Mit der Übernahme von EA Elektro-Automatik will Tektronix seine Marktposition in der Leistungselektronik stärken, und durch die Kooperation mit Elektro Rent sollen Kunden einen noch einfacheren Zugang zu den Produkten erhalten. Wie sich Tektronix künftig aufstellt, erklärt Felix Hoffmann Dörner.
Markt&Technik: Herr Hoffmann Dörner, zum 1. Januar 2024 sind Sie als Senior Sales Manager DACH bei Tektronix gestartet. Wie waren die ersten Wochen für Sie?
Felix Hoffmann Dörner: Es war eine faszinierende Mischung aus Lernen, Beziehungsmanagement und strategischer Planung. Dank meiner Vorerfahrung bei Tektronix war die Einarbeitungsphase relativ kurz. Trotzdem war es beeindruckend zu sehen, wie deutlich sich die Evolution und Innovation nicht nur in den Produkten, sondern auch in den internen Prozessen widerspiegeln.
Sie kennen das Unternehmen bereits seit vielen Jahren. Nach fünf Jahren bei Tektronix waren Sie als Vertriebsleiter für den Tektronix-Distributor Calplus tätig und sind nun wieder zurück. Inwieweit nutzen Ihnen diese Erfahrungen in Ihrer neuen Position?
In der Zeit bei Calplus habe ich wertvolle Erfahrungen gesammelt, die mir in meiner neuen Position bei Tektronix sehr helfen. Mit diesem Hintergrund verstehe ich zum Beispiel die Perspektiven, Bedürfnisse und Anliegen unserer Partner sehr viel besser, als es ohne diese Station möglich gewesen wäre. Das fördert eine positive, effiziente Zusammenarbeit – die wiederum unseren gemeinsamen Kunden zugutekommt. Die Partnerschaften mit Calplus, Datatec, Linktronix, Artemes, SMT, Electro Rent, Instrumex, ATV, Conrad, Distrelec, Farnell und RS sind für uns sehr wertvoll, denn sie erhöhen unsere Reichweite und machen unsere Produkte und Dienstleistungen einem breiteren Kundenkreis zugänglich.
Mit Blick auf beide Stationen – wie hat sich das Messtechnik- und speziell das Oszilloskop-Geschäft verändert?
Messgeräte, insbesondere Oszilloskope, sind seit jeher wesentlicher Bestandteil für die Entwicklung, Produktion und Validierung aktueller und zukünftiger Technologien. Was sich aber kontinuierlich weiterentwickelt und verändert, sind die Anforderungen der Kunden. Daran passen wir unser Angebot an. Jüngstes Beispiel ist die Mixed-Signal-Oszilloskop-Serie 4 B mit höherer Prozessorleistung für deutlich schnellere Analysen und Datenübertragungsgeschwindigkeiten. Insgesamt hat sich unser Portfolio immer schon im Einklang mit den Markt- und Kundenanforderungen weiterentwickelt. Nicht nur hinsichtlich der Hardware, sondern auch über regelmäßige Firmware- und Software-Upgrades, die den Geräten immer neue Funktionen hinzufügen. Auch Technologiesprünge wie etwa Wide-Band-Gap-Halbleiter oder steigende Datenübertragungsraten spiegeln sich in unseren Lösungen wider.
Ein weiterer wichtiger Aspekt sind die veränderten Anforderungen der Anwender hinsichtlich des Benutzer-Interfaces. Der heutige Entwicklungsingenieur ist mit völlig anderen Erwartungen an die Bedienung von Geräten aufgewachsen. Er erwartet, dass das Scope wie ein Tablet oder Smartphone bedient und remote zugreifbar ist und als Ressource geteilt werden kann. Wir adressieren diese Anforderungen mit der intuitiven Benutzeroberfläche unserer neuesten Oszilloskop-Plattform. Sie ist implementiert in Einstiegsmodellen wie dem MSO2 bis hin zur MSO6-Serie, die sich an der oberen Grenze unseres Mid-Range-Portfolios bewegt.
Als dritten Trend sehen wir, dass im Bereich der Automatisierung und der Remote-Steuerung von Geräten immer mehr Python-Scripts statt SCPI-Befehlen verwendet werden. Darum haben wir für unsere Geräte auch die entsprechenden Python-Treiber entwickelt. In Kombination mit der TekScope-Software können unsere Kunden ihre Geräte remote ansteuern, Daten herunterladen, sie über TekDrive teilen und offline bearbeiten und analysieren.
Tektronix setzt traditionell auf zwei Vertriebskanäle – Direct Sales und Vertrieb über Fach- und Katalogdistributoren. Werden Sie dieses Konzept verändern?
