Kurze Lieferzeiten, sinkende Preise – ein klassischer Käufermarkt also. Für 2025 dürfte sich an dieser Situation nichts ändern, auch weil zunehmend neue Wettbewerber aus China auf die deutschen und europäischen Märkte drängen. Ein wirklicher Aufschwung ist wohl nicht vor 2026 zu erwarten.
Zählen Sie zum Typ Wanderstiefel oder eher zum Team Gummistiefel? Anfang Mai waren auf der PCIM noch die Meisten der Ansicht, dass sich die Marktentwicklung 2025 als Seitwärtsbewegung darstellen wird. Investitionsprogramme hin oder her. Ein gewisser Grundoptimismus war unübersehbar, klar war aber auch, nicht alle haben das Jahr 2024 unbeschadet überstanden.
So »bestätigte« sich denn auch, was zuvor bereits seit Monaten durch die Branche gewabert war, als im Nachgang zur PCIM amerikanische Wirtschaftstitel berichteten, dass das Führungsteam bei Wolfspeed zeitnah an einem Insolvenzantrag gemäß Chapter 11 arbeite. Ende Mai wurde dann kolportiert, dass der Antrag, mit Unterstützung der Gläubiger, in den nächsten Wochen eingereicht werden.
Branchenindex: Nicht ganz so tief abgestürzt wie erwartet |
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Man könnte es Zweckoptimismus nennen. Verglichen mit dem Spätherbst 2024 sieht die Branche die Zukunft schon wieder etwas rosiger, als noch vor einem knappen dreiviertel Jahr. Zwar ist die Differenz bei den Index-Werten für das erste Halbjahr 2025 nur minimal, aktuell liegt hier der Indexwert um 0,2 Punkte besser. Für die zweite Jahreshälfte kehrt der Indexwert mit 0,4 wieder in den positiven Bereich zurück. Und das erste Halbjahr 2026 ist aus heutiger Sicht noch so weit entfernt, dass man träumen darf: Ein Indexwert von 1,8 drückt genau das, und alle damit verbundenen Hoffnungen, aus, die die Branche offenbar zuletzt von 2025 auf das Jahr 2026 verschoben hat. Bleibt die Frage, wie viele zusätzliche kriegerische Auseinandersetzungen diese Prognose verträgt? Der Herbst wird zeigen, ob die Erwartungen einigermaßen erfüllt wurden. |
Aus Sicht der Anwender müsste die aktuelle Marktsituation eigentlich ideal sein – kurze Lieferzeiten, sinkende Preise, neue attraktive Anbieter. Doch was in der Theorie einleuchtend klingt, funktioniert in der Realität offenbar nicht wie gewünscht. »Weiterhin besteht Unsicherheit bezüglich der Investitionen«, charakterisiert Thomas Grasshoff, Head of Strategy bei Semikron Danfoss, die Lage in den letzten Monaten, »die Lagerbestände der Kunden schmelzen nach wie vor nur langsam ab, und es betreten neue Lieferanten aus China den europäischen Markt, was für Preisdruck sorgt«.
Zwar deuteten aus Sicht von Marcus Lippert, Business Development Manager bei StarPower Europe, erste positive Signale darauf hin, dass auch in Europa die Talsohle durchschritten ist, und viele Kunden wieder optimistischer in die Zukunft blicken, mit einer spürbaren Belebung der Auftragseingänge rechnet er aber erst im zweiten Halbjahr. Ganz anders die Situation in China: »Getrieben durch den rasanten Ausbau der Elektromobilität sowie der erneuerbaren Energien sehen wir dort weiterhin ein starkes Wachstum des chinesischen Marktes«, so Lippert.
»Global«, sagt Bernd Riemann, Senior Field Application Engineer EMEA bei Alpha and Omega Semiconductor, »wurden unsere Erwartungen trotz der globalen Unsicherheiten erfüllt, unsere Umsätze haben die Erwartungen sogar leicht übertroffen«. Anders sieht es für ihn in Europa aus: »Dass es hier im zweiten Halbjahr 2025 zu einem Aufschwung kommt, darf bezweifelt werden, auch wenn unsere Auftragsbücher, wie bereits erwähnt, global gesehen sehr gut gefüllt sind«.
Positiver sieht es offenbar aus, wenn man in seinem Angebotsspektrum sehr spezialisiert ist. »VisIC hat in den letzten Monaten mehr Anfragen zur Kollaboration im Bereich GaN-Bauteile für automobile Inverter bekommen«, berichtet Dieter Liesabeths, Senior Vice President of Product bei VisIC Technologies. Er erwartet mehr Kundenprojekte in der zweiten Jahreshälfte, die dann aber über das hinausgehen dürften, was VisIC kapazitätstechnisch bislang erfüllen kann. »Es kann sein, dass wir neue Projekte auf 2026 oder 2027 zurückweisen müssen, wenn Kunden nicht bereit sind, eine Kooperation einzugehen«. Entlastung könnte eine zweite Foundry in Europa bringen, die auch dazu dienen soll, »widerstandsfähiger zu sein gegenüber geopolitischen Situationen und Zollbeschränkungen«.
