Für die deutsche Stromversorgungsbranche sind die Ausnahmejahre vorbei, Normalität hält Einzug. Die langen Vorbuchungszeiträume der letzten Jahre führen zu sinkenden Auftragszahlen. Die Zahl der verschobenen Aufträge häuft sich. Mit einer Verbesserung der Lage ist wohl erst wieder 2024 zu rechnen.
Die Teilnehmer des Forums:
Technisch gesehen befindet sich Deutschland zwar inzwischen in einer Rezession, einen wirklich negativen Einfluss auf ihre Geschäftsentwicklung hätten die veränderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen aber bisher nicht, so die Teilnehmer des diesjährigen Stromversorgungs-Forums dieser Zeitung. Teils ist man sogar mit dem besten Quartalsergebnis der Unternehmensgeschichte ins Jahr 2023 gestartet. Im zweiten Quartal 2023 wurden dann erste Bremsspuren sichtbar, die Wirtschaftsdaten hatten sich auch auf dem deutschen Markt eingetrübt. »Trotzdem würde ich eher von einer notwendigen Normalisierung als von einer Rezession sprechen«, versichert Sebastian Fischer, Geschäftsführer der Traco Electronic, und setzt damit den Ton für die Diskussion.
»Es hat Kunden gegeben, die sind mit einem Forecast von plus 80 Prozent in das Jahr 2023 gegangen«, berichtet Kai Heinemann, General Manager Development & Product Management bei Block Transformatoren-Elektronik. »Wenn die nun nur 50 Prozent Plus machen, ist das natürlich eine Verlangsamung des Wachstums, aber noch lange keine Rezession.« Natürlich gebe es Kundenbereiche, die hätten aktuell die Lager voll und würden deshalb Bestellungen schieben, »aber trotz allem sind wir noch ein gutes Stück weg von Umsatzrückgängen«.
Wenn die Book-to-Bill nur noch knapp über 1 liegt, heißt das für Oliver Walter, Mitgründer und CEO der Camtec Power Supplies, »dass wir nicht mehr so viel Wachstum erwarten dürfen wie 2022. Wo wir allerdings am Schluss landen werden, ist momentan noch absolut offen«. Unklar ist für ihn, ob der Bedarf wirklich sinkt oder ob die Kunden einfach nach wie vor Probleme haben, einzelne Komponenten zu bekommen, und sich ihre Lager nicht mit halbvollen Produkten zustellen wollen, oder ob es schlicht daran liegt, dass die Kunden aufgrund der Entspannung in den Lieferketten nun wieder anders disponieren könnten als vor einem Jahr und darum die Aufträge wieder kurzfristiger erteilten.
Für Karsten Bier, den CEO von Recom Power, besteht die große Frage derzeit darin, wo genau man sich im aktuellen Marktzyklus befindet. »Natürlich sind die Bookings zurückgegangen, aber was von den verkauften Produkten wurde auf Lager gelegt und was wirklich verbaut?« Aktuell spüre man die Auswirkungen der Marktsituation der letzten zwei Jahre. »Die Bookings, die wir jetzt sehen, haben Auswirkungen auf das nächste Jahr.« In Amerika, so Bier, sei man der Ansicht, dass der aktuelle Negativzyklus der Bookings zum Jahreswechsel zu Ende gehe und die Buchungen 2024 wieder anziehen werden.
Mit Blick auf das Distributionsgeschäft der Fortec Group bestätigt auch Dieter Kocevar, Managing Director der Autronic Steuer- und Regeltechnik, Bremsspuren im Auftragseingang, »die aber darauf zurückzuführen sind, dass die Kunden aufgrund der verbesserten Verfügbarkeit der Produkte nicht mehr gezwungen sind, so lange im Voraus zu disponieren«. Für die Autronic dagegen liege die Book-to-Bill derzeit immer noch bei 1,4, »und das, obwohl wir ausliefern, was wir nur können«. Sein Hauptmarkt sei die Bahntechnik, »das ist immer projektabhängig, und dort wird derzeit investiert«.
Keine Veränderung zum Auftragseingang des Vorjahres verzeichnet Reinhard Kalfhaus, Gründer und Geschäftsführer der Syko Gesellschaft für Leistungselektronik. Mit einer Book-to-Bill von 1,98 sei es zum Teil verheerend, berichtet er, »wir können gar nicht so viel liefern, wie wir gerne wollten«. Syko stelle derzeit neue Mitarbeiter ein, um auf die anhaltend hohe Nachfrage reagieren zu können. Eine Aufgabe, die aktuell dadurch erschwert wird, »dass die Batterietechnik in unserem Umfeld verstärkt Fuß gefasst hat und da kräftig abgeworben wird«. Eine doppelte Herausforderung also, die es zu lösen gilt.
Dass man als Unternehmer auch mit einer Book-to-Bill von 0,6 zufrieden sein kann, erläutert Bernhard Erdl, Gründer und Geschäftsführer der Puls-Gruppe: »Es ist uns gelungen, die Auslieferungen ab der Fabrik um 40 Prozent gegenüber dem Vorjahr zu erhöhen, und wir konnten so glücklicherweise wieder zu unserem eigentlichen Business-Konzept, der Lieferung ab Lager, zurückkehren! Für unsere Kunden war das das Signal, ihr müsst nicht mehr weit im Voraus bestellen, wir hatten dagegen im Vorjahr ja Aufträge mit Vorlaufzeiten von ein bis zwei Jahren angenommen.« Da sei es logisch, dass der Auftragseingang zurückgehe. »Ich würde das als zyklische Schwankung betrachten, aber ich sehe in unseren Zahlen keine Rezession.«