Liefersituation: Passive Bauelemente

Nur die Ruhe vorm nächsten Sturm?

20. März 2023, 14:00 Uhr | Engelbert Hopf
Wenn sich die Consumer-Elektronik in Asien wieder erholt, dürfte es nach Meinung der zum Forum versammelten Branchenexperten mit den inzwischen wieder normalisierten Lieferzeiten für Commodities wohl schnell wieder vorbei sein.
© WEKA FACHMEDIEN

Mit einer sehr guten Kundennachfrage sind die Spezialisten für passive Bauelemente ins neue Jahr gestartet. Geholfen hat dabei auch die wieder verbesserte Verfügbarkeit von Commodities. Diese Entspannungsphase könnte aber Mitte des Jahres vorbei sein, wenn sich Asiens Consumer-Elektronik erholt.

Überfluss statt Allokation – seit Asiens Konsumelektronik-Industrie mit deutlichen Nachfrageeinbrüchen kämpft, hat sich die Liefersituation für passive Bauelemente deutlich entspannt. »Seit Ende letzten Jahres herrscht im Commodity-Bereich fast ein Überfluss an passiven Bauelementen«, beschreibt Jean von Redwitz, Sales Director EMEA Passive Components bei Future Elec­tronics, den dramatischen Wandel in den letzten Monaten. »Neben den etablierten Lieferwegen sind chinesische Distributoren hier in Europa aktiv geworden und haben Abnehmer für Commodities gesucht, die auf dem chinesischen Markt derzeit nicht benötigt werden.«

Während Asien im Bereich Konsumelektronik derzeit ein Problem darstellt, wie auch Maximilian Jakob, Director Sales in der Device Solution Business Division bei Panasonic Industry Europe, auf dem diesjährigen Forum »Trends bei passiven Bauelementen« der Markt&Technik bestätigt, stellen Europa und Nordamerika bei vielen Herstellern und Distributoren passiver Bauelemente derzeit die einzigen Wachstumsbereiche dar. Ein entscheidender Grund dafür dürfte sein, dass angesichts der Corona-Pandemie und des russischen Überfalls auf die Ukraine noch im Herbst letzten Jahres Wirtschaftsexperten von einer Rezession unter anderem in Europa ausgegangen waren.

»Unsere Erwartung war ja, es gibt eine Rezession«, bestätigt denn auch Ferdinand Leicher, Vice President Sales EMEA bei Bourns, »aber genau das Gegenteil war der Fall!« Für ihn war der Januar in Europa brilliant, Februar und März waren ok. »Aus unserer Sicht haben wir in den ersten zweieinhalb Monaten dieses Jahres unsere Erwartungen sowie das Vorjahr bereits übertroffen«, pflichtet auch Olaf Lüthje, Senior Vice President Marketing Operations bei Vishay, bei. »Wir hatten zwar Wachstum für 2023 budgetiert, aber nicht in diesem Maße.« Da spielt es dann auch keine Rolle mehr, dass die Book-to-Bill unter 1 gesunken ist, da der Backlog immer noch bei über einem halben Jahr liegt.

Anbieter zum Thema

zu Matchmaker+
Ferdinand Leicher, Bourns
Ferdinand Leicher, Bourns: »Wir sind mit der Erwartung mindestens einer milden Rezession in das Jahr 2023 gegangen – stattdessen sind wir hervorragend in dieses Jahr gestartet.«  
© Bourns

»In Europa läuft das Geschäft besser als gedacht, weil die rezessiven Einflüsse nicht so zum Tragen gekommen sind, wie das allgemein befürchtet wurde«, bestätigt auch Rüdiger Scheel, Vice President Mobility bei Murata Europe. »Allerdings bin ich etwas enttäuscht vom bisherigen Revival des Automotive-Geschäfts; ich dachte, durch die bessere Verfügbarkeit von Halbleitern würde da jetzt irgendwann der Knoten platzen.« In anderen Bereichen scheint die besser werdende Verfügbarkeit von Halbleitern dagegen durchaus stimulierende Wirkung zu haben. »Wir sind sehr gut ins Jahr 2023 gestartet, weit über den Plänen, die wir hatten«, versichert Joachim Pfülb, Vice President Sales Components bei Beck Elektronik Bauelemente. Aber: »Während die MLCCs problemlos verfügbar sind, macht speziell die Verfügbarkeit von Alu-Elkos und Hybrid-Polymer-Kondensatoren schon wieder Schwierigkeiten.«

»Alles, was spezialisiert oder spezifisch ist, ist immer noch sehr eng bei den Lieferungen«, stellt denn auch Hagen Götze, Senior Director Marketing bei Avnet Abacus, fest. »So gibt es noch Allokationen bei speziellen Bauteilen wie etwa ­Automotive-MLCCs oder speziellen Polymer-Kondensatoren.« Letztlich geht es nach seinem Eindruck nach wie vor rauf und runter: »Es gibt sowohl signifikante Preiserhöhungen am Markt, aber auch signifikante Preissenkungen.« Dass sich die Situation in Europa derzeit so gut darstellt, hat auch für ihn mit den unsicheren Erwartungen Ende des letzten Jahres zu tun: »Diese Befürchtungen haben sich als unbegründet erwiesen; stattdessen hat sich bewahrheitet, dass es in Europa nach wie vor einen starken Bedarf, vor allem im OEM-Bereich, gibt.«

Hagen Götze
Hagen Götze, Avnet Abacus: »Die Erwartungen für 2023 waren unsicher, aber es hat sich bewahrheitet, dass der Bedarf in Europa weiter stark ist, vor allem im OEM-Bereich!«
© WEKA FACHMEDIEN

