Bosch forscht an Vertical GaN

»Aktuell liegt unser Fokus ganz klar auf SiC«

7. Oktober 2025, 8:30 Uhr | Das Interview führten Iris Stroh und Engelbert Hopf, beide Markt&Technik
Ralf Bornefeld, Bosch: »Wir werden unser SiC-Programm mit unserer 3. Generation hinsichtlich der Sperrspannung nach oben erweitern, und wir konzentrieren uns als Koordinator des europäischen YESvGaN-Projekts auf die Erforschung und Entwicklung von Vertical GaN für Hochvoltanwendungen.«
© Bosch

Vom reinen Fertiger für den Inhouse-Bedarf hat sich Bosch im Leistungshalbleiter-Bereich zu einem Anbieter von MOSFETs und SiC-MOSFETs entwickelt, die entweder direkt oder über ein wachsendes Distributoren-Netzwerk an Automotive-, OEMs- und Tier1/2-Kunden geliefert werden.

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Welche Pläne Bosch für die Zukunft verfolgt, erläutert Ralf Bornefeld, Senior Vice President und General Manager der Business Unit Power Semiconductors and Modules.

Markt&Technik: Herr Bornefeld, seit einiger Zeit findet man Bosch als Leistungshalbleiter-Spezialisten auf Messen wie der PCIM, electronica oder auch der APEC. Das war früher nicht so, warum dieser Drang in die Öffentlichkeit?

Ralf Bornefeld: Wir wollen am Markt sichtbarer werden. Das hat zum einen mit dem Wettbewerb um qualifizierte Mitarbeiter zu tun, zum anderen aber auch damit, dass wir mittlerweile die Strategie verfolgen, unsere Leistungshalbleiter nicht nur in unsere Systeme einzubauen, sondern auch OEMs und Tier1/2-Anbieter zu beliefern. Folglich muss Bosch am Markt präsenter sein, und dieser Schritt hat sich bislang auch durchaus bezahlt gemacht.

Bosch ist ja nun schon eine ganze Weile im Leistungshalbleiterbereich aktiv, speziell mit MOSFETs ...

Stimmt. In der Vergangenheit haben wir als Automotive-Spezialist unseren MOSFET-Bedarf über Infineon Technologies gedeckt. Der Bedarf stieg, und wir wollten die Abhängigkeit von einem Lieferanten minimieren. Darum haben wir 2009 in Reutlingen angefangen, selbst MOSFETs auf Basis einer Lizenz von Infineon zu produzieren. Was uns von anderen Anbietern unterschieden hat, war die Tatsache, dass wir uns von Beginn an und ausschließlich auf die Anforderungen an MOSFETs im Automobilbereich konzentriert haben.

Bosch hat sich auch sehr früh mit dem Thema SiC beschäftigt. Wann haben Sie diese Aktivitäten gestartet, und wann sind Sie in die Serienfertigung gegangen?

Begonnen haben wir mit der Materialforschung an SiC bereits im Jahr 2001. Dass es sich dabei um etwas gänzlich Neues gehandelt hat, lässt sich auch daran ablesen, dass 10 Jahre vergingen, bevor wir 2011 einen MOSFET-Prototyp vorstellen konnten, der unseren Vorstellungen an ein solches Bauteil für Anwendungen im Automobilbereich entsprach.

Der SiC-Markt hat sich in den letzten Jahren überhitzt. Wirkt sich die gebremste Dynamik, vor allem im Automobilbereich, auf ihre geplanten Investitionen aus? Schieben sich neue Produkte und die Umrüstung von Fertigungslinien nach hinten?

Der Ausbau des Halbleitergeschäfts und die Zusammenarbeit mit zahlreichen internationalen Partnern sorgen für sichere Lieferketten und für eine verbesserte Verfügbarkeit von Halbleitern weltweit. Bosch investiert konsequent in die Neu- und Weiterentwicklung von Halbleitertechnologien und baut seinen weltweiten Fertigungsverbund weiter aus – im Rahmen seines eigenen Investitionsplans sowie im Rahmen von Förderprogrammen wie IPCEI für Mikroelektronik und Kommunikationstechnologie, CHIPS and Sciene Act oder California Competes.

Bosch will in den nächsten Jahren im Rahmen seines eigenen Investitionsplans und innerhalb des europäischen Förderprogramms IPCEI Mikroelektronik und Kommunikationstechnologie „Important Project of Common European Interest on Microelectronics and Communication Technologies“ rund drei Milliarden Euro an den Standorten Dresden und Reutlingen investieren. Bis Ende 2025 wird die Reinraumfläche in Reutlingen um mehr als 5000 Quadratmeter erweitert. Ab 2026 soll die Produktion von Siliziumkarbid-Halbleitern dort vollständig auf Basis der neuesten Generation von Wafern erfolgen, die erhebliche Skaleneffekte ermöglichen. Nach der Übernahme einer Waferfab in Roseville, Kalifornien, planen wir zudem Investitionen von rund 1,9 Milliarden USD in die Umrüstung der Fab auf modernste Fertigungsprozesse für Siliziumkarbid-Halbleiter.