Wir passen uns an die Bedürfnisse unserer Kunden kontinuierlich an, um sie bestmöglich zu unterstützen. Dazu haben wir zum einen ein kompetentes Team an Ingenieuren, die unsere Kunden direkt betreuen – regional oder DACH- bzw. europaweit; das Team arbeitet strategisch mit unserem Partnernetzwerk zusammen. Die Partner wiederum bieten uns nicht nur eine höhere Reichweite, sondern auch die Möglichkeit, dass wir Kunden beispielsweise schnell mit Lagerware beliefern können. Das Partnernetzwerk betreut unsere Kunden lokal vor Ort, in Europa und weltweit – und das seit vielen Jahren oder sogar Jahrzehnten. Und wenn sich neue Geschäftsmöglichkeiten ergeben, versuchen wir, den für unsere Kunden sinnvollsten Weg einzuschlagen. Ein konkretes Beispiel dafür ist die Kooperation mit Electro Rent in Europa, die wir im März 2024 gestartet haben. Dadurch eröffnet sich eine neue Geschäftsplattform, die Kunden den Zugang zu den Messgeräten von Tektronix nochmals erleichtert.
Nahezu alle Messtechnik-Hersteller klagen darüber, dass sie offene Vertriebspositionen nicht besetzen können. Wie sieht das bei Tektronix aus?
Natürlich suchen auch wir erfahrene Vertriebsmitarbeiter, die ein hohes Qualifikationsniveau haben, fundierte Kenntnisse in der Messtechnik mitbringen, Zusammenhänge erkennen und Querverbindungen herstellen können. Zudem haben wir in Deutschland ein sogenanntes Graduate-Programm eingerichtet, in dem junge Ingenieure im Bereich der Messtechnik ausgebildet werden, um das Netzwerk von Tektronix zukünftig zu stärken. Über ein ähnliches Programm bin auch ich im Jahr 2015 bei Tektronix eingestiegen. Es hat mir die Möglichkeit gegeben, mich sowohl beruflich als auch persönlich innerhalb der Messtechnikbranche und bei Tektronix und Fortive weiterzuentwickeln – was mich schließlich in die Position des Senior Sales Managers DACH geführt hat.
Auch wenn Sie keine konkreten Zahlen veröffentlichen, können Sie uns einen Eindruck geben, wie sich Ihr Geschäft im vergangenen Jahr entwickelt hat? Und welches Steigerungspotenzial sehen Sie für die nächsten Jahre?
Insgesamt lief das vergangene Jahr für uns positiv – trotz der herausfordernden Umstände. Wir haben unsere Produkte und Lösungen erfolgreich am Markt positioniert und ein solides Wachstum verzeichnet. Was das Steigerungspotenzial für die kommenden Jahre betrifft, sehen wir nach wie vor beträchtliches Wachstumspotenzial – insbesondere in Bereichen wie Leistungselektronik, Elektromobilität und Datacenter. Auch in der Testautomatisierung erwarten wir eine steigende Nachfrage nach unseren Lösungen. Durch die Akquisition von EA Elektro-Automatik haben wir unsere Position im Bereich Leistungselektronik nochmals gestärkt, vor allem im End-of-Line-Testing, und sind damit gut aufgestellt, unser Geschäft weiter auszubauen. Grundlegend für den Erfolg ist, dass wir kontinuierlich daran arbeiten, unser Unternehmen und unsere Produkte weiterzuentwickeln, um uns den sich verändernden Marktbedingungen anzupassen. Wir sind zuversichtlich, dass wir auch in Zukunft erfolgreich sein werden und einen positiven Beitrag zur Entwicklung neuer Technologien leisten können.
Wie beurteilen Sie die aktuelle Wettbewerbssituation – speziell in Deutschland? Es gibt keine offiziellen Marktzahlen, aber wo sehen Sie Tektronix im Weltmarkt?
Wie in jedem Markt gibt es auch in der Messtechnik ständig Wettbewerb aus verschiedenen Richtungen, vor allem im Low-Cost-Segment. Tektronix/Keithley hat über 75 Jahre Erfahrung im Messtechnikbereich und stellt hochwertige Produkte und innovative Lösungen her. Das unterscheidet uns in einem hart umkämpften Markt weiterhin deutlich, und das schätzen unsere Kunden. Auch die weltweite Präsenz, der Innovationsgeist, die Produktqualität und unser Kundenservice heben uns hervor. Und durch die Ergänzung unseres Portfolios durch EA Elektro-Automatik stärken wir unsere Position im Markt noch weiter. Damit sehen wir uns für die Zukunft sehr gut aufgestellt.
In kaum einem Segment ist die preisliche und anwendungsbezogene Bandbreite so groß wie bei den Oszilloskopen. Worauf liegt derzeit Ihr Entwicklungsfokus? Und wo sehen Sie für Tektronix das größte Marktpotenzial?
