im Internet unter anderem den Hersteller Selian Energy, der unter dem Markennamen Hakadi Natrium-Ionen-Zellen auch nach Europa liefert. Zum Angebotsspektrum zählen dort unter anderem Akkus in den Zellgrößen 18650 und 21700. Selian Energy zielt mit diesen Produkten offenbar vor allem auf den Power-Tool-Markt. Wie sinnvoll es ist, angesichts der geringen Energiedichte jedoch Natrium-Ionen-Batterien als Rundzelle in 18650 anzubieten, wird in Zukunft noch zeigen.
»Der wesentliche Vorteil der niedrigen Materialkosten der Natrium-Ionen-Batterie«, spiegelt sich für Marc Eichhorn, Technology Segment Specialist Energy Storage bei Avnet Abacus, »im Vergleich zu Lithium-Eisenphosphat aktuell noch nicht in den Zellenpreisen wider«. Nach seiner Einschätzung bedarf es dazu eventuell noch einiger Optimierungen in der Prozesskette, und letztlich dann auch der erwarteten Skaleneffekte, »um die erwarteten Kostenvorteile zu erreichen«. Auf die erwarteten Skaleneffekte setzt auch Tino Gehrmann, Senior Technical Product Manager Power & Energy bei Hy-Line, »dann können sich die Natrium-Ionen-Batterien auf Grund des Preisvorteils sicher schnell etablieren«. Gehrmann denkt in diesem Zusammenhang vor allen an den Home-Storage-Markt.
»Ein grundlegendes Interesse, man kann es auch Neugier nennen, der Kunden auf Natrium-Ionen-Batterien liegt durchaus vor«, stellt Sven Krüger, Geschäftsführer von Actron Power fest, »wir stellen aber nicht fest, dass sich die neue Technologie bislang bereits bei Industrieapplikationen beginnt durchzusetzen«. Zurückhaltend äußert sich auch Thilo Hack, Vorstand bei Ansmann: »Nein, wir sehen bislang noch keine Entwicklung in diese Richtung, da die Anwendungen, und auch die Anbieter noch sehr eingeschränkt sind«. Aus heutiger Sicht, so Benno Leuthner, President Project Business bei CustomCells, »ist diese Technologie unter anderem für stationäre Anwendungen sehr interessant, ein Markteintritt könnte aus unserer Sicht in den nächsten 2 bis 3 Jahren erfolgen«.
Wie schnell sich solche Einschätzungen verändern können, vor allem wenn der Hebel Elektromobilität ins Spiel kommt, hat sich in jüngster Vergangenheit beim Thema Lithium-Eisenphosphat gezeigt. Lange Zeit besetzte dieses elektrochemische System aufgrund seiner im Vergleich zu Lithium-Ionen-Lösungen deutlich geringeren Energiedichte nur Nischenmärkte, vor allem im Bereich stationärer Anwendungen. Das hat sich massiv geändert, seit Tesla sich dazu entschieden hat, Lithium-Eisenphosphat als Einstiegsvariante für sein Modell 3 anzubieten.
Im Vergleich zu Lithium-Eisenphosphat, auf deren Fertigungslinien mit geringem Anpassungsaufwand auch Natrium-Ionen-Zellen gefertigt werden können, wird das Potenzial der neuen Batterietechnologie noch einmal besonders deutlich. Nach Einschätzung von Prof. Dr. Markus Hölzle, Materialspezialist am ZSW in Baden-Württemberg, dürften die Kosten für eine Kilowattstunde für Natrium-Ionen-Batterien auf Systemebene bei etwa 80 Euro liegen. Lithium-Eisenphosphat-Zellen kommen dagegen nach seiner Analyse auf 118 Euro. Lithium-Batterien, in Form von NMC811-Zellen (Lithium-Nickel-Mangan-Cobalt-Oxide) liegen preislich dagegen bei 146 Euro.
Vor diesem Hintergrund geht der chinesische Batteriehersteller CATL beispielsweise davon aus, dass der Preisvorteil gegenüber klassischen Lithium-Ionen-Zellen in Elektrofahrzeugen bei 40 Prozent liegen könnte. Bei einem Preis von weniger als 100 pro Kilowattstunden, so die These von CATL, die ebenfalls an der Serienherstellung von Natrium-Ionen-Batterien arbeiten, läge der Preis für einen Kompaktwagen Akku von 50 kWh bei 3000 bis 4000 Euro. Als Lithium-Ionen-Ausführung, würde der Akku bis zu 8000 Euro kosten.
In Deutschland beschäftigt man sich derweil noch mit Untersuchungen darüber, ob es gelingen könnte, eine von China unabhängige Fertigung von Natrium-Ionen-Batterien aufzubauen. Dazu Dr. Florian Degen, Bereichsleiter für Strategie- und Unternehmensentwicklung an der Fraunhofer FFB: »In Deutschland und Europa sind die Voraussetzungen für den Erfolg von Natrium-Ionen-Batterien gegeben. Für den Aufbau einer NIB-Industrie wird entscheidend sein, wie sich die Preise und die Lieferkette für LIB-Materialien zukünftig entwickeln. Umso wichtiger ist es nun, die Zusammenarbeit zwischen Industrie und Forschung zu fördern, damit deutsche Hersteller frühzeitig in die Produktion von Natrium-Ionen-Batterien einsteigen und diese Technologie als Ergänzung auf dem Batteriemarkt dienen können«.