Ein langsamer Lagerabbau bei den Kunden, ein weiter hohes Zinsniveau und damit niedrige Investitionsbereitschaft drücken 2024 noch auf die Auftragsbücher der Branche. Ihr Hauptziel: eine Verbesserung der Konkurrenzfähigkeit, um den erwarteten Marktaufschwung 2025 weltweit nutzen zu können.
Vor einem Jahr hatte der eine oder andere Teilnehmer des traditionellen Stromversorgungs-Roundtable der Markt&Technik eine zurückkehrende Allokation für den Herbst 2024 für möglich gehalten. Aktuell deutet darauf wenig hin, vielmehr drückt der Lagerabbau bei den Kunden vielerorts noch immer auf die Auftragsbücher, und auch die erste Zinssenkung der EZB seit Jahren hat nicht dazu geführt, dass in der Industrie nun lang aufgeschobene Investitionen ins Werk gesetzt würden. Hoffnungen machen sich die Power-Spezialisten für 2025; ihr Optimismus gründet sich darauf, dass dann endgültig die Läger abgebaut sein dürften und die Kunden wieder regelmäßig für den Produktionsfortschritt bestellen würden.
Die Teilnehmer des Forums |
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Karsten Bier, CEO, Recom-Gruppe |
Uwe Daro, Produktmanager, Fortec Power |
Bernhard Erdl, Gründer und CEO der Puls-Gruppe |
Kai Heinemann, Geschäftsleiter Entwicklung, Block Transformatoren-Elektronik |
Steffen Heinrich, Segment Manager Railway, MTM Power |
Nico Kagel, Regional Sales Director Central Europe, XP Power |
Reinhard Kalfhaus, Gründer und Geschäftsführer, Syko Gesellschaft für Leistungselektronik |
Hermann Püthe, Geschäftsführender Gesellschafter, inpotron Schaltnetzteile |
Martin Tenhumberg, Geschäftsführer, Traco Power Deutschland |
Oliver Walter, Mitgründer und CEO, Camtec Power Supplies |
Thomas Widdel, Geschäftsführer, Eplax |
»Ich würde 2024 als einen kleinen Schritt hin zur Normalität bezeichnen«, bringt Martin Tenhumberg, Geschäftsführer von Traco Power Deutschland, seine Erfahrungen in den ersten sechs Monaten dieses Jahres auf den Punkt. »Wenn man regelmäßig mit den Kunden spricht, wird klar, dass die Lichter langsam wieder heller werden, die ersten Branchen ziehen wieder an.« Für Traco Power, so sein vorläufiges Fazit für 2024, »gehen wir davon aus, dass wir in diesem Jahr gut wachsen werden«.
Für Nico Kagel, Regional Sales Director Central Europe bei XP Power, «ist 2024 ganz klar ein Übergangsjahr. Wir haben unsere Lager abgebaut und wir registrieren seit Jahresbeginn einen verhaltenen Auftragseingang, der von Quartal zu Quartal weiter steigt«. Ob der große Boom, der von einigen vorhergesagt wird, noch in diesem Jahr einsetzen wird, erscheint ihm allerdings fraglich. »Auf jeden Fall sehen wir bei den Kunden eine starke Zunahme neuer Projekte. Aus diesem Grund ist unsere Pipeline speziell in Mitteleuropa gefüllt wie noch nie zuvor.«
»Ich glaube, wenn die Wirtschaft etwas lahmt, sind viele Leute in Unternehmen gezwungen, Kosten zu sparen, und dadurch werden neue Projekte gestartet«, meint Kai Heinemann, Geschäftsleiter Entwicklung bei der Block Transformatoren-Elektronik. »Da Entwicklungsabteilungen ja immer antizyklisch unterwegs sein sollten, ist darum auch unsere Pipeline gefüllt mit neuen Projekten.«
»Da ist derzeit viel in Bewegung«, berichtet auch Uwe Daro, Produktmanager bei Fortec Power. »Viele R&D-Projekte, die während der Corona-Zeit auf Eis gelegt wurden, werden jetzt neu aufgesetzt, allerdings hinken die Investments dieser Entwicklung noch hinterher«, bemängelt er. Für ihn ist die aktuelle Situation von drei Cs geprägt: Change, Chance und Challenge. »Wir sehen, dass sich am Markt viel verändert hat, der Markt ist eng und schwierig, wir müssen uns dort neu positionieren und die Dinge, die sich verändert haben, aufgreifen.«
»Eine Glaskugel wäre aktuell für 2024 nicht schlecht«, meint Oliver Walter, Mitgründer und CEO der Camtec Power Supplies. »Allein wenn ich Europa betrachte, hat sich das alte, klassische Nord-Süd-Gefälle inzwischen umgekehrt, wir haben aktuell mehr Aufträge aus dem Süden als aus dem Norden.« Mit Blick auf seine aktuelle Book-to-Bill von 1,05 geht er davon aus, »dass die Umsätze in diesem Jahr wohl fallen werden«. Die Ursache dafür: »Das Verhaltene, die Zurückhaltung merke ich dabei eigentlich weltweit, und wenn man ehrlich ist, passiert in Europa eigentlich noch am meisten.«
Bernhard Erdl, Gründer und CEO der Puls-Gruppe, geht für 2024 von einem einstelligen Wachstum für seine Unternehmensgruppe aus. »Der einzige Lichtblick sind aktuell die USA, da läuft es wirklich gut, auch Südkorea mit verschiedenen Projekten im Bereich Halbleiterwerke und Batteriefabriken sieht noch gut aus.« Auch wenn es stereotyp klingen mag, »die Amerikaner sind einfach dynamischer unterwegs, die haben noch Fortschrittsglauben, und das führt zu Investitionen«.
