In China sind bereits die ersten E-Autos mit Reichweiten um die 300 km mit Natrium-Ionen-Batterien erhältlich. In Europa könnten die Automobilhersteller in Zukunft Natrium-Ionen-Batterien als kostengünstigen Ersatz für Einstiegsfahrzeuge nutzen, die bisher Lithium-Eisen-Phosphatbatterien nutzen.
In China nimmt der Einzug der Natrium-Ionen-Batterie in die Elektrofahrzeug-Branche Fahrt auf – jüngstes Beispiel dafür ist das von BYD auf der Automesse Schanghai vorgestellte Modell Seagull, ein Stadtauto für 10.500 Euro mit einer Reichweite von 300 Kilometern. Entsprechende Batterien werden seit letztem Jahr von CATL und dem Konkurrenten HiNa bereits in Serie produziert. So zeichnet sich nun immer deutlicher ab, dass die Natrium-Ionen-Batterie das Potenzial hat, die Elektrofahrzeugbranche in den nächsten Jahren zu revolutionieren. Das bestätigen auch von der Markt&Technik befragte Experten.
Anders als in den klassischen Lithium-Ionen-Akkus fungieren in den neuen Batterien Natrium-Ionen als Träger der Ladung zwischen den Polen. Der Umstieg von Lithium auf Natrium bietet enorme Kostenvorteile. Der Verzicht auf das Konfliktmaterial Kobalt befreit die Batterien zudem von ethischen Problemen sowie von Ausfallrisiken und unvorhersehbaren Preisschwankungen in der Lieferkette. Auch der Einsatz von Aluminium als Anodenmaterial in Natrium-Ionen-Akkus bietet Kostenvorteile.
Seit den 1980er-Jahren als Konzept bekannt, lag und liegt der Schwachpunkt der Natrium-Ionen-Technologie in ihrer vergleichsweise geringen Energiedichte. So steht HiNa aktuell bei 140 bis 155 Wh/kg. Etwas besser sieht es bei CATL aus, dort sind es bereits bis zu 160 Wh/kg. Mit der nächsten Generation will CATL dann bis zu 200 Wh/kg erreichen. Das entspräche der Energiedichte einer modernen Lithium-Eisenphosphat-Zelle, wie sie heute bereits im Elektro-Automobilbereich zum Einsatz kommt.
Der geringen Energiedichte stehen also eindeutige Vorteile gegenüber. Der Preis einer Natrium-Ionen-Batterie liegt heute um 40 Prozent unter dem für Lithium-Ionen-Produkte. Auch sind Natrium-Ionen-Akkus deutlich weniger temperaturempfindlich. Selbst bei –20 °C sollen immer noch 90 Prozent der gespeicherten Kapazität genutzt werden können, ohne dass der Akku zuvor aufgewärmt werden müsste. Ein weiterer entscheidender Vorteil besteht darin, dass Akku- und Fahrzeughersteller trotz unterschiedlicher chemischer Zusammensetzung großteils die gleichen Werkzeuge, Prozesse und Strukturkomponenten bei der Herstellung und Verbauung der Natrium-Ionen-Batterien verwenden können.
Eine aktuelle Umfrage der Markt&Technik unter Batterieexperten im deutschsprachigen Raum zeigt, dass das Potenzial der Natrium-Ionen-Batterie trotz der geringeren Energiedichte inzwischen deutlich höher bewertet wird als noch vor knapp zwei Jahren, als CATL im Juli 2021 erstmals seine Pläne für die Natrium-Ionen-Batterie präsentierte. »Auch wenn Natrium-Ionen-Zellen die Lithium-Akkumulatoren auch bei theoretischen Berechnungen nicht übertreffen können«, so Professor Dr. Karl-Heinz Pettinger, Professor für Elektrische Energiespeicher an der Hochschule Landshut, »hat die Natrium-Ionen-Technologie ein großes Ausbaupotenzial«.
