In den letzten zwei Jahren lagen die Forecasts für den Bedarf der deutschen Automobil- und Automotive-Hersteller immer deutlich über ihrem tatsächlichen Bedarf. Für das Jahr 2025 deutet sich nun die Bereitschaft zu realistischeren Forecasts jenseits von Wunschdenken an.
Auch ohne die von Donald Trump angedrohten Schutzzölle gegen europäische Automobilexporte in die USA deutet aktuell wenig darauf hin, dass sich die Situation der Automobilindustrie in Europa schnell verbessern wird. Der Transformationsprozess einer ganzen Branche vom Verbrennungsmotor zum Elektrofahrzeug stellt einen enormen Stresstest dar. Wie eine aktuelle Umfrage der Markt&Technik unter führenden Komponentenherstellern in den Bereichen passive Bauelemente und Leistungshalbleiter zeigt, ruhen deren Hoffnungen für 2025 darum auf dem Erreichen der nächsten Stufe der Flotten-CO2-Grenzwerte und der Markteinführung neuer Elektrofahrzeuge im günstigeren Segment unter 30.000 Euro.
»Die meisten unserer Kunden planen für das Jahr 2025 sehr pessimistisch«, so Harald Sauer, Director von Taiyo Yuden Europe, »weshalb ich für 2025 von einer deutlich besseren Datenqualität ausgehe«. Wie wichtig das ist, macht das Statement von Ferdinand Leicher, Vice President Sales EMEA bei Bourns, deutlich: »Die EDI-Forecasts der OEMs und der Tier-Ones und Tier-Twos waren seit der Corona-Pandemie dramatisch unzuverlässig!« Realistische Markteinschätzung statt Zweckoptimismus, so könnte man das auch nennen, nachdem fast alle Zulieferer des Automotive-Bereichs in den letzten zwei Jahren teils massive Diskrepanzen zwischen den ihnen gegebenen Forecasts der Automobilhersteller, Tier-Ones und -Twos und den dann tatsächlich abgerufenen Stückzahlen feststellen mussten. Zum Teil lagen die Differenzen bei 20 Prozent und mehr.
Der Hoffnung auf bessere Zahlen gibt auch Olaf Lüthje, Senior Vice President Marketing Operations bei Vishay, Ausdruck: »Wir erwarten, dass die Bedarfsaussichten der Automotive-Kunden im kommenden Jahr mehr der Realität entsprechen werden.« Eine bessere Abstimmung beider Seiten scheint dringend erforderlich. »Aktuell liegen die Produktions- und Verkaufszahlen für E-Fahrzeuge unter den Zahlen des Vorjahres und damit unter den Erwartungen«, stellt Josef Vissing, President und Head of Sales Europe bei TDK Europe, fest. »Da mit höheren Stückzahlen gerechnet wurde, hat die gesamte Lieferkette in den Kapazitätsausbau investiert und mehr Ware produziert, die jedoch aufs Lager gewandert ist.«
Aufgrund zahlreicher neuer E-Fahrzeugmodelle im Jahr 2025, speziell auch im günstigeren Segment unter 30.000 Euro, und geplanten Steueranreizen sowie den verschärften Flottenzielen beim CO2-Ausstoß blickt Vissing trotzdem etwas positiver auf das kommende Jahr. Die enttäuschende Marktentwicklung der letzten zwei Jahre hat jedoch Auswirkungen auf die Zukunft. »Generell findet der Hochlauf für elektrische Getriebe weiter statt«, so Thomas Grasshoff, Head of Strategy bei Semikron Danfoss, »wenn auch mit verminderter Geschwindigkeit, was auch bedeutet, dass der Hochlauf bis 2035 weniger steil ablaufen wird als erwartet«.
»Auch wenn wir 2024 leicht steigende Bedarfe im Volumen gegenüber 2023 hatten«, so Rüdiger Scheel, Vice President Mobility und Branch Manager bei Murata, »liegen wir doch wertmäßig unter dem Jahr 2023 und damit natürlich weit unter unseren Erwartungen«.
Aktuell sei die Nachfrage nach Komponenten für E-Fahrzeuge je nach Plattform schrumpfend oder stagnierend, so Scheel; aus Sicht von Murata liege die Marktpenetration deshalb etwa zwei Jahre hinter den früheren Erwartungen zurück. »Für 2025 erwarten wir keine substanzielle Verbesserung, jedoch eine Stabilisierung auch durch einen höheren Verkauf von E-Fahrzeugen, insbesondere an Firmenkunden.«
Und wie sehen das Distributoren, die sich seit Langem mit Distribution im Automotive-Bereich beschäftigen? »Mit einer nachhaltigen Besserung der Situation rechnen wir erst, wenn die E-Fahrzeuge eine deutliche Mehrheit gegenüber den Verbrennern aufweisen«, meint Joachim Pfülb, Vice President Sales Components bei Beck Elektronik Bauelemente; »man darf auch nicht vergessen, dass die geringen Zulassungszahlen dazu führen, dass neue Projekte in diesem Segment verschoben werden«. Der Anteil passiver Bauelemente in einem Elektrofahrzeug ist höher als in einem Verbrenner. Von der Zukunft des Elektroantriebs profitieren bei passiven Bauelementen vor allem solche, die ausgelegt sind für höhere Spannungen von 400 bis 1000 V und höhere Ströme bis 100 A. Für Pfülb in diesem Zusammenhang auch wichtig: »Das Wachstum ist bislang direkt an die Fahrzeugproduktionszahlen gekoppelt und weniger stark an die Ausstattung der Fahrzeuge.«
»Wir erleben weiterhin ungewisse Verschiebungen im Bereich der E-Fahrzeuge«, berichtet Antonio Rodas, CTO bei Endrich Bauelemente, und meint damit vor allem die passiven Bauelemente. Bei den aktiven Bauelementen gingen die aktuellen Planzahlen zwar leicht nach oben, »aber das ist nach wie vor mit recht großer Unsicherheit behaftet«. Er geht auch davon aus, dass deutsche Hersteller wie VW noch eine längere Durststrecke vor sich haben werden, »sie müssen ihre Hausaufgaben machen und sich an die aktuelle Situation anpassen«. Mit einer Erholung, vor allem im Bereich aktiver Bauelemente, rechnet er für den Automobil- und Automotive-Bereich mit »eher Ende 2025, Anfang 2026«.