Viele Automobilhersteller wollen den Anteil ihrer batteriebetriebenen Fahrzeuge in den nächsten zwei Jahren verdoppeln. Doch Versorgungsengpässe im Halbleiterbereich behindern nach wie vor die Produktion im Automobilbereich.
Ob Elektrofahrzeug oder Auto mit klassischem Verbrennungsmotor: Der Elektrifizierungsgrad der Fahrzeuge steigt seit Jahren sehr dynamisch, mit positiven Auswirkungen für die Hersteller passiver Bauelemente. Einige passive Bauelemente könnten von dieser Entwicklung jedoch wesentlich stärker profitieren als andere – gleichzeitig wachsen die Anforderungen an sie.
Nach einer aktuellen Studie des französischen Marktforschungsinstituts Yole Group entfallen heute bereits 10 Prozent der Kosten in Stromwandlern auf Kondensatoren der unterschiedlichsten Art. Nach Einschätzung der Marktforscher wird der weltweite Markt für Leistungskondensatoren, die in dieser Applikation zum Einsatz kommen, bis 2028 voraussichtlich ein Umsatzvolumen von rund 7 Milliarden Dollar erreichen. Für die nächsten Jahre bedeutet das ein durchschnittliches jährliches Wachstum von 5,9 Prozent.
Im Bereich höherer Leistungsanforderungen kommen dabei vor allem Filmkondensatoren zum Einsatz. Gleichzeitig stellen sie auch die teuerste Kategorie von Kondensatoren für diese Art der Anwendung dar. Nach Aussage von Dr. Shalu Agarwal, Senior Analyst für Power-Electronics and Materials-Activities in der Power&Wireless-Abteilung bei Yole Intelligence, »weisen Folienkondensatoren ein signifikantes Wachstum auf und standen im Jahr 2022 für ein Umsatzvolumen von rund 3,9 Milliarden Dollar«. Im Vergleich dazu werden elektrolytbasierte Kondensatoren sowie MLCCs vor allem im unteren und mittleren Leistungsbereich eingesetzt. Ihr durchschnittliches jährliches Wachstum veranschlagen die Marktforscher auf 5,7 beziehungsweise 5,1 Prozent.
Aktuell den größten Einfluss auf die weitere Entwicklung des Segments Leistungskondensatoren, da sind sich die Marktforscher einig, hat der weltweite Trend zu elektrisch betriebenen Fahrzeugen. Dementsprechend werden Kondensatoren, die im Bereich Elektroautos zum Einsatz kommen, ihren Anteil am Gesamtmarkt der Leistungskondensatoren von 29 Prozent im Jahr 2022 auf voraussichtlich 44 Prozent im Jahr 2028 fast verdoppeln. Als Konsequenz dieser Entwicklung seien viele Kondensator-Hersteller bereit, ihr Geschäft auszuweiten und sich auf die aktuellen sowie zukünftigen Bedürfnisse und Trends in der Automobil- und Automotive-Industrie einzustellen.
Der aktuelle Markt- und Technologie-Report von Yole Intelligence »Capacitors for Power Converters 2023« stellt fest, dass unter den passiven Komponenten, die in Wandlern zum Einsatz kommen, sich die meisten Innovationen auf Leistungskondensatoren konzentrieren. Beleuchtet werden in diesem aktuellen Report drei Hauptanwendungsfelder: DC-Link, Snubber und I/O-Filter. Film-Kondensatoren stellen dabei weiterhin die Mainstream-Komponente für DC-Link-Applikationen dar. Unter dem Eindruck des Kostendrucks könnten jedoch einige Endanwendermärkte in Zukunft wieder zu Elektrolytkondensatoren zurückkehren, so die Vermutung der Marktforscher.
Für Snubber-Anwendungen werden bislang vor allem Filmkondensatoren und MLCCs eingesetzt. MLCCs werden dabei im unteren und mittleren Spannungsbereich, etwa für Home-Appliance-Anwendungen, aber auch für Mildhybrid-Elektrofahrzeuge eingesetzt. Filmkondensatoren kommen dagegen im mittleren und höheren Spannungsbereich zum Einsatz sowie in vollelektrischen Fahrzeugen, Bahn- und Wind-Anwendungen.
Die zunehmende Bedeutung des Elektrofahrzeugmarktes hat auch zur Folge, dass sich die Hersteller mit einer Reihe von technischen Herausforderungen konfrontiert sehen. Dazu zählen etwa die Forderungen nach deutlich höheren Energiedichten sowie Spannungen; dass die Reliability-Anforderungen steigen, versteht sich fast schon von selbst, dazu zu die gesteigerten Widerstandsanforderungen in Bezug auf ständige Temperaturzyklen und Vibrationen. Gleichzeitig hätten die Automobil- und Automotive-Hersteller gerne kompaktere Folienkondensatoren mit hoher Performance, die sich leicht in ihre Applikationen integrieren lassen. Schließlich sehen sich die Kondensatorhersteller mit der Forderung nach höheren Einsatztemperaturen für ihre Produkte konfrontiert.
