Der Anteil von E-Autos an den weltweiten Neuzulassungen stieg 2022 auf 16 Prozent. Mit 37 Prozent E-Auto-Anteil befindet sich Deutschland unter den führenden E-Auto-Nationen, hinkt aber beim Ausbau der Ladeinfrastruktur hinterher.
Nachdem der Anteil der E-Autos an den weltweiten Neuverkäufen im ersten Halbjahr 2022 leicht rückläufig war, stieg er unter anderem aufgrund gesunkener Strompreise in der zweiten Jahreshälfte wieder an und erreichte Ende 2022 einen neuen Rekordwert von 16 Prozent. Besonders viele E-Autos wurden in China verkauft, gefolgt von Europa und dem Mittleren Osten. In Deutschland stieg ihr Anteil auf 37 Prozent.
Bis 2030 dürften über die Hälfte der weltweit verkauften Autos Elektrofahrzeuge sein. Auch der Ausbau der Ladeinfrastruktur kam 2022 gut voran. Weltweit sind inzwischen knapp 22 Prozent der öffentlichen Ladepunkte Schnellladestationen. Deutschland hinkt bei diesem Aspekt mit nur 16 Prozent Schnelllader-Anteil hinterher.
Diese und weitere Ergebnisse liefert der »EV Charging Index 2023« von Roland Berger, der sich auf umfangreiche Brancheninterviews und eine Umfrage unter 16.000 Teilnehmern aus Europa, Asien, Nord- und Südamerika sowie dem Nahen Osten stützt.
»Der weltweite Markt für Elektrofahrzeuge und Ladestationen wächst derzeit sehr schnell. Das Bewusstsein für nachhaltige Mobilität nimmt zu, ebenso wie das Angebot der Hersteller. E-Autos werden immer alltagstauglicher und von Verbrauchern zunehmend akzeptiert«, sagt Lennart Lohrisch, Partner bei Roland Berger. »Doch speziell in Deutschland hält das Angebot an öffentlicher Ladeinfrastruktur mit der wachsenden Zahl an E-Autos nicht Schritt. Dabei könnte das Land eine Vorreiterrolle bei der Entwicklung eines neuen Energie-Ökosystems rund um das Laden von Fahrzeugen spielen. Voraussetzung ist allerdings ein klares Bekenntnis von Politik und Industrie zur E-Mobilität.«
Im Ranking des EV Charging Index übernimmt China erneut die Spitzenposition. Deutschland konnte den Abstand verringern und belegt den zweiten Platz. In den Top 5 folgen USA, Niederlande und Norwegen. Deutschlands stärkere Marktposition im Vergleich zum letzten Index resultiert aus dem gestiegenen Absatz von Elektrofahrzeugen (37 % versus 24 % Anteil im 1. Halbjahr 2022).
Beim Ausbau der Ladeinfrastruktur haben alle Top-5-Länder große Fortschritte gemacht, auch wenn Deutschland mit aktuell 26 E-Autos pro öffentlichem Ladepunkt im Vergleich zum weltweiten Mittel von 16 nach wie vor deutlich hinterherhinkt. Der Ausbau ist ein unverzichtbarer Treiber der E-Mobilität. Denn schließlich geben in den Befragungen 90 Prozent der E-Auto Besitzer an, dass sie auf öffentliche Ladestationen angewiesen sind. Mehr als 30 Prozent nutzen öffentliche Ladestationen sogar mindestens drei Mal pro Woche. Beliebtester Ladeort bleibt jedoch der Arbeitsplatz.
Der Markt für Ladeinfrastruktur ist dynamisch, mit einer Vielzahl von Unternehmen, die versuchen, sich sowohl in den vor- als auch in den nachgelagerten Bereichen des Geschäfts einen Anteil zu sichern: Automobilhersteller, Infrastrukturanbieter, Versorgungsunternehmen, Hersteller von Speichermedien für erneuerbare Energien, Tech-Giganten und sogar Öl- und Gasunternehmen. Dabei beschränken sich die Geschäftsmodelle nicht mehr auf Installation und Betrieb der Ladepunkt sowie den Verkauf von Energie. Vielmehr entstehen neue Geschäftsfelder in Bereichen wie Energiemanagement, Vehicle-to-Grid-Transfer oder der Vermarktung von Regelenergie.
»Mit der Ladeinfrastruktur entwickelt sich ein neues Energie-Ökosystem, in dem die Automobilhersteller eine wichtige Rolle spielen«, erklärt Lennart Lohrisch. »Zum einen, weil sie mit dem Verkauf von E-Autos die Nachfrage erzeugen, zum anderen aber auch, weil es mit Blick auf die weitere Entwicklung entscheidend ist, nicht nur Ladesäulen zu errichten, sondern diese auch in ein Gesamtsystem aus E-Mobilität und erneuerbaren Energien zu integrieren: Dazu braucht es vor allem innovative Lösungen wie Smart Charging und bidirektionales Laden, die sich überhaupt nur in enger Zusammenarbeit der OEMs mit Energieunternehmen und anderen Branchenakteuren umsetzen lassen. Hier muss sich das Tempo deutlich beschleunigen.«