Torsten Schmidt, Senior Director Procurement bei der Puls-Gruppe, sieht in der Veränderung zwischen Q1/2022 und Q1/2023 fast eine Wiederholung der Lage im 1. Quartal 2019: »Da der Bedarf in China und Asien deutlich abgenommen hat, schicken viele Hersteller inzwischen ihre Komponenten zumeist ohne Vorankündigung nach Europa.« Schmidt stellt aber auch fest, »dass es bei den Leistungshalbleitern, analogen ICs und diversen spezielleren Kondensatoren noch immer keine Entspannung gibt«.
»An der einen oder anderen Stelle ist eine leichte Erholung zu erkennen«, gibt Oliver Walter, CEO der Camtec Power Supply, seine Marktbeobachtungen wider. »Allerdings betrifft das eher elektromechanische Teile. Halbleiter und hochwertige passive Bauteile sind dagegen weiterhin knapp und man lebt in diesem Bereich aufgrund der Allokation weiterhin von der Zuteilung.« – »Entwarnung kann noch lange nicht gegeben werden«, ist sich Werner Suter, Managing Director der Schweizer Tefag Elektronik sicher, »es kommt immer auf die Bauteile an, um die es geht«. So haben nach seinen Informationen inzwischen Broker wieder damit begonnen, bei großen Herstellern und Verbrauchern Überbestände aufzukaufen. Mit einer spürbaren Entspannung der Situation rechnet er erst ab 2024, »aber bis dahin kann noch viel passieren«.
Wie schnell sich die Lage ändern kann, macht Josef Pfeil, Vertriebsleiter der Dynamis Batterien, mit dem Stichwort China-Taiwan-Konflikt deutlich. Bislang hat er aber den Eindruck, »dass viele Bauteile inzwischen wieder besser verfügbar sind und die Preise sogar wieder leicht nach unten gehen«. Auch bei der Versorgung mit Batterien und Akku-Zellen sei die Versorgung wieder stabiler und bewege sich in einem wieder besser kalkulierbaren Bereich »von drei bis acht Monaten, je nach Hersteller und Type«.
Auch im Bereich der Verbindungstechnik hat sich im Vergleich zum Vorjahr die Versorgungslage wieder verbessert, wie Helge Puhlmann, European President bei Yamaichi Electronics, und Denis Giba, Managing Director bei Odu, feststellen. »Die Versorgungslage hat sich deutlich verbessert, beispielsweise sind EEPROMs, die wir verbauen, wieder besser verfügbar«, so Giba. »Vom Idealzustand sind wir aber noch weit entfernt!« – »Wir sind eigentlich überall bis auf einige Ausnahmen auf Vor-Covid-Niveau«, so Puhlmann, »so hat sich etwa die Frachtsituation komplett bereinigt«.
Einig sind sich Puhlmann und Giba noch in einem anderen Punkt – sinkende Einkaufspreise. »Ein ganz klares Nein«, so Puhlmann. »Wir haben enorm gestiegene Energiepreise, zudem eine hohe Inflationsrate, die sich direkt auf die Löhne auswirkt. Ich gehe darum davon aus, dass die Preise weiter nach oben gehen.«
Abgesehen von den bereits genannten EEPROMs sehen die Befragten vor allem im Halbleiterbereich wenig Tendenz zu fallenden Preisen. »Im Halbleiterbereich sind wir nach wie vor mit massiven Preiserhöhungen konfrontiert«, so Hannig. Reifner sieht zwar in einigen Bereichen am Markt wieder steigenden Wettbewerb und damit die Chance, Preise zu verhandeln, »aber im Halbleiterbereich sieht man auch noch steigende Preise«. Schmidt verweist darauf, dass es die etablierten Hersteller seien, die sich bei Preisverhandlungen noch nicht kooperativ verhalten.
»Wir weichen darum auf qualitativ gleichwertige, im westlichen Markt noch nicht so bekannte Hersteller aus.« Eine Chance, Produkte zu günstigeren Preisen anzubieten, haben nach Einschätzung von Pfeil derzeit nur die Hersteller, die zu deutlich geringeren Energiepreisen produzieren können; »ob das zukünftig auch für europäische Hersteller gilt, hängt davon ab, ob und in welchem Maße die Energiepreise in Europa fallen.