Für Dr. Ana Villamor, Team Lead Analyst für Power-Electronics-Activities in der Power and Wireless Division der Yole Group ist darum klar: »Der aktuelle Entwicklungstrend im Elektrofahrzeugbereich könnte in naher Zukunft den Bedarf an Hochtemperatur-DC-Link-Kondensatoren erhöhen.
Dazu kommt die wachsende Bedeutung dielektrischer Folienmaterialien wie PP und PET zur Verbesserung von Produkteigenschaften wie höhere Energiedichte und Temperaturbereich.« Vor diesem Hintergrund spielen die Hersteller dielektrischer Folien wie Toray, Shin-Etsu Films und Fuwei Films eine genauso wichtige Rolle bei der angestrebten Verbesserung wie die klassischen Kondensator-Hersteller.
Doch wie steht es aktuell um die Verfassung der europäischen und im Speziellen der deutschen Automobil- und Automotive-Hersteller? Nach den Absatzeinbrüchen im Gefolge der Corona-Pandemie machte ihnen in den letzten zwei Jahren vor allem die angespannte Lieferkette zu schaffen. Besonders gilt das für die Versorgung mit Halbleitern. Zwar steigen europaweit inzwischen die Produktions- und Zulassungszahlen wieder, doch die Versorgung mit Halbleitern hat offenbar noch nicht das erhoffte Niveau erreicht. So haben die sich eintrübenden Konjunkturdaten der deutschen Wirtschaft auch damit zu tun, dass die Automotive-Branche in den ersten Monaten des neuen Jahres bei Weitem nicht so gut performte, wie das noch zu Jahresbeginn erwartet wurde.
Aus Sicht der Hersteller und Distributoren passiver Bauelemente stellt sich die Situation darum aktuell so dar: »Die kürzlich veröffentlichten KFZ-Zulassungszahlen für Europa sind ein gutes Zeichen für den Jahresbeginn«, meint Thomas Heel, Director und Head of Sales Central Europe der Yageo-Gruppe. »Wir hören definitiv von mehr Kunden, dass sich die Versorgung mit anderen knappen Komponenten im Vergleich zum Vorjahr verbessert hat. Andererseits gibt es naturgemäß Unschärfen bei sehr langen Vorlaufzeiten, die dann auch zu Korrekturen nach unten führen können.«
Auch Olaf Lüthje, Senior Vice President für Marketing Operations bei Vishay, sieht die Auftragsentwicklung auf einem leicht verbesserten Niveau. Dass die Bedarfe sowohl für passive Bauelemente als auch Halbleiter mit Automotive-Grade weiter zunehmen, sei vor allem dem Trend der E-Mobility und der steigenden Elektrifizierung der Fahrzeuge etwa durch ADAS, Sensorik, Lidar, Kameras und sonstige Systeme geschuldet. Dazu kommt der E-Mobility-Trend: »Die OEMs wollen den Anteil an batteriebetriebenen Elektrofahrzeugen in den nächsten beiden Jahren mehr als verdoppeln«, so Lüthje, »dazu kommen noch die Bedarfe für die notwendige Infrastruktur«.
»Bei Standard-ICs ist in der Automotive-Branche immer noch mit langen Lieferzeiten und Allokationen zu rechnen«, bestätigt auch Josef Vissing, President TDK Europe; »was die Leistungshalbleiter angeht, ist insbesondere ein Engpass mit SiC-MOSFETs zu beobachten«. »Für unser Automotive-Geschäft erwarten wir in diesem Jahr insgesamt einen leichten Anstieg. Insbesondere der xEV-Markt wird aus meiner Sicht auch über dieses Jahr hinaus ein nachhaltiges Wachstum aufweisen. Es wird erwartet, dass der xEV-Anteil am Automotive-Markt 2024 schon fast ein Drittel betragen wird, was den positiven Automotive-Trend weiter begünstigen dürfte.«
Ferdinand Leicher, Vice President Sales EMEA bei Bourns, berichtet im Rückblick auf die ersten Monate des neuen Jahres, »dass das 1. Quartal stärker war als von uns ursprünglich erwartet« – aus seiner Sicht eine Reaktion darauf, »dass das 4. Quartal 2022 von der Sorge vor einer drohenden Rezession geprägt war«.
Aus Sicht der Distributoren lässt sich feststellen, »dass es an Leistungshalbleitern auf jeden Fall fehlt«, so Joachim Pfülb, Vertriebsleiter der Beck Elektronik Bauelemente, aber auch Controller und ASICs, je nach Hersteller und Anwendung; entsprechend seien die Auswirkungen auf die ursprünglich kommunizierten Abrufe bei den passiven Bauelemente.
Eine ganz ähnliche Beobachtung machte auch Antonio Rodas, CTO von Endrich Bauelemente: »Wir beobachten Probleme im Bereich Logik-Bausteine wie Arm9 und Arm11 und hören Ähnliches bei FPGAs, die sowohl im Automotive-Bereich als auch in der Industrie benötigt werden.« Vorläufiges Fazit: Das Absatzsegment Automotive wird 2023 aller Voraussicht nach nicht das ursprünglich erwartete Volumen erreichen, nicht nur in Europa. Ob sich daran 2024 etwas ändern wird, dürfte unter anderem massiv von der zukünftigen Entwicklung geo- und wirtschaftspolitischer Rahmenbedingungen abhängen.