»Ich stimme Herrn Erdl zu, der Angelsachse ist generell optimistischer und geht eher ins Risiko, während der Europäer, überspitzt gesagt, ein Hasenfuß ist«, meint Karsten Bier, Eigentümer und CEO der Recom-Gruppe. »Aktuell stehen hier noch viele auf der Bremse, weil das Geld teuer ist und damit der Wille zur Investition nicht da ist.« Gleichzeitig liefen aber viele Design-Aktivitäten. »Mit positiverer Stimmung würde sich gleich vieles ändern«, so Bier, warnt aber auch davor, »dass, wenn wir jetzt die Bremse lösen, der Bedarf vielleicht gleich mal um den Faktor 3 oder 4 nach oben schnellt und wir uns wieder in der Allokation befinden«. Sorgen macht ihm der Absatzmarkt China mit den riesigen dort aufgebauten Überkapazitäten in Sachen Charger und Solarindustrie: »Da wird sich vergleichsweise schnell noch rausstellen, was Wunschdenken und Überkapazitäten mit sich bringen.«
»Wenn Politik, Wirtschaft und Banken nicht erklären können, wie sich der Markt entwickeln wird, wie sollen wir es dann können?«, fragt Reinhard Kalfhaus, Gründer und Geschäftsführer der Syko Gesellschaft für Leistungselektronik. »Ich kann nur sagen, wir kriegen mehr und mehr Anfragen, und wir haben uns in den letzten Jahren vier Zulieferer aufgebaut, die für uns in 1000er-Stückzahlen fertigen, und wir haben unseren Umsatz und Auftragsbestand in den letzten zwölf Monaten verdoppelt.« Für 2025 ist es sein Ziel, »die Aufträge, die wir jetzt kriegen, zu Gewinn zu machen«.
»Wir sind in den letzten Jahren gut mit Sonderprojekten in den Bereichen Mobilität und Bahntechnik gewachsen«, blickt Thomas Widdel, Geschäftsführer der Eplax, auf die letzten Jahre zurück und verweist zugleich auf das Sondervermögen von 100 Milliarden Euro, das für die Bundeswehr aufgelegt worden ist: »Da entwickeln wir derzeit tolle Produkte, aber die müssen da verwaltungstechnisch noch in die Puschen kommen; ich gehe davon aus, dass sich das dann für uns wohl erst 2025 niederschlagen wird.« Aufgrund der vollen Pipeline blickt er aber optimistisch in die Zukunft.
Nicht ganz so optimistisch will Hermann Püthe, Geschäftsführender Gesellschafter der inpotron Schaltnetzteile, die Zukunft sehen, und verweist auf die Zahlen des ZVEI: »Im 1. Quartal minus 15 Prozent im Inland und minus 12 Prozent im Ausland, da sind wir alle dabei, und die Zahlen wären ja noch schlechter, wenn es nicht Sondereffekte wie die Bahntechnik oder den Defense-Bereich gäbe.« Es gebe aber nach wie vor auch stabil laufende Märkte wie etwa »Industriekunden, die Infrastruktur vernetzen«. »Das wird uns aber wahrscheinlich nicht davor bewahren, dass wir 2024 mit einem leichten Rückgang werden rechnen müssen«, so Püthe, »vielleicht waren wir aber auch einfach zu verwöhnt von den letzten Jahren«.
Ganz so optimistisch will auch Steffen Heinrich, Segment Manager Railway, bei MTM Power nicht in die Zukunft blicken. »Ich stimme zu, der Bahnbereich läuft gut, aber es gibt andere Bereiche, da sehen wir rückläufige Tendenzen.« Er verweist dabei auf E-Mobility-Aktivitäten abseits des klassischen PKW-Bereichs. »Wir bedienen dort den industriellen Part, der bislang stabil gelaufen ist, aber auch dort registrieren wir nun erste Reduzierungen der Mengen.« Für das Gesamtjahr 2024 könne man bei MTM Power immer noch die Ziele erreichen, die man sich vorgenommen habe; Heinrich bezieht seine Sorge vor allem auf das Jahr 2025.
Ganz so optimistisch will auch Steffen Heinrich, Segment Manager Railway, bei MTM Power nicht in die Zukunft blicken. »Ich stimme zu, der Bahnbereich läuft gut, aber es gibt andere Bereiche, da sehen wir rückläufige Tendenzen.« Er verweist dabei auf E-Mobility-Aktivitäten abseits des klassischen PKW-Bereichs. »Wir bedienen dort den industriellen Part, der bislang stabil gelaufen ist, aber auch dort registrieren wir nun erste Reduzierungen der Mengen.« Für das Gesamtjahr 2024 könne man bei MTM Power immer noch die Ziele erreichen, die man sich vorgenommen habe; Heinrich bezieht seine Sorge vor allem auf das Jahr 2025.
