Automatisierungssysteme für die Wasserstoffindustrie müssen besondere Anforderungen erfüllen. Doch welche sind das? Thomas Braasch, Key Account Manager bei Pilz, erläutert sie, gibt einen Überblick über die geltenden Normen und zeigt auf, was das Unternehmen für Wasserstoffanwendungen zu bieten hat.
Markt&Technik: Wie sind Automatisierungssysteme für die Wasserstoffindustrie sinnvollerweise aufgebaut?
Thomas Braasch, Pilz GmbH & Co. KG: Automatisierungssysteme machen die sichere und wirtschaftliche Herstellung und Nutzung von Wasserstoff erst möglich. Konkret gehören dazu die Steuerung und Überwachung von Elektrolyseuren, Brennstoffzellen und generell Wasserstoffproduktionsprozessen. Idealerweise sind die Automatisierungssysteme modular aufgebaut. Denn modulare Systeme sind flexibel, skalierbar und ermöglichen eine einfache Anpassung und Erweiterung der Infrastruktur, um den sich ändernden Anforderungen gerecht zu werden. Fail-Safe-Mechanismen sorgen speziell dafür, dass Systeme in einen sicheren Zustand übergehen. Ein Beispiel ist die Überwachung von Ventilen inklusive deren Stellungsüberwachung oder die Notabschaltung bei Erkennung eines kritischen Zustands.
Was müssen Automatisierungssysteme für die Wasserstoffindustrie leisten?
Der Mehrwert, den erprobte und verfügbare Sicherheitsprinzipien aus Automatisierung und funktionaler Sicherheit bieten, ist, dass sie Sicherheit nicht ausschließlich auf eine statische Zustandsprüfung beschränken. Vielmehr helfen sie, Sicherheit als eine übergreifende Überwachungsfunktion von Bauteilen und deren funktionalem Zusammenhang in der Prozesskette zu betrachten. Zusätzlich zu den statischen Sicherheitseigenschaften der Komponenten können Automatisierungslösungen beispielsweise die dynamische Druck- und Temperaturüberwachung oder die sichere Einhaltung von Belastungsgrenzen nachgeschalteter Strukturen übernehmen.
Wie lassen sich bei Automatisierungssystemen für die Wasserstoffindustrie Safety, Security und Explosionsschutz sicherstellen?
Um Safety, Security und Explosionsschutz in Automatisierungssystemen sicherzustellen, ist eine umfassende und integrierte Herangehensweise sinnvoll. Ein Risikomanagement mit der Identifikation und der Bewertung von Risiken sowie der Implementierung von Maßnahmen zur Risikominderung ist entscheidend. Das gilt sowohl für den Safety- als auch für den Security-Aspekt.
Für den Explosionsschutz müssen Systeme so konzipiert sein, dass sich keine explosionsfähige Atmosphäre bilden kann. Dies lässt sich durch die Begrenzung der elektrischen Energie und der Temperatur erreichen. Dafür gibt es spezielle Zertifizierungen.
Welche Normen sind bei Automatisierungssystemen für die Wasserstoffindustrie relevant, gerade auch in puncto Safety, Security und Explosionsschutz?
Es gibt zahlreiche internationale und nationale Normen, etwa die ISO 19880-1 für Wasserstofftankstellen und die IEC 60079 für explosionsgefährdete Bereiche. Diese Normen legen Anforderungen an die Konstruktion, die Installation und den Betrieb von Wasserstoffanlagen fest. Dazu kommt der Cyber Resilience Act, der als EU-Verordnung ein Mindestmaß an Cybersicherheit für alle vernetzten Produkte auf dem EU-Markt festlegt. Er wird ab 2027 vollständig angewendet.
Welche Datenkommunikationstechniken kommen in Automatisierungssystemen für die Wasserstoffindustrie zum Einsatz?
In Automatisierungssystemen für die Wasserstoffindustrie kommen im Grunde die gleichen Feldbus- und Kommunikationssysteme zum Einsatz wie in der Maschinenautomatisierung auch. Beispiele, die Pilz abdeckt, sind unter anderem Profinet/Profibus, Modbus, EtherNet/IP, EtherCAT und Safety-over-EtherCAT.
Wie sieht das Produkt- und Dienstleistungsangebot von Pilz für die Wasserstoffindustrie aus?
Die Sicherheitslösungen von Pilz für die funktionale Sicherheit umfassen die sichere Kleinsteuerung PNOZmulti 2, die erforderliche Sicherheitsfunktionen steuert und überwacht. Zudem kommt das Automatisierungssystem PSS 4000 bei großen Anlagen und je nach Anzahl der benötigten Ein- und Ausgänge zum Einsatz. PNOZmulti 2 und PSS 4000 sind bis zum Safety Integrity Level (SIL) 3 nach EN IEC 61511 zertifiziert und erfüllen die Anforderungen nach EN IEC 61508.
Mit der zunehmenden digitalen Vernetzung von Anlagen und Systemen in der Wasserstoffproduktion, -speicherung und -anwendung in der Industrie wird das Thema Industrial Security immer wichtiger. Das I.A.M. (Identification and Access Management) von Pilz unterstützt von der Authentifizierung von Nutzern über die Betriebsartenwahl oder die Daten- und Netzwerksicherheit bis zum Zugangsmanagement. Zudem bietet Pilz Dienstleistungen rund um Maschinensicherheit und Industrial Security.
Was können die Automatisierungssysteme von Pilz in konkreten Anwendungen der Wasserstoffindustrie leisten?
Sicherheitssteuerungen, wie PNOZmulti 2 oder das Automatisierungssystem PSS 4000, haben sich bereits bei Anwendungen in der Wasserstoffindustrie bewährt, etwa bei Wasserstofftankstellen. Die Steuerungssysteme von Pilz erkennen Gaslecks zuverlässig durch die Auswertung von Gasdetektoren und überwachen sicher Temperatur, Druck, Füllstand, Spannung, Strom, aber auch Not-Halt und die korrekte Funktion sicherheitsrelevanter Ventile. Sie erkennen Fehler in Millisekunden und leiten vordefinierte Sicherheitsreaktionen ein, die Mensch und Anlage schützen. So lassen sich Wasserstoffanwendungen nicht nur sicher, sondern auch wirtschaftlich umsetzen. Pilz ist zudem überzeugt davon, dass nur eine ganzheitliche Betrachtung von Safety und Security einen umfassenden Schutz gewährleistet. Denn Security schützt die Verfügbarkeit von Anlagen und Maschinen vor Manipulationen und Fehlbedienung.