Bleibt die Frage, wie lange diese Situation andauern wird. So lange, bis der Consumer-Markt in Asien und speziell in China wieder anspringt, so die einstimmige Antwort der beim Forum versammelten Branchenexperten. Jakob legt sich bei der Frage, wann der Umschwung beginnen wird, fest: »Wir gehen davon aus, dass es ab März wieder anziehen wird«. Den Peak erwartet der Panasonic-Manager für den Konsumgüterbereich dann im Juni dieses Jahres; »bei Laptops und Personalcomputern gehen wir dagegen davon aus, dass dort die Nachfrage noch mindestens bis Ende des Jahres niedrig sein wird«. Als wichtigen Grund für seine Einschätzung nennt er das Interesse der chinesischen Regierung um Staatspräsident Xi Jinping an »Normalität«, die eben auch durch gestärkten Konsum angestrebt werde.

Wird all dies Auswirkungen auf die Preisentwicklung bei passiven Bauelementen in diesem Jahr haben? »Als Distributor würde ich mir Preissenkungen wünschen«, versichert Andreas Gehrke-Kowol, zuständig für Controlling und Purchasing PEMCO bei Schukat electronic. »Aber das dürfte vorerst Wunschdenken bleiben. Wenn überhaupt, dann gibt es wohl erst in der zweiten Jahreshälfte eine Chance für leichte Preisreduzierungen.« Auch Lüthje wünscht sich aus Herstellersicht durchaus eine Preissenkung, »aber angesichts der derzeitigen Kostensituation werden sich die Preise aus unserer Sicht vorerst stabilisieren, und wenn die Consumer- und Computer-Industrie wieder Gas gibt, werden die Preise wieder eher steigen als sinken«. 

Mehr über die aktuellen Entwicklungen und Trends im Bereich passiver Bauelemente erfahren Sie im Trend-Guide »Elektromechanik & Passive Bauelemente«, der am 30. März erscheint. 


Das könnte Sie auch interessieren

Murata, Silicon Capacitor

Murata erweitert in der Normandie

Neue Fertigungslinie für Siliziumkondensatoren

Murata, MLCC, Keramikkondensator, passive Bauelemente, GRM011

Marktstudie von TrendForce

Automotive im Visier der MLCC-Hersteller

Grafik Passive

Der Markt für Passive – Momentaufnahme

Zwei Quartale als Bestellhorizont

Creatus/stock.adobe.com

Versorgungslage bei passive Bauelementen

»Back to normal – aber nicht überall«

Im Bereich der Kondensatoren sind einige neue Technologien hinzugekommen. Es geht darum, welche Vorteile Polymer- und Hybridkondensatoren für industrielle Anwendungen mitbringen und wie sich die Lebensdauer der Systeme positiv beeinflussen lässt

Polymer- und Hybridkondensatoren

Lebensverlängernde Bauteile

Neue Chip-Ferritperlen von Murata lösen in Automotive-Systemen mit hohen Stromstärken Probleme mit Breitband-Störgrößen unter anderem im HF-Bereich (1 GHz).

Neue Chip-Ferritperlen von Murata

Störunterdrückung im Fahrzeug

Vishay, Passive Bauelemente.jpg

Passive Bauelemente

Entspannung der Halbleiterlieferkette

Vishay

Multilayer-Chip-Kondensatoren

DC-Bias-Alterung und Kapazitätsdrift

Moderne CPUs, ASICs und FPGAs mit Strom zu versorgen, ist äußerst herausfordernd.Polymer-Aluminium-Elektrolytkondensatoren können die gestellten Herausforderungen meistern

Polymer-Elektrolytkondensatoren

Herausfordernde CPUs, ASICs und FPGAs gut versorgt

Die neuen Chip-Ferritperlen von Murata.

Auf den EV-Sektor ausgerichtet

Murata-Chip-Ferritperlen für 20 A

Vishay

Kondensatoren für Automobilanwendungen

Trau schau wem – Kriterien bei der…

WEKA Fachmedien

Anwenderforum „Passive für Profis“!

Endlich wieder in Präsenz

naypong/stock.adobe.com

Prognose von TrendForce

Preise für Low-End-MLCCs fallen weiter

Passive für Profis

Anwenderforum »Passive für Profis«

Die Highlights des Programms

Markt&Technik

Branche erweitert Kapazitäten

»Der Bedarf wächst exponentiell«

Tomas Ragina/AdobeStock_472968291

Mehr Statements zur Forums-Diskussion

Auswirkungen des Ukrainekrieges

WDI/Vishay

Die Wahrheit liegt zwischen den Zeilen

Datenblätter von Widerständen richtig lesen

.

Spezialist für Passive, Power, Emech

Avnet Abacus wird 50

.

Weiterer Rückschlag für Lieferketten

Erdbeben legt einige Murata-Werke lahm

sewcream/stock.adobe.com

Passive Bauelemente

Expertenrunde erwartet starke Preiserhöhungen

Markt&Technik

Führungswechsel bei Vishay

CEO Dr. Gerald Paul tritt Ende 2022 in den…

Die Komponenten- und die Leistungsdichte auf modernen Platinen nehmen weiter zu, wird das Wärmemanagement immer wichtiger. Die SMD-Widerstände ihre vorgeschriebenen Betriebstemperaturgrenzen nicht überschreiten.

Oberflächenmontierte Bauteile

Wärmewiderstände im Griff haben

Verwandte Artikel

Bourns AG European Headquarters, Avnet Abacus, FUTURE ELECTRONICS Deutschland GmbH