Passive Integration beschäftigt die Bauelemente-Hersteller seit über 30 Jahren. Das ursprüngliche Ziel, die Zahl der verwendeten passiven Bauelemente zu reduzieren, wurde weit verfehlt. Stattdessen erhöhte sich der Bedarf an passiven Bauelementen durch zahllose neue Applikationen dramatisch.
Anfang der 1990er-Jahre gefielen sich manche Verantwortliche im Halbleiterbereich mit der Aussage, passive Bauelemente würden in Zukunft überflüssig, da sie durch Halbleiter ersetzt werden würden. Ein Trugschluss, wie die Entwicklung der letzten drei Jahrzehnte gezeigt hat. Der weltweite Bedarf an passiven Bauelementen hat weiter massiv zugenommen, gepusht zuletzt ein weiteres Mal durch den Trend zur E-Mobilität.
Als das Thema passive Integration vor 30 Jahren aufkam, sahen die ersten Entwürfe in dieser Richtung monströs aus. Es handelte sich um Bauelemente, die letztlich verschiedene Funktionen passiver Bauelemente, am besten die Funktionen Widerstand, Kondensator und Induktivität, in einem Bauteil vereinen sollten. Letztlich waren diese Pläne aber nicht realisierbar. Mögen sie unter Umständen auch technisch darstellbar gewesen sein, so dürfte das Kostenargument letztlich gegen einen solchen Ansatz gesprochen haben.
Vor dem Hintergrund der fortschreitenden Miniaturisierung passiver Bauelemente setzte sich beim Thema Integration immer mehr eine Art von Modul-Ansatz durch. Mit der bekannteste davon dürften die »Low Temperatur Cofired Ceramics«, kurz: LTCC, sein. Diese Technologie ermöglichte die Herstellung von Mehrlagenschaltungen auf der Basis von gesinterten Keramikträgern. Auf diese Weise ließen sich Leiterbahnen, Kondensatoren, Widerstände und Spulen in Modulen erzeugen.
Auch im Bereich der Halbleitertechnologie wurden Fortschritte erzielt; die Integration von Widerständen und Kondensatoren in Halbleiterchips ist inzwischen etabliert, etwa durch Spulenstrukturen in den Metallisierungsebenen oder durch Widerstände, deren Wert durch die Dotierung des Halbleitermaterials definiert wird. Allerdings sind die Möglichkeiten dieser passiven Integration bezüglich des Wertebereichs und der möglichen Toleranzen bislang eingeschränkt.
Aufgrund der breiten Bedarfe an diversen passiven Bauelementen in ihren mannigfaltigen Bauformen und spezifischen technischen Spezifikationen dürften die genannten Halbleiterfertigungsverfahren aber wohl auch in Zukunft nur einen kleinen Teilbereich des Einsatzgebietes passiver Bauelemente abdecken. Es ist allerdings durchaus möglich, dass im Rahmen spezieller Anforderungen, etwa bei hochkapazitiven Filterkondensatoren, Gate-Widerständen oder Snubbern, im Rahmen der Integration diesen Halbleiterfertigungsverfahren in Zukunft ein erhöhter Stellenwert zukommen wird.
Für den Rest gilt: Die Kosten sowie die Notwendigkeit zu hoher Flexibilität bei steigender Performance wird nach Einschätzung der Branche dazu führen, dass bei passiven Bauelementen auch in Zukunft diskrete Lösungen dominieren werden, lassen sie sich doch am flexibelsten über die verschiedenen Plattformen der Kunden weltweit einsetzen.
Josef Vissing, President, TDK Europe
Im Bereich der passiven Bauelemente dominieren nach wie vor diskrete Lösungen. Diese lassen sich flexibel und kosteneffizient über viele verschiedene Plattformen der Kunden hinweg einsetzen. Modullösungen stehen im Bereich der passiven Bauelemente wegen ihres hohen Entwicklungsaufwands und dem Umstand, dass sich nur schwer eine Second Source aufbauen lässt, weit weniger im Vordergrund.
Eine gewisse Rolle spielen Kombi-Bauelemente wie der ThermoFuse, bei dem ein Varistor mit einer thermischen Sicherung in einem Gehäuse kombiniert ist. Außerdem werden etwa CeraLink-Kondensatoren oder NTC-Thermistoren im Gehäuse beispielsweise von IGBTs oder anderen Leistungshalbleitern integriert. Größere Hybridbauelemente mit diversen passiven Funktionen wurden hingegen bislang nicht realisiert.
Einen echten Vorteil bieten keramische Substrate, in die beispielsweise ESD-Schutzfunktionen integriert sind, wie beim CeraPad für LED-Beleuchtungen oder unser LTCC-AiP(Antenna in Package)-Keramik-Modul, das vier Antennen und vier Bandpassfilter für 5G-Anwendungen vereint.
Außerdem gibt es modulare Konzepte mit einer Kombination von passiven und aktiven Bauelementen, die für bestimmte Anwendungen durchaus vorteilhaft sind – etwa extrem platzsparende und leistungsstarke µPol-DC-DC-Wandler, die Leistungshalbleiter, Induktivitäten sowie Kondensatoren vereinen.