Unser Portfolio deckt das gesamte Spektrum im Bereich der Oszilloskope ab, von einfacheren Produkten für den Hobby- und Ausbildungsbereich wie dem MSO der Serie 2 bis hin zum Midrange-Bereich mit den neuen Serien MSO4B, MSO5B und MSO6B sowie dem absoluten High End mit der DPO70000SX-Serie. Damit sind wir in der Lage, jeden Anwendungsfall zu bedienen.
Die Haupttreiber für die Marktentwicklung sind die Elektrifizierung und Digitalisierung von ultimativ allem sowie die Vollautomatisierung industrieller Prozesse, bei denen Messtechnik eine immer größere Rolle spielt. Unser Fokus liegt auf Schlüsselbereichen wie Leistungselektronik und Elektromobilität, Test und Automation sowie Datacenter-Technologien. Wir konzentrieren uns darauf, bestehende Produkte durch Software-Updates oder zusätzliche Softwarelösungen kontinuierlich zu verbessern und sie mit spezifischem Zubehör wie beispielsweise passenden Probes zu ergänzen. Als Beispiel sei der optisch isolierte IsoVu-Tastkopf erwähnt, der es in Kombination mit der WBG-Software ermöglicht, einfach und wiederholbar einen Doppelpulstest durchzuführen, der kritisch in der Entwicklung von Leistungselektronik ist. Auch diese Lösung entwickeln wir kontinuierlich weiter, um sie an neue Anforderungen und Normen anzupassen.
Messtechnik-Kunden sind oft sehr markentreu. Würden Sie das so unterschreiben?
Seit mehr als 75 Jahren steht Tektronix für höchste Qualität, Zuverlässigkeit und Innovation. Das schätzen unsere Kunden. Sie wissen, dass sie sich auf die Produkte verlassen können und dass sie nicht nur ein Messgerät kaufen, sondern auch das Vertrauen, dass es ihre Anforderungen erfüllen wird. Wir betreuen mehr als 30.000 Kunden auf der ganzen Welt und haben 21 Niederlassungen – mit unseren Forschungs- und Entwicklungszentren in den USA, Indien und Taiwan. Außerdem bieten wir 97 Servicestellen mit knapp 1000 Mitarbeitern, die sich mit der Kalibrierung und Reparatur von Geräten von Tektronix, Keithley, aber auch von anderen Anbietern beschäftigen. Das ist eine einzigartige Kompetenz, die nicht viele Messtechnikhersteller bieten können. Um auf Ihre Frage zurückzukommen: Ich denke, unsere Kunden wissen das alles zu schätzen.
Wagen wir einen Blick in die Zukunft: Was werden die Schlüsselfaktoren für den weiteren Erfolg und was die größten Herausforderungen sein?
Das Fortive Business System – kurz: FBS – ist fest in unserer Unternehmenskultur verankert und wird auch weiterhin den Erfolg von Tektronix vorantreiben. FBS fördert eine kundenorientierte Herangehensweise mit dem Ziel kontinuierlicher Verbesserung. Das spiegelt sich auch auf der Produktebene wider, die sich flexibel an die Bedürfnisse unserer Kunden anpasst. Solange wir dem FBS-Prinzip folgen, sind wir auf dem richtigen Weg. Die größte Herausforderung sehe ich in der makroökonomischen Lage, die oft schnelle Veränderungen erfordert und zu Störungen in den weltweiten Lieferketten führen kann. Wir sind aber sehr erfahren darin, diese Herausforderungen mithilfe des FBS zu bewältigen und Maßnahmen schnell umzusetzen.
Welche langfristigen Ziele haben Sie für den Vertrieb in Deutschland definiert, und wie planen Sie, diese zu realisieren?
Ich habe drei konkrete Ziele vor Augen: Langfristig wollen wir sowohl in Deutschland als auch weltweit der führende Messtechnikanbieter für Kunden im Bereich Leistungselektronik und Elektromobilität, Test-Automation und Datacenter-Technologie werden. Dabei konzentrieren wir uns besonders auf Produkte und Lösungen, die in der Entwicklung entscheidend sind, wie etwa Oszilloskope, Signalgeneratoren in Kombination mit passenden Softwarelösungen sowie Lösungen für Validierung und Fertigung, bei denen unsere Keithley-SMUs, DMMs und Switching-Matrix eine wichtige Rolle spielen. Ein weiteres Ziel speziell für Deutschland ist es, unsere Kundenbeziehungen zu vertiefen, indem wir noch enger mit ihnen zusammenarbeiten. Dafür wollen wir unser Vertriebs- und Applikationsteam verstärken und unsere bestehenden Mitarbeiter kontinuierlich weiterbilden. Zudem möchten wir unseren Kunden einen noch einfacheren Zugang zu unseren Messgeräten ermöglichen – beispielsweise über die bereits erwähnte Partnerschaft mit Electro Rent.
Das Interview führte Nicole Wörner.