Puls treibt sein Indien-Projekt voran

»Vielleicht ist Indien einmal unser größter Produktionsstandort«

15. September 2025, 14:00 Uhr | Engelbert Hopf
Bernhard Erdl, Puls (rechts): »Letztlich müssen sich alle mit den veränderten geopolitischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen auseinandersetzen. Mit dem Standort Indien verbessern wir unsere Wettbewerbsfähigkeit und erhöhen die Chance, unseren Gruppenumsatz bis 2030 auf 400 Millionen Euro zu steigern.«
© Componeers GmbH

In China und Tschechien fertigt Puls schon Stromversorgungslösungen für den Weltmarkt, nun treibt Puls-Gründer und CEO Bernhard Erdl den Aufbau des Produktionsstandortes Indien voran. Von Trumps aktueller Zollpolitik lässt er sich dabei nicht beirren. Er setzt auf die Vorteile des Subkontinents. 

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Markt&Technik: Herr Erdl, Sie haben sich angesichts der geopolitischen Spannungen der letzten Jahre frühzeitig Gedanken vor allem über eine Ergänzung zu Ihrem Fertigungsstandort in China gemacht. Wie sieht es derzeit aus?

Bernhard Erdl: Ja, wir haben vor drei Jahren begonnen, uns mit der Frage zu beschäftigen, wie wir auf die geopolitischen Veränderungen reagieren. Schließlich verfolgen auch viele unserer Kunden eine China+1-Politik. Nach einem längeren Auswahlprozess fiel unsere Wahl dann vor zwei Jahren auf Indien. Im nächsten Schritt analysierten wir die verschiedenen Regionen Indiens und entschieden uns für Chennai, das ehemalige Madras, im südlichen Bundesstaat Tamil Nadu, ein Bundesstaat, der als investoren- und businessfreundlich gilt.

Wann wollen Sie dort mit dem Bau der eigenen Fertigung beginnen?

Wir verfolgen in Indien eine zweigleisige Strategie. Wir beginnen dort mit einem Contract-Manufacturer. Diesen Partner haben wir inzwischen gefunden. Er installiert momentan noch spezielles Fertigungsequipment, da wir auf Löten unter Stickstoff bestehen. Dazu bringen wir noch spezielles Testequipment für Stromversorgungen nach Chennai, das so bei Elektronikherstellern naturgemäß nicht vorhanden ist. Ein erster Testlauf hat gute Ergebnisse geliefert. Wir sind sehr optimistisch.

Und wann beginnen Sie dann mit dem Bau der eigenen Fertigung?

Wir werden erst einmal mieten. Diese Vorgehensweise haben wir in der Vergangenheit auch in China verfolgt. Voraussichtlich im 3. Quartal 2026 wollen wir dort mit der Fertigung im kleinen Maßstab beginnen. Der Contract Manufacturer wird bereits Ende dieses Jahres mit der Fertigung beginnen. Produziert wird dann im Knock-Down-Verfahren, es werden also bereitgestellte Produktions-Kits dort zusammengebaut. Im ersten Schritt werden wir beispielsweise Produkte der Piano-Reihe in Indien produzieren. Den Hochlauf unserer eigenen Produktion erwarte ich dann für 2027/28.

Wie schnell wollen Sie von gemieteten Räumlichkeiten zu einer eigenen Fabrik übergehen, die sich getreu den bisherigen Fertigungsstätten ja schon rein äußerlich von sonstigen Elektronik-Fabriken unterscheiden dürfte?

Ich gehe nicht davon aus, dass der Baubeginn vor 2027/28 erfolgen wird. Ein Bezug dieser eigenen Fabrik dürfte dann wohl 2030 möglich sein. Ich nehme an, dass wir bis dahin insgesamt 15 bis 20 Millionen Euro in den Puls-Produktionsstandort Indien investiert haben werden.

Sie haben immer davon gesprochen, dass ein passendes Ökosystem für eine solche Ansiedelung notwendig wäre. Ein Grund, warum Sie beispielsweise den Bau eines Werkes in den USA aktuell nicht erwägen. Gibt es dieses Ökosystem in Indien?