Darüber hinaus werden wir bis Mitte der nächsten Dekade 350 Millionen Euro zur Stärkung der globalen Halbleiter-Lieferkette in Malaysia investieren: Für rund 65 Millionen Euro hat Bosch in Penang im August 2023 ein neues Testzentrum für Chips und Sensoren eröffnet und plant bis Mitte der nächsten Dekade weitere 285 Millionen Euro für diesen Standort ein. Zudem investieren TSMC, Bosch, Infineon und NXP Semiconductors gemeinsam in das Joint Venture „European Semiconductor Manufacturing Company“ in Dresden, kurz ESMC. TSMC wird 70 Prozent am geplanten Joint Venture halten. Bosch, Infineon und NXP werden mit jeweils 10 Prozent beteiligt sein. Hier werden die Gesamtinvestitionen voraussichtlich 10 Milliarden Euro übersteigen und bestehen aus Eigenkapitalzufuhr, Kreditaufnahme sowie signifikanter Unterstützung der Europäischen Union und der deutschen Bundesregierung.

Als Minderheitsgesellschafter hat Bosch Kapazitätsrechte entsprechend seiner Eigenkapitalbeteiligung. Durch die zehnprozentige Beteiligung sichert Bosch seinen Kunden frühzeitig Kapazitäten in diesen kleineren Technologieknoten in Europa

Bosch konzentriert sich auf den Automotive-Bereich. Inwiefern unterscheiden sich Ihre SiC-MOSFETs hier vom Wettbewerb?

Nur ein Beispiel: Wir haben ein eigenes Fertigungsverfahren entwickelt, was das Design des Trench-MOSFET betrifft. Ursprünglich wurde dieser „Bosch-Prozess“ 1994 für die Fertigung von MEMS-Sensoren entwickelt, und wir haben ihn dann für die Fertigung von SiC-MOSFETs angepasst. Dieser Ätzprozess ermöglicht das Freilegen hochpräziser vertikaler Strukturen im Wafer. Unser Gate ist vertikal aufgebaut, das Oxid, mit dem das Gate isoliert ist, liegt nicht nur auf dem Chip, sondern ragt in ihn hinein. Dieser Aufbau ermöglicht eine höhere Leistungsdichte.

Wie reagieren Kunden darauf, dass Sie die Leistungshalbleiter inzwischen nicht nur intern verwenden, sondern auch auf dem freien Markt verkaufen? Zurückhaltend, weil Sie einer der ganz Großen im Automobilgeschäft sind, oder spielt das bei Sonderthemen wie SiC keine Rolle?

Wir sehen einen Trend, bei dem Kunden nicht mehr auf ein Komplettpaket eines Zulieferers zurückgreifen, sondern mehr und mehr nach wettbewerbskompatiblen Einzelkomponenten wie Halbleitern fragen. Sie bauen so ihre eigenen Entwicklungs- und Lieferkettenkompetenzen auf, um ihr Verständnis und ihren architektonischen Vorsprung bei der vertikalen Integration zu stärken. Bosch hat sich deswegen mit seinem Halbleitergeschäft zweigleisig aufgestellt: Einerseits werden Fahrzeughersteller, Tier-1- und Tier-2-Zulieferer sowie Distributoren direkt angesprochen. A

uf der anderen Seite sind Chips und Sensoren immer noch in unseren eigenen Produkten und Systemen integriert. In beiden Fällen profitieren OEMs und Tier-Zulieferer von Boschs jahrzehntelanger Erfahrung im Automotive-Bereich und in der Halbleiterfertigung. Damit ist Bosch einer der wenigen Automobilzulieferer weltweit, der im Bereich Halbleiter so flexibel aufgestellt ist. Zum Beispiel sind SiC-MOSFETs in Form von Bare Dies, Discretes und Leistungsmodulen erhältlich. Darüber hinaus werden sie in andere Komponenten wie die E-Achse oder den Charger-Converter integriert, der DC/DC-Wandler und On-Board-Ladegerät kombiniert.

Wann haben Sie mit der Serienfertigung begonnen, und auf welchem Wafer-Format fertigen Sie momentan?

Wir fertigen 750- und 1200-V-SiC-MOSFETs seit 2021 in Reutlingen in Serie. Bislang erfolgte die Produktion auf 150-Zoll-Wafern, derzeit findet die Umstellung auf 200-mm-Wafer statt. Wir gehen davon aus, dass wir die Produktion im nächsten Jahr in Reutlingen komplett auf 200 mm umgestellt haben werden.

Sie werden in Zukunft SiC nicht nur in Deutschland produzieren. Sie haben im April 2023 TSI Semiconductors in Roseville Kalifornien gekauft. Angesichts der inzwischen aufgerufenen US-Importzölle für Chips eine sehr weitsichtige Entscheidung.