»Ich gehe davon aus, dass alles, was heute mit Lithium-Ionen-Eisenphosphat angeboten wird, zukünftig auch mit Natrium-Ionen-Batterien im Bereich der E-Mobilität erhältlich sein könnte«, schätzt Professor Dr. Andreas Jossen, Professor für Elektrische Energiespeichertechnik an der TU München. »Der Hauptvorteil dieser Technologie liegt in den Kosten, und darüber wird sich entscheiden, ob die Natrium-Ionen-Akkus den Marktdurchbruch schaffen.«
Dr. Wolfgang Weydanz, Senior Scientist und Fachreferent bei Bosch eBike, ist überzeugt davon, »dass der Einsatz der Natrium-Ionen-Batterie überall dort interessant sein wird, wo der Preis wichtiger ist als die Energiedichte oder das Gewicht der Batterie keine große Rolle spielt. Das wäre dann auch für den Stationär-Speicher-Markt der Fall«. Auch er geht davon aus, dass im E-Mobility-Bereich die »Low-End-Modelle, die heute teils schon mit Lithium-Eisen-Phosphat ausgestattet sind, das erste Ziel sein dürften«.
Auch wenn sich sein eigenes Unternehmen, GS Yuasa, aktuell nicht mit der Natrium-Ionen-Technologie beschäftigt, so ist sich Raphael Eckert, General Manager Sales & Marketing Components bei GS Yuasa Battery Germany, sicher, »dass Natrium-Ionen-Akkus aufgrund ihrer geringen Energiedichte nicht schlecht sind, sie reichen für bestimmte Anwendungen völlig aus«. Er kann sich darum gut vorstellen, »dass der kostenseitige Wettbewerbsdruck aus China die europäischen Automobilhersteller zwingen wird, gerade in den preissensitiven Segmenten auch auf diese Technologie einzusteigen«.
Werner Suter, Geschäftsführer der Schweizer Tefag Elektronik, hält es sogar für möglich, »dass, wenn es gelingt, die Energiedichte zu steigern und parallel dazu das Gewicht zu reduzieren, dieses Batteriesystem zu einer echten Alternative, ja sogar zu einer Konkurrenz für die Lithium-Ionen-Technologie werden könnte«. Damit könnten E-Fahrzeuge auf jeden Fall für den Kurzstreckenverkehr zu tieferen Preisen angeboten werden. In Bezug auf CATL weist Suter darauf hin, »dass sie nach meinem Wissen mit bekannten deutschen Premium-Automobilherstellern zusammenarbeiten«.
Aktuell jedoch spielt die Musik in Sachen Natrium-Ionen-Batterie eindeutig in China. CATL und HiNa fertigen bereits in Serie, andere sind dabei, entsprechende Produktionskapazitäten aufzubauen. Nach Informationen des Fachportals Benchmark Minerals befinden sich in China aktuell Kapazitäten für 3,1 GWh pro Jahr im Aufbau. Bis 2030 erwartet Benchmark Minerals einen Kapazitätsaufbau auf über 100 GWh im Jahr. Zum Vergleich: Laut McKinsey betrug die globale Nachfrage nach Lithium-Ionen-Akkus 2022 rund 700 GWh. Bis zum Ende dieses Jahrzehnts soll der Bedarf nach Einschätzung der Unternehmensberatung auf 4,7 TWh pro Jahr anwachsen.
In Europa arbeitet derzeit der schwedische Konzern Altris am Aufbau einer Anlage zur Herstellung von Kathoden auf Natriumbasis. Die Jahresproduktion soll 2000 Tonnen betragen. Damit ließen sich Akkus mit einer Gesamtkapazität von 1 GWh herstellen. In den USA hat das Startup Natron Energy angekündigt, gemeinsam mit dem Akkuspezialisten Clarios in einer schon bestehenden Fertigungsstätte für Lithium-Ionen-Batterien in Michigan eine Produktionslinie für Natrium-Ionen-Akkus zu installieren. Sie soll pro Jahr Akkus mit einer Gesamtkapazität von 600 MWh liefern.
Darüber hinaus hat Faradion vor Kurzem eine Partnerschaft mit einem südkoreanischen Unternehmen angekündigt, um Natrium-Ionen-Batterien für E-Fahrzeuge zu entwickeln. Tiamat Energy hat eine neue Methode zur Herstellung von Natrium-Ionen-Batterien vorgestellt, die die Kosten senken und die Effizienz erhöhen soll. Auf den Einsatz von Natrium-Ionen-Batterien im Bereich stationärer Energiesysteme zielt eine Partnerschaft, die NEI vor Kurzem abgeschlossen hat. Pylontech wiederum erhielt kürzlich das weltweit erste Zertifikat für Natrium-Batterien vom TÜV Rheinland.