Noch vor kurzem auf Allokation, sind Commodities wie Chip-Widerstände und MLCCs derzeit wieder einfach zu bekommen. Doch je spezieller das Produkt, desto länger die Lieferzeiten. Erholt sich Asiens Konsumgütermarkt, besteht die Gefahr der Rückkehr Allokationsszenarien der letzten Jahre.
Die Teilnehmer des Forums:
Das erste Quartal 2023 läuft viel besser als erwartet, und wir sind in unserer Planung konservativ rangegangen«, freut sich Ferdinand Leicher, Vice President Sales EMEA bei Bourns, über die ersten Monate des neuen Jahres. Wie sich schnell zeigt, gibt er damit auf dem diesjährigen Forum »Entwicklungen und Trends bei passiven Bauelementen« der Markt&Technik den allgemeinen Ton für die Bewertung der ersten Monate des neuen Jahres vor – zumindest wenn es um die Schilderung der Geschäftsentwicklung in Europa geht.
Worauf diese Freude gründet, wird bereits in der ersten halben Stunde der Diskussion klar – die noch im Spätsommer/Herbst letzten Jahres befürchtete Rezession ging offenbar an der deutschen Elektronikindustrie vorüber. Zumindest bisher. Unter dem Eindruck des völkerrechtswidrigen russischen Angriffskriegs in der Ukraine hatte man sich offenbar auf das Schlimmste vorbereitet. »Das war ja ein Schockzustand, die Frage lautete damals: Haben wir genügend Gas, um unsere ganzen Fertigungen in Deutschland am Laufen zu halten?«, skizziert Josef Vissing, President von TDK Europe, noch einmal die Situation vor einem knappen halben Jahr. »Wie sich dann aber herausstellte, hatten wir letztlich doch genügend Gas für die Produktionen und Öl zum Heizen.« Eine steigende Inflation und überproportional steigende Löhne führten zwar zu Bremsspuren im Geschäft, »aber die waren glücklicherweise nicht so schlimm, wie man zum damaligen Zeitpunkt hätte annehmen müssen«.
Das ist also die Ausgangslage, von der aus betrachtet, auch aus Sicht der Distribution, die ersten Monate des neuen Jahres gut aussahen, wie Hagen Götze, Senior Director Marketing bei Avnet Abacus, bestätigt: »Zwar ist das 1. Quartal flacher als im Vorjahr, aber es ist besser als das 4. Quartal des letzten Jahres.« Die Erwartungen an das neue Jahr seien unsicher gewesen, so Götze, »aber es hat sich bewahrheitet, dass es weiter einen starken Bedarf gibt, vor allem aus dem OEM-Bereich«.
»Auch wir können nur bestätigen, dass es bisher ein super Start ins neue Jahr war«, pflichtet Vissing bei; »auch der Dezember 2022 war schon außerordentlich gut, was normalerweise in Europa nicht der Fall ist«. Er schränkt ein, »dass die Auftragsbestände zwar zurückgehen, aber wenn man Aufträge bis 2024 hat, die jetzt angepasst werden, dann ist das auch gut so, denn nur so können wir wieder mehr Transparenz herstellen«. Aus seiner Sicht ein wichtiger Punkt, denn »viele Kunden hatten vielleicht auch nicht mehr die volle Transparenz, was sie jetzt angesichts der Verfügbarkeit oder Nichtverfügbarkeit von Halbleitern genau benötigen«.
»Aus unserer Sicht haben die ersten Monate sowohl die Erwartungen als auch das Vorjahr bereits übertroffen«, berichtet Olaf Lüthje, Senior Vice President Marketing Operations bei Vishay. »Wir hatten zwar Wachstum budgetiert, aber nicht in diesem Maße.« Da spielt es auch keine Rolle mehr, dass die Book-to-Bill inzwischen auf unter 1 gesunken ist: »Bei unserem aktuellen Backlog ist das nicht weiter relevant.« Das Besondere aus Sicht von Lüthje: »Wir machen kein Consumer, wir sind in den Bereichen Industrie, Automotive und High-Rel tätig, und High-Rel, das muss man zugegeben, geht derzeit durch die Decke.«
Maximilian Jakob, Director Sales in der Device Solution Business Division bei Panasonic Industry Europe, sieht jedoch klare Unterschiede bezogen auf den Weltmarkt: »Es kann mir keiner erzählen, dass das aus globaler Sicht ein brillanter Start in das Jahr ist; China und Taiwan sind derzeit aus unserer Sicht nicht unbedingt auf einem Höhepunkt. Die USA und Europa sind derzeit die einzigen Regionen, die wachsen. In Asien dagegen stellt der Consumer-Markt ein sehr großes Problem dar.«
»Weltweit gesehen ist die Situation schwierig«, pflichtet ihm Rüdiger Scheel, Vice President Mobility bei Murata Europe, bei. »In China läuft das Notebook-, Server- und Handy-Geschäft derzeit sehr, sehr schlecht – die gute Nachricht dabei: Wir sind lieferfähig, was unsere Commodities angeht!« In Europa dagegen laufe das Geschäft besser, »weil die rezessiven Einflüsse hier nicht so zum Tragen gekommen sind wie befürchtet«.
Jean von Redwitz, Sales Director EMEA Passive Components bei Future Electronics, spricht von einem bislang ruhigen Start bei passive Bauelementen, »wenn man das mit dem vergleicht, was derzeit im Bereich aktiver Bauelemente passiert – da geht die Schere zwischen aktiven und passiven Bauelementen derzeit schon massiv auseinander«. Er glaubt nicht daran, dass die Entspannung bei den Commodities allzu lange anhalten wird: »Der private Konsum in China wird wieder anziehen, der Nachholbedarf etwa im Bereich Automobil oder Mobile Phone ist einfach groß, das spiegelt sich auch im inzwischen wieder deutlich steigenden Einkäuferindex in China wider.« Seiner Ansicht nach wird darum die derzeitige ruhige Lage bei den passiven Bauelementen nicht allzu lange andauern.
Auf den direkten Zusammenhang mit der Entwicklung im Halbleiterbereich weist auch Joachim Pfülb, Vice President Sales Components, bei Beck Elektronik Bauelemente, hin. »Wir sind sehr gut in 2023 gestartet, weit über Plan, und wir führen das vor allem auf die sukzessiv besser werdende Versorgung unserer Kunden mit Halbleitern zurück.« Er schränkt aber auch ein, »dass die Halbleiter aus unserer Sicht weiterhin ein nur schwer greifbarer, limitierender Faktor für die weitere Entwicklung des Geschäfts sind«. Dem möglicherweise entstehenden Eindruck, die Versorgungslage im Bereich passiver Bauelemente habe sich auf breiter Front spürbar verbessert, widerspricht er entschieden: »Während MLCCs vielleicht problemlos verfügbar sein mögen, gibt es bei Alu-Elkos und Hybrid-Polymer-Kondensatoren nach wie vor Schwierigkeiten in der Beschaffung.«