Wir bitten um Verständnis, wenn wir uns prinzipiell im Detail nicht zu den Auswirkungen von Änderungen in der Zollpolitik aus wettbewerbs- und rechtlichen Gründen äußern wollen. Grundsätzlich haben Änderungen in der Außenhandelspolitik oft Auswirkungen auf das Geschäft von Bosch als globalem Unternehmen. Deshalb ist ein globaler Handel unter fairen Wettbewerbsbedingungen von großer Bedeutung für uns. Während wir uns auf unseren Local-for-Local-Ansatz konzentrieren, arbeiten wir gleichzeitig in einem internationalen Produktionsnetzwerk und sind global aufgestellt. Wir überprüfen unsere Warenströme fortlaufend vor dem Hintergrund der sich ständig ändernden Handelsgesetzgebung. Aufgrund der modernen Lieferketten und der globalen Marktstruktur können wir keine Aussagen über mögliche Auswirkungen von Änderungen in der Zollpolitik auf einzelne Standorte treffen.

Im SiC-Bereich wurden zuletzt eine ganze Reihe neuer Generationen von verschiedenen Herstellern vorgestellt. Wo steht Bosch derzeit?

Aktuell fertigen wir die zweite Generation unserer SiC-MOSFETs. Unsere dritte Generation wird, Stand heute, ab 2027 in Produktion gehen. Generation 4 wird voraussichtlich zwei bis zweieinhalb Jahre später in Produktion gehen. Ein Zeitraum von zwei bis zweieinhalb Jahren hat sich bei Bosch bislang als guter, marktrelevanter Zeitraum beim Übergang von einer zur nächsten SiC-MOSFET-Generation erwiesen.

Noch eine Frage zur SiC-MOSFET-Technologie: Die Branche ist gespalten zwischen Planar und Trench, einige Hersteller wollen die Planartechnologie noch weiter ausreizen, bevor sie auf Trench umstellen. Wie sehen Sie das?

Unsere Antwort darauf ist ganz klar! Wir haben von Anfang an auf Trench gesetzt, und sehen keinen wirtschaftlichen oder technischen Vorteil, warum wir davon in Zukunft abrücken sollten. SiC-MOSFETs von Bosch sind Trench-Bausteine.

In welcher Form bieten Sie heute ihre MOSFETs und SiC-MOSFETs an?

Wir verkaufen speziell unsere SiC-MOSETs in Form von Bare Dies und Discretes direkt an OEMs, Tier-1- und -2-Lieferanten sowie über eine bislang kleine Gruppe von Distributoren wie Rutronik und Arrow. Speziell die Distributionsschiene werden wir in Zukunft noch weiter ausbauen. So finden Sie unsere SiC-MOSFETs heute nicht nur bei den verschiedenen europäischen Automobilherstellern, sondern auch bei chinesischen Herstellern wie BYD, Great Wall Motors oder Xiaomi.

Beabsichtigen Sie in Zukunft, SiC-MOSFETs für Anwendungen jenseits des Automobil-Einsatzes anzubieten?

Ja, wir wollen beispielsweise den Einsatz im Bereich Schienenfahrzeuge forcieren. Aktuell haben wir in der zweiten Generation eine Sperrspannung von 1700 V verfügbar.

Beschäftigt sich Bosch auch mit dem Thema GaN? Oder konzentrieren Sie sich im Wide-Bandgap-Bereich ausschließlich auf SiC?

Nein, wir beschäftigen uns durchaus intensiv mit dem Thema GaN, bislang aber vor allem im Forschungsbereich. Bisher verfügbare GaN-Leistungshalbleiter weisen eine laterale Struktur auf. Wir interessieren uns für GaN vor allem für Hochvoltanwendungen. Aus diesem Grund konzentrieren sich unsere Anstrengungen auf Vertical GaN. Bosch ist hier seit 2021 als Koordinator im europäischen YESvGaN-Projekt tätig. Zusammen mit 26 europäischen Partnern aus Industrie und Forschung treiben wir dieses Projekt voran.

YESvGaN zielt darauf ab, Hochvolt-GaN-Leistungshalbleiter auf einem kostengünstigen Substrat wie Silizium zu realisieren. Denken Sie auch an andere Substrate?

Wir haben natürlich auch Alternativen wie QST oder Saphir im Auge. Für QST spricht die Tatsache, dass dieses Material den gleichen thermischen Ausdehnungskoeffizienten wie GaN hat. Das würde es ermöglichen, Verzug und Risse in der GaN-Epitaxieschicht zu vermeiden. Eine andere Möglichkeit wären selbstverständlich synthetische, einkristalline Saphir-Substrate. Wir werden sehen, welche Alternative zu Silizium sich für unsere Anwendungen am Ende als die beste erweisen wird.


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