Eine nennenswerte Industrie zur Fertigung von aktiven und passiven Bauelementen existiert derzeit in Indien noch nicht, aber Leiterplatten, magnetische Komponenten, Metall- und Plastikteile, die wir benötigen, gibt es in Indien durchaus. Diese Komponenten sind im Allgemeinen schwer und haben einen hohen Kostenanteil. Der Aufwand, die benötigten Chips einzufliegen, ist verglichen damit gering. Und ich gehe davon aus, dass sich Indien dynamisch zu einem Fertigungsstandort für elektronische Bauelemente entwickeln wird.

Indien war bislang nicht unbedingt ein klassischer Standort für Stromversorgungsproduktion. Was bedeutet das für die Suche nach dem geeigneten Personal?

Von den Big Playern kennen wir bislang nur Delta Electronics und Mean Well Indien mit einem Produktionsstandort. Aber wir können problemlos Mitarbeiter von anderen Elektronikproduktionen einsetzen. Da gibt es schon einen großen Pool an qualifizierten Managern und Mitarbeitern. Unseren General Manager, der lange Jahre Erfahrung bei General Electric Power Conversion und Danfoss vorweisen kann, haben wir aus mehr als 1500 Bewerbern ausgewählt. Ähnliches gilt für die Verantwortlichen für Qualität und Materiallogistik. Unser Mann für Sales in Indien hat langjährige Erfahrung mit dem Vertrieb von hochwertigen PV-Invertern von Delta Electronics und hat Solar Edge in Indien aufgebaut. Aktuell wird unser Indien-Team in Europa trainiert.

Indien bietet sicher viele Optionen, auf der anderen Seite gibt es auch dort hinderliche Verstrickungen zwischen Politik und Wirtschaft. Ein anderes Problem scheint der zunehmende Hindu-Nationalismus für die Entwicklung des Landes zu sein.

Ich habe mich vor Kurzem mit einem ehemaligen Siemens-CEO über dieses Thema unterhalten. Er hat die Wirtschaftsethik dort sehr kritisch gesehen, meinte aber auch, dass es regional auf dem Subkontinent Indien durchaus große Unterschiede gebe. Ich glaube, dass sich die angesprochenen wirtschaftlichen und politischen Verflechtungen vor allem auf große Investments und internationale Player beziehen, als mittelständisches europäisches Unternehmen fliegen wir da quasi unter dem Radar. Und der Hindu-Nationalismus, die möglichen Probleme, die er mitbringen kann, scheinen im Süden nicht so ausgeprägt zu sein, wie im Norden des Landes.

Ist Ihr Werk eigentlich in einer Sonderwirtschaftszone angesiedelt? Produziert Puls dort nur für den Export, oder können Sie von dort aus auch den indischen Markt bedienen?

Unsere Hauptmotivation ist, kostengünstig den amerikanischen Markt zu bedienen, ohne die hohen Zölle für Made in China bezahlen zu müssen und ohne die hohen Kosten einer europäischen Fertigung. Deshalb liegt unser Standort in einer Free Trade Zone. Bei einer Lieferung nach Indien fallen dann indische Importzölle an. Sobald das Umsatzvolumen in Indien groß genug ist, können wir natürlich eine Fertigung außerhalb einer Free Trade Zone aufbauen. Das ist leichter, wenn wir schon über eine Organisation vor Ort verfügen.

Wenn die Fertigung in Indien einmal läuft, werden Sie an drei Produktionsstandorten in Großserie fertigen: Tschechien, China und Indien. Wie soll die Anteilsverteilung zwischen den drei Werken einmal aussehen – eine Drittelung?

Das hängt wohl entscheidend von den Gesamtkosten ab, und Zölle sind ein wichtiger Kostenblock. Ich gehe derzeit davon aus, dass unsere Fertigung in Indien 2028/29 durchaus bereits bis zu 20 Prozent zu unserem Gruppenumsatz beisteuern kann. Indien ist ein bisschen wie eine Wundertüte, vielleicht ist Chennai in einigen Jahren unsere weltweit größte Produktion, vielleicht liefert sie aber auch nur 10 Prozent für den Gruppen-Umsatz. Wir stehen noch am Anfang unseres Indien-Engagements.