Bei Infineon Technologies liegt man nach Auskunft des Unternehmens für 2025 bislang voll auf Kurs, das würde diesen Angaben zufolge auch dann gelten, wenn der Dollarkurs ungünstiger als 1,125 Dollar wäre. Bislang würden sich die Zollauseinandersetzungen nicht negativ auf den Auftragseingang auswirken, die Auswirkungen des Zollstreits könne man deshalb nur pauschal abschätzen. Infineon hat sich deshalb zu einem Abschlag in Höhe von 10 Prozent des erwarteten Umsatzes im 4. Quartal des Geschäftsjahres 2025 entschlossen. In der Konsequenz würde das dann im Vergleich zum Vorjahr einen leicht rückläufigen Umsatz bedeuten.
Das war die Sicht der Hersteller auf den Markt – unterscheidet sich die Sicht der Distributoren davon? Nicht wirklich! »Angesichts der anhaltenden wirtschaftlichen Unsicherheiten, die insbesondere durch die zögerlichen Investitionen im Industriesektor verursacht wurden, waren unsere Erwartungen für die erste Jahreshälfte 2025 eh schon konservativ ausgelegt«, so Harald Kasteleiner, Business Unit Manager Analog, Power & Sensors bei Glyn, »insofern wurden wir in den letzten Monaten nicht enttäuscht«. Verhalten sei die Absatzlage nach wie vor insbesondere im Bereich der Industrieautomatisierung.
Heißt das alle Hoffnungen auf einen wirklichen Aufschwung in der deutschen Leistungshalbleiterbranche verschieben sich auf 2026, oder sogar noch später? Bernd Riemann erwartet für 2026 noch keine nennenswerte Veränderung: »Allenfalls leer gelaufene Läger könnten für einen gefühlten Aufschwung sorgen, der aber keine Folge eines echten Aufschwungs wäre«.
Thomas Grasshoff ist sich sicher, »dass es positive Nachfrageeffekte durch das aufgelegte Investitionsprogramm der neuen Bundesregierung geben wird«. Er verweist auch darauf, »dass Deutschland eine Vorreiterrolle in Europa hat, und wenn dieses Konjunkturprogramm erfolgreich ist, werden auch andere Länder nachziehen«.
Gerade mittel- und langfristig zeigt sich Marcus Lippert zuversichtlich, »dass Europa, auch bei stagnierender beziehungsweise sinkender Gesamtbevölkerung, durch die Elektrifizierung von Mobilität, Strom- und Wärmeversorgung und des daraus entstehenden Investitionsbedarfs eine stabile Grundlage für kontinuierliches Marktwachstum aufweist«.
Harald Kasteleiner zeigt sich zuversichtlich, »dass eine Reduzierung der Lagerbestände bei den Kunden und EMS-Dienstleistern sowie eine mögliche Entspannung der Zollstreitigkeiten mit den USA schon 2026 zu einer stabileren Marktentwicklung führen könnte«. Bei Glyn rechnet man darum mit einem langsamen, aber nachhaltigen Wachstum, insbesondere in den Bereichen Energie und industrielle Digitalisierung.
Und wie lange werden sich die Anwender aller Voraussicht nach an den aktuell kurzen Lieferzeiten und den niedrigen Preisen erfreuen können? »Die Preise werden wohl weiter verfallen«, vermutet Bernd Riemann, »hier machen sich schlicht auch die Investitionen der letzten Jahre in den Ausbau der Fertigungskapazitäten bemerkbar, gepaart mit einer weiterhin geringen Nachfrage und dem stetig wachsenden Wettbewerbsdruck aus China«.
Von durch die Bank niedrigen Lieferzeiten spricht auch Marcus Lippert, »zudem ist der preisliche Wettbewerb hoch, und ein Ende dieser Entwicklung ist aktuell noch nicht absehbar«. »In Folge der Überkapazitäten im Markt sind die Lieferzeiten gering«, attestiert auch Thomas Grasshoff, »und bewegen sich im Allgemeinen zwischen acht und zehn Wochen«. Entsprechend hoch sei der Preisdruck, »weil jeder versucht die Kapazitäten auszulasten, auch zu Lasten der Marge«.
Im Prinzip stimmt Harald Kasteleiner all diesen Aussagen zu, er spricht im Bereich Standard-Leistungshalbleiter von Lieferzeiten von acht bis zwölf Wochen. Aber beispielsweise im Bereich Hochvolt-IGBT-Module sehe es anders aus: Hier müsse der Kunde mit Lieferzeiten bis zu 48 Wochen rechnen! Bleibt abzuwarten, was die nächsten Monate bringen werden – eine Allokation, soviel scheint sicher zu sein, dürfte bis Ende 2025 und wohl auch 2026 zumindest von der Produktionsseite her ausgeschlossen sein.