Mit einer sehr guten Kundennachfrage sind die Spezialisten für passive Bauelemente ins neue Jahr gestartet. Geholfen hat dabei auch die wieder verbesserte Verfügbarkeit von Commodities. Diese Entspannungsphase könnte aber Mitte des Jahres vorbei sein, wenn sich Asiens Consumer-Elektronik erholt.
Überfluss statt Allokation – seit Asiens Konsumelektronik-Industrie mit deutlichen Nachfrageeinbrüchen kämpft, hat sich die Liefersituation für passive Bauelemente deutlich entspannt. »Seit Ende letzten Jahres herrscht im Commodity-Bereich fast ein Überfluss an passiven Bauelementen«, beschreibt Jean von Redwitz, Sales Director EMEA Passive Components bei Future Electronics, den dramatischen Wandel in den letzten Monaten. »Neben den etablierten Lieferwegen sind chinesische Distributoren hier in Europa aktiv geworden und haben Abnehmer für Commodities gesucht, die auf dem chinesischen Markt derzeit nicht benötigt werden.«
Während Asien im Bereich Konsumelektronik derzeit ein Problem darstellt, wie auch Maximilian Jakob, Director Sales in der Device Solution Business Division bei Panasonic Industry Europe, auf dem diesjährigen Forum »Trends bei passiven Bauelementen« der Markt&Technik bestätigt, stellen Europa und Nordamerika bei vielen Herstellern und Distributoren passiver Bauelemente derzeit die einzigen Wachstumsbereiche dar. Ein entscheidender Grund dafür dürfte sein, dass angesichts der Corona-Pandemie und des russischen Überfalls auf die Ukraine noch im Herbst letzten Jahres Wirtschaftsexperten von einer Rezession unter anderem in Europa ausgegangen waren.
»Unsere Erwartung war ja, es gibt eine Rezession«, bestätigt denn auch Ferdinand Leicher, Vice President Sales EMEA bei Bourns, »aber genau das Gegenteil war der Fall!« Für ihn war der Januar in Europa brilliant, Februar und März waren ok. »Aus unserer Sicht haben wir in den ersten zweieinhalb Monaten dieses Jahres unsere Erwartungen sowie das Vorjahr bereits übertroffen«, pflichtet auch Olaf Lüthje, Senior Vice President Marketing Operations bei Vishay, bei. »Wir hatten zwar Wachstum für 2023 budgetiert, aber nicht in diesem Maße.« Da spielt es dann auch keine Rolle mehr, dass die Book-to-Bill unter 1 gesunken ist, da der Backlog immer noch bei über einem halben Jahr liegt.
»In Europa läuft das Geschäft besser als gedacht, weil die rezessiven Einflüsse nicht so zum Tragen gekommen sind, wie das allgemein befürchtet wurde«, bestätigt auch Rüdiger Scheel, Vice President Mobility bei Murata Europe. »Allerdings bin ich etwas enttäuscht vom bisherigen Revival des Automotive-Geschäfts; ich dachte, durch die bessere Verfügbarkeit von Halbleitern würde da jetzt irgendwann der Knoten platzen.« In anderen Bereichen scheint die besser werdende Verfügbarkeit von Halbleitern dagegen durchaus stimulierende Wirkung zu haben. »Wir sind sehr gut ins Jahr 2023 gestartet, weit über den Plänen, die wir hatten«, versichert Joachim Pfülb, Vice President Sales Components bei Beck Elektronik Bauelemente. Aber: »Während die MLCCs problemlos verfügbar sind, macht speziell die Verfügbarkeit von Alu-Elkos und Hybrid-Polymer-Kondensatoren schon wieder Schwierigkeiten.«
»Alles, was spezialisiert oder spezifisch ist, ist immer noch sehr eng bei den Lieferungen«, stellt denn auch Hagen Götze, Senior Director Marketing bei Avnet Abacus, fest. »So gibt es noch Allokationen bei speziellen Bauteilen wie etwa Automotive-MLCCs oder speziellen Polymer-Kondensatoren.« Letztlich geht es nach seinem Eindruck nach wie vor rauf und runter: »Es gibt sowohl signifikante Preiserhöhungen am Markt, aber auch signifikante Preissenkungen.« Dass sich die Situation in Europa derzeit so gut darstellt, hat auch für ihn mit den unsicheren Erwartungen Ende des letzten Jahres zu tun: »Diese Befürchtungen haben sich als unbegründet erwiesen; stattdessen hat sich bewahrheitet, dass es in Europa nach wie vor einen starken Bedarf, vor allem im OEM-Bereich, gibt.«
Bleibt die Frage, wie lange diese Situation andauern wird. So lange, bis der Consumer-Markt in Asien und speziell in China wieder anspringt, so die einstimmige Antwort der beim Forum versammelten Branchenexperten. Jakob legt sich bei der Frage, wann der Umschwung beginnen wird, fest: »Wir gehen davon aus, dass es ab März wieder anziehen wird«. Den Peak erwartet der Panasonic-Manager für den Konsumgüterbereich dann im Juni dieses Jahres; »bei Laptops und Personalcomputern gehen wir dagegen davon aus, dass dort die Nachfrage noch mindestens bis Ende des Jahres niedrig sein wird«. Als wichtigen Grund für seine Einschätzung nennt er das Interesse der chinesischen Regierung um Staatspräsident Xi Jinping an »Normalität«, die eben auch durch gestärkten Konsum angestrebt werde.
Wird all dies Auswirkungen auf die Preisentwicklung bei passiven Bauelementen in diesem Jahr haben? »Als Distributor würde ich mir Preissenkungen wünschen«, versichert Andreas Gehrke-Kowol, zuständig für Controlling und Purchasing PEMCO bei Schukat electronic. »Aber das dürfte vorerst Wunschdenken bleiben. Wenn überhaupt, dann gibt es wohl erst in der zweiten Jahreshälfte eine Chance für leichte Preisreduzierungen.« Auch Lüthje wünscht sich aus Herstellersicht durchaus eine Preissenkung, »aber angesichts der derzeitigen Kostensituation werden sich die Preise aus unserer Sicht vorerst stabilisieren, und wenn die Consumer- und Computer-Industrie wieder Gas gibt, werden die Preise wieder eher steigen als sinken«.
Mehr über die aktuellen Entwicklungen und Trends im Bereich passiver Bauelemente erfahren Sie im Trend-Guide »Elektromechanik & Passive Bauelemente«, der am 30. März erscheint.