Sie sprachen den Puls-Gruppenumsatz an. Welches Umsatzziel verfolgen Sie aktuell für 2025 noch? Welches Ziel haben Sie sich für 2030 gesetzt?

Ich gehe davon aus, dass es uns gelingen wird, als Gruppe einen Umsatz von rund 250 Millionen Euro zu erzielen. Für 2030 würde ich dann schon erwarten, dass wir auf ein Umsatzvolumen von 400 Millionen Euro zusteuern.

Gerade erst hat US-Präsident Trump noch einmal klargemacht, dass er auf Exportzölle aus Indien in die USA von 50 Prozent besteht. Macht Ihr Engagement in Indien unter diesem Aspekt überhaupt noch Sinn?

Ich würde sagen ja, wir haben überhaupt keine andere Chance, wenn wir international in einer sich verändernden Politik- und Wirtschaftswelt überleben wollen. Wenn man auf die Wirtschaftsgeschichte der letzten Jahrhunderte blickt, sieht man, dass Wirtschaftskriege und Abschottung durch Zölle und andere Maßnahmen der Normalzustand waren. So betrachtet, war die Zeit nach dem zweiten Weltkrieg mit dem globalen Hegemon USA eher die Ausnahme als die Regel. Wir werden uns wohl oder übel vom vertrauten unipolaren oder bipolaren System der letzten Jahrzehnte zu einer multipolaren Weltordnung entwickeln. Jede Region wird sehen müssen, wie sie mit dieser Veränderung zurechtkommt.

Sehen Sie eine Chance, die Umsätze, die in den USA kurz- und mittelfristig wegfallen könnten, durch gesteigerte Aktivitäten in anderen Weltregionen auszugleichen?

Wenn ich ehrlich bin, nicht wirklich. Die USA sind nach wie vor der größte Weltmarkt, nicht nur für unsere Produkte. Natürlich können wir versuchen, das Geschäft in anderen Weltregionen zu intensivieren, so wie wir das seit einigen Jahren beispielsweise in Japan und Korea machen. Aber man muss ehrlicherweise sagen: Wenn wir auf einen Markt kommen, den wir bislang noch nicht intensiv bedient haben, dann sind die chinesischen Anbieter bereits dort! Die Märkte dort haben nicht sehnsüchtig auf uns gewartet, und wir müssen uns als deutsche oder europäische Hersteller stark anstrengen. Das wird kein Spaziergang.

Das dürfte nicht nur für den Weltmarkt gelten. Mit dem zunehmend verschlossenen US-Markt wendet sich China immer stärker Europa zu. Wie nehmen Sie das wahr?

Indem wir hier die riesige chinesische Überproduktion wahrnehmen. Das reicht von Komponenten über Subsysteme bis hin zu kompletten Produkten wie Elektro-Autos. Ich fürchte, das ist aktuell nur der Anfang. Aber um es ganz klar zu sagen: Mit diesen geopolitischen Veränderungen und der Zollproblematik müssen alle Anbieter zurechtkommen, das macht es allen schwer, und unsere Aufgabe besteht vor allem darin, sich in dieser Lage so gut wie möglich zu behaupten.

Abschließend Ihr Ausblick für 2026: Rechnen Sie mit einer globalen Erholung, mit einem Abklingen des Zoll-Themas und einer Rückkehr zur Normalität?

Normalität, wie wir sie vor der zweiten Präsidentschaft von Trump gekannt haben, wird es in der Form auf absehbare Zeit wohl nicht mehr geben. Europa, auch das mussten wir feststellen, ist nicht so stark, wie wir geglaubt haben. Europa hat der Zollerpressung nachgegeben, weil vor allem die deutsche Automobilindustrie um ihr US-Geschäft fürchtete. Das EU-Mercosur-Abkommen andererseits kommt nicht voran, weil Frankreich seine Landwirtschaft schützen will. Fazit: Nicht nur die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen haben sich verändert; wir werden neue Wege beschreiten und uns von Liebgewordenem trennen müssen. Welche Konsequenzen das für die hochwertige und hochpreisige, veredelnde deutsche Industrie hat, werden wir sehr bald sehen.


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