Teilweise amüsiert reagieren die Diskussionsteilnehmer auf die Frage, ob die Leitzinssenkung der EZB um 0,25 Prozentpunkte vor einigen Wochen denn keine positiven Effekte auf den Investitionswillen gehabt habe. »Ich glaube, 0,25 Prozentpunkte sind etwas für Großinvestoren; für den Mittelstand ist das schlicht zu wenig«, meint Daro, Fortec Power. Zusammen mit der Leitzinssenkung darauf hinzuweisen, dass da in naher Zukunft nichts mehr nachkommen werde, hält Daro mit einem Grinsen im Gesicht »für richtig gutes Marketing«.
Heinemann, Block Transformatoren-Elektronik, stimmt ihm zu, »dass das insgesamt einfach zu wenig war. Hätte ich die Wahl zwischen einem Viertelprozentpunkt runter und einem effektiven Bürokratieabbau, hätte ich dazu ein klare Meinung!« Er weist auch darauf hin, dass die Tatsache, dass die Zinssenkung so gering ausgefallen sei, dazu geführt habe, dass die Bauzinsen weiter nach oben gestiegen sind, »weil ja jeder damit gerechnet hat, dass die Zinsen weiter runtergehen würden«. Sein Fazit: »Ich würde sagen, die Leitzinssenkung hat gar nichts gebracht.«
Ganz so negativ will es Bier, Recom, dann doch nicht stehen lassen: »0,25 Prozent, das klingt erst mal nach wenig, für Investmentgesellschaften hat das aber schon einen positiven Effekt, und was wir dringend brauchen, sind positive Signale!« Es sei auch eher ungewöhnlich, dass die EZB mal vor den Amerikanern an der Zinsschraube drehe. Bier gibt aber auch zu, dass ihm die Meldung des Ifo-Instituts, das jetzt von einem Wachstum von 0,4 statt 0,2 Prozent in Deutschland ausgeht, mehr ermutigt habe als der EZB-Beschluss.
Bleibt man bei den prognostizierten Wachstumszahlen in Deutschland für 2025, dann würde ein Wachstum um 1,5 Prozent eine Steigerung des aktuellen um den Faktor 3 bis 4 bedeuten. Was bedeutet das für die Zukunft der deutschsprachigen Stromversorgungsbranche? »Wir bereiten uns darauf vor, dass es 2025 deutlich anzieht«, versichert Daro, Fortec Power; »leider sagt uns die Glaskugel nicht, ob das bereits im 1. Quartal oder zum Ende des ersten Halbjahres passieren wird«.
»So sicher, wie eine Krise irgendwann kommt, geht sie auch mal zu Ende«, meint Heinemann, Block Transformatoren-Elektronik, »und man muss auch ganz klar sagen: Wenn man sich den Auftragseingang anschaut, dann ist die Talsohle definitiv bereits durchschritten«. Der technische Fortschritt gehe schließlich weiter, »neue Anlagen und Maschinen müssen schließlich gebaut werden, und das wird sich in einem Marktaufschwung niederschlagen«.
»Die Kunden müssen schließlich irgendwann wieder regelmäßig bestellen, weil ihre Läger leer sind«, versichert Kagel, XP Power; »vor diesem Hintergrund gehen wir aktuell davon aus, dass 2025 ein deutlich besseres Jahr als 2024 sein wird«. Erdl, Puls, sieht vor allem zwei Gründe für die verbesserte Situation im nächsten Jahr: »Zum einen wird der Lagerabbau dann endgültig abgeschlossen sein, und die zuvor bereits genannten vollen Projekt-Pipelines werden dann zum Tragen kommen.« Ob all die neuen Projekte jedoch schon 2025 ins Volumen gehen werden, erscheint ihm eher fraglich.
An der herausfordernden Grundsituation, dass sich die deutsche Wirtschaft und damit auch die Elektronikbranche trotz eines verbesserten Wirtschaftswachstums im nächsten Jahr verstärkt einem international schärfer werdenden Wettbewerb stellen muss, steht für die Diskussionsteilnehmer außer Frage. Erdl erinnert dabei an einen Wirtschaftsvortrag, den er bereits vor sieben Jahren gehört habe »und in dem damals schon darauf hingewiesen wurde, dass Deutschland und Südkorea an Position 1 und 2 stehen bei der Frage, wer am stärksten unter einer bevorstehenden Deglobalisierung leiden werde«.
»Wir müssen uns die Wachstumsmärkte der Zukunft anschauen, dort spielt die Musik«, versichert auch Bier, Recom. »Neben China ist da Südostasien super interessant, mit 2,5 Milliarden Menschen, die Hälfte davon ist unter 30 Jahre alt.« Um solche Märkte bespielen zu können, »muss man aber zuerst einmal in China konkurrenzfähig sein; wer das nicht ist, wird in Zukunft global große Schwierigkeiten bekommen«.