Die Teilnehmer des Stromversorgungs-Forums berichten von wachsender Nachfrage, neuen Projekten in Nischenmärkten und Risiken durch schrumpfende Lagerbestände – langfristige Großaufträge bleiben dagegen aus.
Wenn jemand einen 40-Fuß-Container via Luftfracht in die USA befördern lässt, hat das momentan nur zum Teil mit der guten konjunkturellen Entwicklung dort zu tun. Es spielt vor allem die Sorge eine Rolle, was passieren wird, wenn die bis zum 9. Juli ausgesetzten Importzölle auf Waren aus Europa nach diesem Termin deutlich in die Höhe gehen sollten. Ansonsten zeigten sich auf dem Stromversorgungs-Forum der Markt&Technik vor allem zwei Dinge: Das Jahr 2024 schloss doch deutlich besser ab, als viele Teilnehmer noch im Herbst letzten Jahres erwartet hatten, und die Nachfrage zieht allmählich an, wenn auch bislang vor allem in Form eines immer deutlicher steigenden Tagesgeschäfts.
»Es sind nicht die neuen großen Jahresaufträge, die uns optimistisch stimmen«, sagt Martin Tenhumberg, Managing Director DACH bei Traco Power, »denn die gibt es noch nicht in der erhofften Anzahl, sondern ein kontinuierliches Wachstum des Tagesgeschäfts.« Vor einem Jahr hätten die Kunden ihre SAP-Systeme mit Preisen von 1 bis 5000 Stück gepflegt und dann nichts bestellt. »Die Verwirklichungsrate war damals sehr gering.« Inzwischen sind es ganz offensichtlich Projekte, die man entweder gewonnen hat oder deren Realisierung nicht mehr länger aufgeschoben wird, die das Daily-Business beleben. »Man sieht ganz deutlich: Es wird weiter auf Sicht gehandelt, aber es zieht an«, beobachtet Tenhumberg.
Eine Einschätzung, die fast alle Teilnehmer des Stromversorgungs-Forums teilen. Auffällig auch: Der Aufschwung, wenn man es so nennen will, kommt nicht aus den klassischen Hauptabnehmermärkten der deutschsprachigen Stromversorgungs-Spezialisten, sondern aus zum Teil neu entstandenen Marktsegmenten. Dass steigende Auftragsmengen aus den Bereichen Bahn-, Medizin- und Wehrtechnik zu vermelden sind, wie es Thomas Widdel, Geschäftsführer der zur Cosel-Gruppe gehörenden Eplax, tut, ist da fast noch den klassischen Märkten zuzuordnen. Dass Erneuerbare und der Netzausbau das Geschäft der eigentlich in erster Linie auf Maschinenbaukunden ausgerichteten Block Transformatoren-Elektronik beleben, berichtet der dort als Geschäftsleiter für Entwicklung und Produktmanagement zuständige Kai Heinemann.
Dieses Muster zieht sich durch zahlreiche Antworten: So freut sich Markus Bicker, CEO der Bicker Elektronik, über schöne Zuwächse im Bereich professionelles Gaming und Spielautomaten für Casinos, aber auch über eine verstärkte Nachfrage aus dem Bereich Smart City. Torsten Keinath aus dem Geschäftsleitungsteam der inpotron Schaltnetzteile berichtet ebenfalls von interessanten Neuprojekten: »Wir sehen einen deutlichen Anstieg bei den Digitalisierungsthemen, das ist nicht nur das intelligente Haus, das hat auch viel mit Infrastruktur und Ausbau der Breitbandtechnik zu tun.«
Auch bei Bernhard Erdl, dem Gründer und CEO der Puls Gruppe, sind es derzeit eher Nischenmärkte, die für positive Nachrichten sorgen: »Wirklich optimistisch sind wir dieses Jahr für das Thema Wireless Charging: Da gehen wir von einem Plus von 30 Prozent aus, allerdings von einem niedrigen Niveau aus.« Richtig Freude bereitet ihm die Akquisition aus dem letzten Jahr, die italienische Adel System, die stark im Thema Infrastruktur ist und stark im Raum Middle East vertreten ist. Bezogen auf die klassischen Anwendungsbereiche der Puls-Stromversorgungen hebt Erdl vor allem die Markterholung der Intralogistik in den USA hervor: »Das entwickelt sich inzwischen wirklich sehr schön.«
Doch es gibt offenbar auch Effekte, die etwas mit dem angekündigten Investitionsprogramm der neuen Bundesregierung zu tun haben, das vor der Sommerpause die letzten parlamentarischen Hürden passiert hat. »Wir waren bis Ende Februar völlig überlastet, so wie das eigentlich schon die letzten drei Jahre gewesen ist«, berichtet zum Beispiel Oliver Walter, CEO, Camtec Power Supplies. »Danach fing es an zu schwanken, und ich kann nicht sagen, was in den nächsten Monaten passieren wird.« Seine Vermutung: »Viele unserer Kunden stecken tief in der Infrastrukturtechnik, und da haben wohl einige angesichts des angekündigten Infrastrukturprogramms auf die Bremse getreten – nach der Devise: Lass uns mal abwarten, das Geld, das da kommt, wollen wir mitnehmen.«
Womit die Diskussionsteilnehmer bei der Frage angekommen sind, wann das Hunderte Milliarden Euro schwere Investitionsprogramm sich denn in ihren Auftragsbüchern niederschlagen wird. Wohl nicht mehr in diesem Jahr, so ihre allgemeine Einschätzung, frühestens im Geschäftsjahr 2026. Und das hängt dann auch noch davon ab, ob bei der Vergabe der Fördergelder nur Großprojekte zum Zug kommen werden und das Geld damit bei den Konzernen hängen bleiben wird, oder ob auch der Mittelstand vom Investitions-Booster profitieren soll.
Läuft es positiv, wird die Nachfrage wohl spätestens im nächsten Jahr kräftig anziehen. Mit Folgen, über die man sich in der Branche schon jetzt Gedanken macht, und die sich in einem Wort zusammenfassen lassen: Allokation. Einig sind sich die Diskussionsteilnehmer darin, dass die Lagerbestände der Kunden inzwischen wirklich deutlich abgeschmolzen sind, was diese aber nicht unbedingt zu neuen Orders verleitet. »Die Einkaufsabteilungen bestellen nicht dann, wenn das Lager leer ist«, erklärt Tenhumberg, »sondern erst dann, wenn der Werker am Band ruft, dass nichts mehr da ist.« Das Problem besteht darin, dass es ein nicht zu unterschätzendes Risiko gibt, dass es vielen Anwendern gleichzeitig so gehen wird. »Und dieses Risiko steigt von Woche zu Woche«, versichert Tenhumberg.
Mehr über aktuelle Entwicklungen und Trends in den Bereichen Stromversorgung & Powermanagement erfahren Sie im gleichnamigen Trendguide, der am 18. Juli erscheint.