Ferdinand Leicher, Vice President Sales EMEA, Bourns
Grundsätzlich dominieren die Entwicklung der ICs die Anforderungen an passive Komponenten. Es gibt viele Versuche, passive Bauteile in einem Gehäuse mit Halbleitern zu integrieren und es wurden Fortschritte beispielsweise mit FPGAs gemacht. Aber hierbei gibt es immer noch große Probleme bei der Integration von Induktivitäten, Transformatoren und Kondensatoren aufgrund der Größe, EMI-Anforderungen und anderer Faktoren. Selbst die SIC-Technologie erfordert viele Leistungsinduktivitäten und Gate-Treiber-Transformatoren, sodass wir für die nächsten 10 bis 20 Jahren nicht glauben, dass alle passiven Komponenten integriert werden können.
Bei induktiven Komponenten sind für die Zukunft neue Kernmaterialien erforderlich, die es ermöglichen, die Größe und die Anzahl der Windungen zu reduzieren, Kernverluste zu minimieren und Induktoren/Transformatoren kleiner zu machen. Daher erwarten wir auf lange Sicht, dass für kostensensitive industrielle Märkte weiterhin diskrete passive Komponenten benötigt werden. In Marktsegmenten mit spezifischen Anforderungen wie etwa der Luft- und Raumfahrt dürften hochintegrierte Komponenten eine schnellere Verbreitung finden.
Auch modulare Lösungen haben im Allgemeinen höhere Kosten (etwa modularer DC-DC-Wandler im Vergleich zu Flyback- und IC-Treiber-basierten Wandlern), sodass Bourns auch hier nur für preisinsensitive Anwendungen mehr modulare Lösungen sehen werden.
Als Bourns sehen wir unverändert noch viele Möglichkeiten, verschiedene passive Bauteiltechnologien zu kombinieren und zu miniaturisieren; beispielsweise konnte Bourns mit der IsoMOV eine innovative Flat-GDT mit einem MOV kombinieren und miniaturisieren.
Philip Lessner, Senior Vice President Technology, Kemet
Nach wie vor stellt die Miniaturisierung den wichtigsten technischen Trend in der Elektronik dar. Das bedeutet, dass die Grundfläche (x, y) und die Höhe (z) von Bauteilen verringert und die Abstände zwischen ihnen optimal genutzt werden. Dazu gehört, dass die Bauteile näher zusammenrücken und sowohl das Innere der Leiterplatten als auch die Oberfläche genutzt werden (Embedding). Dies hat auch den positiven Effekt, dass parasitäre Verluste wie die äquivalente Serieninduktivität (ESL) reduziert werden.
Das wichtigste Bauteil (nach Volumen), das in elektronischen Geräten verwendet wird, ist das MLCC. Es gab große Fortschritte bei der Verkleinerung des x-y-Fußabdrucks dieser Bauelemente – 0201 ist jetzt Standard, und 01005 und kleiner werden allmählich massenhaft eingesetzt. Dies bringt jedoch auch einige Herausforderungen mit sich. Bei den gebräuchlichen X5R- und X7R-Dielektrika nimmt die Kapazität mit der angelegten Spannung stark ab (manchmal um mehr als 60 Prozent bei Nennspannung), zusätzlich zur Kapazitätsabhängigkeit von der Temperatur. Doch die Verringerung der Z-Höhe unter 100 µm hat sich als schwierig erwiesen, da dünne Keramiken anfällig für Risse sind.
Eine Lösung für dieses Problem ist die Erforschung anderer Technologien. Eine solche Lösung, bei der Halbleiter- und Nanotechnologie zum Einsatz kommen, besteht darin, Kohlenstoff-Nanofasern auf einem Siliziumsubstrat abzuscheiden und sie mit einem Dielektrikum und einer zweiten Metallelektrode zu beschichten. Diese CNF-MIM-Kondensatoren wurden bis zu einer Dicke von 40 µm nachgewiesen und weisen sehr stabile Spannungseigenschaften auf. Ein diskreter Kondensator, der diese Technologie nutzt, wird derzeit von Smoltek Semi, einem schwedischen Startup-Unternehmen, in Zusammenarbeit mit Yageo entwickelt. In Zukunft kann diese Art von Technologie an eingebettete Kondensatoren angepasst und vielleicht sogar direkt auf Siliziumchips integriert werden.
Filter, die Kondensatoren und Induktivitäten kombinieren, werden normalerweise aus diskreten Bauteilen hergestellt. Eine relativ neue Technologie – Kemet Konnekt – bietet die Möglichkeit, diese Komponenten in ein einziges oberflächenmontierbares Bauteil zu integrieren. Dazu wird ein transientes Flüssigphasensintermaterial (TLPS) verwendet, das bei normalen Reflow-Temperaturen »ausgehärtet« werden kann, aber eine Verbindung zwischen den Komponenten ergibt, die nicht über 500 °C hinausgeht. Diese Baugruppen lassen sich mit normalen Pb-freien Verfahren oberflächenmontieren.