Unter dem Eindruck veränderter wirtschaftlicher Rahmenbedingungen rechnen die Analysten des Marktforschungsinstituts Omdia für den von ihnen betrachteten Leistungshalbleitermarkt 2023 im günstigsten Fall mit einem Wachstum von 2 bis 4 Prozent. Es kann aber auch in die andere Richtung gehen.
Zu Beginn der Covid-19-Pandemie wuchs der globale Markt für diskrete Leistungshalbleiter, Leistungsmodule und integrierte Leistungsschaltungen (ICs) zwischen 2020 und 2021 weiter. Das galt auch für die schlimmste Phase der Pandemie. So stiegen die Umsätze mit diskreten Leistungshalbleitern und -modulen 2021 um fast 29 Prozent. Etwas langsamer stiegen die Umsätze mit Leistungs-ICs, nämlich um 24 Prozent im Jahr 2021, wie der Omdia Power Semiconductor Intelligence Service belegt.
Im Unterschied zu den ersten Jahren der Pandemie gestaltete sich das Jahr 2022 jedoch etwas schwieriger als die letzten Jahre. Obwohl die endgültigen Zahlen noch nicht vorliegen, erwarten wir, dass die Umsätze mit diskreten Leistungshalbleitern, Modulen und Leistungs-ICs weniger stark gewachsen sind als im Jahr 2021. Ausschlaggebend dafür ist das schwindende Vertrauen der Verbraucher in den Markt, da die Weltwirtschaft auf eine Rezession zuzusteuern scheint.
Auch 2023 dürfte der gesamte Leistungshalbleitermarkt weiter wachsen, allerdings nur um 2 bis 4 Prozent. Tritt das pessimistischste von uns erwartete Szenario ein, könnte der Markt gegenüber 2022 sogar einen Rückgang von bis zu 2 Prozent verzeichnen.
In letzter Zeit stellte der Industriesektor den größten Markt für diskrete Bauelemente und Module dar. Er umfasst Anwendungen in den Bereichen Beleuchtung, Medizin, erneuerbare Energien und Antriebstechnik. Leistungshalbleiter werden hier in großem Umfang bei der Herstellung von Automatisierungs- und Steuerungsanlagen eingesetzt. Dieser Sektor wuchs im Jahr 2021 um fast 25 Prozent, da die Fabriken nach den Schließungen durch die Covid-19-Pandemie wieder in Betrieb genommen wurden. Es wird jedoch erwartet, dass der Sektor im Jahr 2023 nur um etwa 5 bis 7 Prozent wächst, da sich das industrielle Wachstum weltweit verlangsamt.
Im Jahr 2021 wuchs der Automobilelektroniksektor um über 33 Prozent, da die Automobilmontagewerke bis Ende des Jahres wieder nahezu die Produktionsraten von vor der Pandemie erreichten. Im Jahr 2022 beschleunigten sich die Gesamtfahrzeugproduktionsraten. Dem Beispiel von Tesla folgend setzen inzwischen mehrere andere Elektrofahrzeughersteller Siliziumkarbid-MOSFET-Module (SiC) in den Hauptstromrichtern ein. Dies wird die Nachfrage nach diesen Bauelementen im Jahr 2023 ankurbeln, da sich die Produktion von Elektrofahrzeugen beschleunigt. SiC-Bauelemente sind teurer als die Silizium-Alternativen, die sie ersetzen, was die Einnahmen weiter in die Höhe treibt.
Es ist davon auszugehen, dass die zunehmende Elektrifizierung von Fahrzeugen auch in absehbarer Zukunft der Haupttreiber für den steigenden Einsatz von diskreten Bauelementen und Modulen in Fahrzeugen sein wird. Da für das Jahr 2023 zudem ein Anstieg der Gesamtfahrzeugproduktion zu erwarten ist, gehen wir davon aus, dass der Automobilsektor für Diskrete und Module um etwa 8 Prozent steigen wird.
