TDK: Biozirkuläre Polypropylenfolien

Nachhaltigere Folienkondensatoren

30. September 2023, 11:00 Uhr | Engelbert Hopf
Durch die Konzentration auf biozirkuläres Polypropylen werden grundlegende moralische Fragen vermieden wie etwa mögliche Konflikte mit dem Nahrungsmittelanbau.
© TDK

Marisa Rico, Koordinatorin des materialwissenschaftlichen Labors, und Victor Alcaide, Leiter des Produktmarketings für Leistungskondensatoren bei TDK in Málaga, erklären im Interview, warum TDK bei der Herstellung seiner neuesten DC-Link-Kondensatoren auf biozirkuläre Polypropylenfolie setzt.

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Markt&Technik: Wann und wie haben Sie erfahren, dass sich Polypropylenfolie auch aus biobasierten Quellen herstellen lässt?

Marisa Rico: Bei TDK konzentrieren wir uns darauf, dass die Fertigung von Kondensatoren die Umwelt so wenig wie möglich belastet. Daher untersuchen wir ständig unterschiedliche Ansätze im Zusammenhang mit der Kreislaufwirtschaft, um den Lebenszyklus unserer Komponenten zu verlängern, den Materialbedarf zu reduzieren und den Abfall am Ende des Lebenszyklus umweltschonend zu behandeln. Dazu arbeitet unser Team für Grundlagenforschung und Entwicklung aktiv mit Zulieferern zusammen, um neue, nachhaltige Materialien zu entwickeln, ohne dabei Kompromisse bei den Materialeigenschaften einzugehen. Biobasierte Folien sind als Verpackungsmaterialien, insbesondere für den Lebensmittelsektor, schon weit verbreitet. Als die Borealis Group ein solches Polypropylen-Rohmaterial entwickelte, schlugen sie uns vor, es an unseren Kondensatoren zu testen.

Gewöhnlich stammt Polypropylen aus fossilen Grundstoffen. Was ist die Herkunft dieser biobasierten Folie?

Rico: Je nach Herkunft – nachwachsende Rohstoffe aus der Landwirtschaft oder aus Abfällen und Reststoffen – kann man zwischen Polypropylen der ersten und der zweiten Generation unterscheiden. Rohstoffe der ersten Generation stammen aus Nutzpflanzen, die für Nahrungs- und Futtermittel angebaut werden. Rohstoffe der zweiten Generation hingegen, die biozirkulär genannt werden, kommen ausschließlich von Abfällen und Reststoffen: aus der Gewinnung von Pflanzenöl, aus der Papier- und Zellstoffindustrie oder beispielsweise aus gebrauchtem Speiseöl. Um grundlegende moralische Fragen zu vermeiden, wie etwa Konflikte mit dem Nahrungsmittelanbau, setzt der Markt auf biozirkuläres Polypropylen der zweiten Generation. Denn das könnte dazu führen, dass die Lebensmittelpreise steigen.

Ihr biobasierte Propylen ist ISSC-zertifiziert. Was bedeutet das?

Victor Alcaide: ISCC steht für International Sustainability and Carbon Certification und ist ein Zertifizierungssystem für die Nachhaltigkeit aller land- und forstwirtschaftlichen Erzeugnisse und Märkte. Es entspricht der EU-Richtlinie für erneuerbare Energien und der Kraftstoffqualitätsrichtlinie der Europäischen Kommission. Damit wir das ISCC-Logo verwenden und damit werben dürfen, dass unsere hier produzierten Folien-Kondensatoren zu 100 Prozent aus biozirkulären Folien bestehen, ist eine entsprechende Zertifizierung für unser Werk in Málaga zwingend erforderlich. Damit können wir gegenüber unseren Kunden nachweisen, dass wir Folien der zweiten Generation einsetzen. Unser Werk wird jährlich auditiert, um zu dokumentieren, dass die Folie in unseren Bauelementen tatsächlich biozirkulär ist.

Hat diese neue Polypropylenfolie wirklich die gleichen physikalischen Eigenschaften wie die herkömmliche Folie?

Rico: Biozirkuläres Rohmaterial kann auf die gleiche Weise verarbeitet werden wie konventionelles. Obwohl es aus unterschiedlichen Rohstoffen stammt, hat das biozirkuläre Material dieselben physikalischen und elektrischen Eigenschaften wie das aus fossilem Ausgangsmaterial. Selbst die Lieferanten der Rohstoffe und Folien machen keinerlei Unterschied. Das hängt auch damit zusammen, wie die ISCC-Zertifizierung funktioniert.