Der Sektor der Unterhaltungselektronik wuchs 2021 um 33 Prozent, da unter dem Eindruck der Corona-Pandemie die Nachfrage in einigen Produktsegmenten deutlich anstieg. Zudem werden an Haushaltsgeräte inzwischen höhere Effizienzstandards gestellt. Dies steigert die Bedeutung der Leistungselektronik in diesen Geräten. Sie muss sicherstellen, dass die angestrebten Effizienzziele erreicht werden. Schließlich legen die Verbraucher angesichts steigender Energiekosten inzwischen mehr Wert auf Energieeffizienz. Allerdings gehen wir davon aus, dass die Befürchtung einer bevorstehenden wirtschaftlichen Rezession zu einem Umsatzrückgang in diesem Anwendungssegment um etwa 8 Prozent im Jahr 2023 führen wird.
Der Markt für Leistungs-ICs
Nach einem langsamen Wachstum während der Covid-Pandemie stiegen die Umsätze im Bereich der Leistungs-ICs im Jahr 2021 sprunghaft an und überschritten so die Marke von 30 Milliarden US-Dollar. Für die Jahre ab 2023 wird ein geringes Wachstum im einstelligen Prozentbereich erwartet, das jedoch wiederum stark vom makroökonomischen Marktvertrauen abhängt.
Elektrofahrzeuge sind nach wie vor ein großes Thema für Leistungs-ICs. Bidirektionales Laden wird als die nächste Stufe angekündigt, da es ein Elektrofahrzeug in ein Energiespeichersystem verwandelt, das sowohl Strom erzeugen als auch verbrauchen kann. Durch den Einsatz dieser Technologie erweitert sich das Spektrum der EV-Anwendungsfälle um V2G (Fahrzeug zu Netz), V2H (Fahrzeug zu Haus) und mehr.
Viele der herkömmlichen Stromumwandlungstopologien sind für bidirektionale Anwendungen nicht geeignet. Neue Topologien wie der CLLC-DC-DC-Wandler und der Totem-Pol-PFC gewinnen an Bedeutung. Diese Designs nutzen oft die Vorteile der Wide-Bandgap(WBG)-Technologie mit einer SiC- oder GaN-Leistungsstufe; fast jeder Broadline-Power-IC-Lieferant bietet jetzt ein bidirektionales Ladegerät für EV-Anwendungen an. TI hat zum Beispiel auf der electronica im November letzten Jahres ein kommerzielles Level-2-EVSE-Ladesystem sowie einen dreiphasigen Wechselrichter mit einer GaN- und SiC-Leistungsstufe vorgestellt. Vorgestellt wurden auch Produkte, welche die Verbindung zwischen EV-Ladesystemen und Hausautomatisierungssystemen vereinfachen.
Hier einige weitere wichtige Ankündigungen, die während der electronica gemacht wurden:
Infineon Technologies wird seine 300-mm-Silizium-Waferverarbeitungskapazität für Analog/Mixed-Signal- und Leistungshalbleiter in Dresden weiter ausbauen. Mit einer geplanten Gesamtinvestition von 5 Milliarden Euro wäre dies die größte Einzelinvestition in der Geschichte von Infineon und würde die Position des Unternehmens im Bereich Power-Systems stärken. Durch die neue Fabrik werden voraussichtlich bis zu 1000 neue Arbeitsplätze geschaffen. Produktionsbeginn des neuen Werks könnte der Herbst 2026 sein.
Unter Berufung auf nationale Sicherheitsbedenken gab die britische Regierung bekannt, dass der chinesische Halbleiterhersteller Nexperia 86 Prozent seiner Investitionen in die Newport Wafer Fab (NWF) veräußern muss. Damit wurde eine zuvor erfolgte Entscheidung der damaligen Regierung von Premierminister Boris Johnson aufgehoben. NWF war zuvor als künftiges Zentrum für britische Aktivitäten im Bereich der Verbindungs-Halbleiter angepriesen worden; die jüngste Entscheidung stellt die Zukunft der 500 NWF-Mitarbeiter infrage. Nexperia hat rechtliche Hilfe in Anspruch genommen, um gegen die Anordnung vorzugehen.