ModCap ist Ihre erste Produktfamilie mit diesem biobasierten Propylen. Warum haben Sie sich dafür entschieden und in welchen Anwendungen werden diese Kondensatoren eingesetzt?

Alcaide: Die ModCap-Serie ist unser innovativstes Produkt bei PEC HP. Hierbei handelt es sich um eine bahnbrechende Lösung, da sie einerseits modular aufgebaut ist und somit die Markteinführungszeit der Kunden-Designs verkürzt und die zusätzlich die Kosten reduziert. 

Alcaide Rico
Dr. Marisa Rico, Koordinatorin des materialwissenschaftlichen Labors (links), und Victor Alcaide, Leiter des Produktmarketings für Leistungskondensatoren bei TDK in Málaga, sind stolz darauf, dass die ModCap-Serie nun auf Folie aus biozirkulärem Polypropylen basiert.
© TDK

Zum anderen bietet sie höchste Energiedichten in der Mittelfrequenz-Version MF und höchste Leistungsdichten in der Hochfrequenz-Version HF. Unsere ModCap-Serie ist die innovativste Lösung für DC-Link-Anwendungen in Invertern auf Basis der neuen Generation von Siliziumkarbid-Halbleitern. ModCap-Kondensatoren können sehr hohe Schaltfrequenzen bewältigen und sind gleichzeitig ein nachhaltiges Produkt, das den neuen Kundenwünschen in Bezug auf umweltfreundliche Materialien gerecht wird.

Eine biobasierte Folie ist sicher großartig und nachhaltig, aber was ist mit dem Polyurethan-Harz und dem Gehäuse? Sind diese ebenfalls biobasiert?

Alcaide: Vollständig biozirkuläre Folien sind nur ein erster Schritt. Unser Team für Grundlagenforschung und Entwicklung arbeitet aktiv mit Zulieferern zusammen, um neue, nachhaltige Materialien zu entwickeln, ohne die Materialeigenschaften zu verschlechtern. Dazu gehören Polyurethanharz, interne Isolatoren und das Gehäuse. Allerdings stellt Polyurethan aufgrund der Anforderungen, die an Kondensatoren gestellt werden, eine besondere Herausforderung dar.

Wie sieht es mit den Kosten aus? Ist bio-basiertes Polypropylen genauso teuer wie herkömmliches und was ist Ihr strategischer Ansatz?

Alcaide: Tatsache ist, dass biozirkuläre Folie derzeit etwa 20 bis 30 Prozent teurer ist als konventionelle. Aber ich bin überzeugt, dass wir das Richtige tun, um die Wettbewerbsfähigkeit der ModCap-Serie von TDK zu unterstützen. Außerdem belegt die biozirkuläre Folie in unseren ModCaps einmal mehr, dass TDK ein innovatives Unternehmen ist, das nachhaltig und proaktiv agiert.

Wann werden diese ModCaps mit biobasierter Folie für Kunden verfügbar sein? Und wann erwarten Sie, dass das Polyurethan-Harz und das Gehäuse biobasiert sind?

Alcaide: Mitte 2023 ist die biobasierte Folie für alle unsere ModCap-Serien, MF- und HF-Versionen, in die Serienfertigung gegangen. Dies ist die neue Standardlösung ohne Mehrkosten für unsere Kunden. Außerdem können wir die biobasierte Folie auch in kundenspezifischen Kondensatoren nutzen, wenn die Kunden daran interessiert und bereit sind, einen kleinen Aufpreis dafür zu zahlen. Wir erwarten die Zulassung weiterer biobasierter Materialien bis 2024.

ModCap ist der Einstiegspunkt für biobasierte Folien-Kondensatoren bei TDK. Eignet sich diese Technologie auch für andere Arten von Folien-Kondensatoren, zum Beispiel DC- und EMI-Filter-Kondensatoren?

Alcaide: Biozirkuläre Folien sind auch für andere Folien-Kondensatortechnologien uneingeschränkt tauglich. Für kundenspezifische Kondensatoren aus dem Bereich PEC HP werden sie auf Anfrage erhältlich sein. Für die anderen Technologien wird es von der Marktakzeptanz der ModCaps abhängen.


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