Auftragseingang in der Stromversorgung

»Eine Normalisierung, keine Rezession«

26. Juni 2023, 15:00 Uhr | Engelbert Hopf
Nach dem Ausnahmejahr 2022 konstatieren die versammelten Stromversorgungsexperten aktuell eine Normalisierung der Auftragslage, von Rezession könne aber keine Rede sein.
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Bremsspuren im Auftragseingang. Die konjunkturelle Abkühlung schlägt sich nach dem Ausnahmejahr 2022 nun auch in den Auftragsbüchern der Stromversorgungsspezialisten nieder. Mit Preisreduzierungen, gar auf das Niveau der Vor-Corona-Zeit ist jedoch nicht zu rechnen.

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Auftragsverschiebungen ja, aber keine Auftragsstornierungen – auf dieses klare Fazit konnten sich die Teilnehmer des diesjährigen Forums Stromversorgung der Markt&Technik einigen. Wie extrem die Ereignisse der vergangenen sechs Monate in der Stromversorgungsbranche der offiziellen Definition einer Rezession widersprechen, zeigen etwa die Beispiele Traco Power und Block Transformatoren-Elektronik. Sowohl Kai Heinemann, General Manager Development &Product Management bei Block, als auch Sebastian Fischer, Geschäftsführer bei Traco Power Deutschland, sprechen in Bezug auf das 1. Quartal 2023 von Rekordwerten, teils vom besten Quartal der bisherigen Firmengeschichte.

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Kai Heinemann, Block Transformatoren-Elektronik: »Es gibt Kunden, die hatten für 2023 Bedarfssteigerungen von 80 Prozent rausgegeben. Wenn sich dieser Forecast jetzt auf 50 Prozent reduziert, ist das eine Verlangsamung, aber keine Rezession.«
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»Wenn es Bremsspuren gibt«, so Fischer, »dann in Bezug auf den Auftragseingang, wir müssen uns aber auch alle klar darüber sein, dass 2022 ein Ausnahmejahr war«. »Es gibt Kunden, etwa aus dem Bereich All-Electric-Society, die haben uns im vergangenen Jahr einen Forecast gegeben, der für 2023 ein Bedarfsplus von 80 Prozent vorsah«, erläutert Heinemann die Situation, »wenn die jetzt aktuell nur ein Bedarfswachstum von 50 Prozent erreichen, dann ist das natürlich eine Verlangsamung, aber noch lange keine Rezession«.

Für Karsten Bier, Inhaber der Recom Power, lautet die aktuell entscheidende Frage: »Wo befinden wir uns im derzeitigen Zyklus? Natürlich sind die Bookings zurückgegangen«, so Bier, »aber was davon, was wir in den vergangenen Monaten produziert und verkauft haben, wurde tatsächlich verbaut, und was wurde aufs Lager gelegt?“. Die aktuellen Bookings hätten Auswirkungen auf das nächste Jahr, »und da stellt sich natürlich die Frage, wann ist dieser Negativzyklus wieder vorbei?«. In den USA, so Bier, gehe man aktuell davon aus, dass der Negativzyklus der Bookings im 4. Quartal dieses Jahres enden wird. »Ich gehe deshalb davon aus, dass die Bookings wohl spätestens ab dem 1. Quartal 2024 wieder anziehen werden.«

Bier Karsten
Karsten Bier, Recom Power: »Natürlich sind die Bookings gegenüber 2022 zurückgegangen, die entscheidende Frage ist aber, wann erreichen wir das Ende dieses Negativzyklus? Aktuell sieht es so aus, als ob die Bookings ab dem 4. Quartal 2023, spätestens dem 1. Quartal 2024 wieder anziehen würden.«
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Dass eine aktuelle Book-to-Bill von 0,6 absolut nichts Katastrophales sein muss, versichert Bernhard Erdl, Gründer und Geschäftsführer der Puls-Gruppe: »Unsere Book-to-Bill liegt für die ersten fünf Monate dieses Jahres bei 0,6, das ist aber deshalb nicht dramatisch, weil wir es geschafft haben, unsere Auslieferungen ab Fabrik um 40 Prozent zu erhöhen«. Puls, so Erdl, sei immer noch dabei, den Überhang des Auftragsbestandes abzuarbeiten. »Das Schöne ist, wir konnten wieder zu unserem ursprünglichen Geschäftsmodell der Lieferung ab Lager zurückkehren«, freut sich Erdl, »vor einem Jahr haben wir noch Aufträge mit Vorlaufzeiten von einem bis zu zwei Jahren erhalten. Jetzt sieht der Kunde, ich muss nicht mehr so weit im Voraus bestellen, das führt natürlich zu einem niedrigeren Auftragseingang«.

Aus Sicht von Tobias Hübner, Head of Sales EMEA bei TDK-Lambda, sollte man die Phase der Pandemie bei Vergleichen der aktuellen Situation mit der in den vergangenen Jahren am besten ausblenden. »Dass was in dieser Phase passiert ist, war toll, aber schwierig.« Aktuell seien die Kunden gezwungen zu reagieren, wenn sich ihre Läger immer mehr und mehr füllen. »Je kundenspezifischer, desto weniger ist das der Fall, aber bei Standardprodukten lässt sich das ganz klar beobachten, und umso schneller wird dort reagiert“. In der Konsequenz agieren die Kunden zurückhaltender, aber das sei normal. »Rezession ist für mich da einfach ein zu starkes Wort«, so Hübner, »wir durchlaufen eine Normalisierung, eine Anpassung, in der noch nicht klar ist, wie es weitergeht«.

Erdl Bernhard
Bernhard Erdl, Puls: »Eine Book-to-Bill von 0,6 muss nicht schockierend sein, wenn es gleichzeitig gelingt, die Auslieferungen ab Fabrik um 40 Prozent zu steigern. Wir haben es geschafft, wieder zu unserem ursprünglichen Geschäftsmodell – Lieferung ab Lager zurückzukehren.«
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Ist diese Entwicklung global oder gibt es regionale Unterschiede? »Im Grunde verläuft die Entwicklung weltweit gleich«, so die Einschätzung von Nico Kagel, Regional Sales Director Central Europa bei XP Power, »aber jede Kontinentalregion hat dabei ihre ganz eigenen, speziellen Themen«. Blickt er in die USA, dann sein XP Power dort mit seinen Stromversorgungslösungen stark im Bereich der Halbleiterfertigung engagiert. LAM Research und Applied Materials zählten dort zu den größten Kunden des Unternehmens. »Natürlich hängen wir damit dort stark von den Zyklen in der Halbleiterbranche ab«, so Kagel, »aber wenn dort massiv in den Auf- und Ausbau der Halbleiterbranche investiert wird, profitieren wir natürlich davon. Insofern hilft uns der US-Chips Act in den USA ganz sicher, wir profitieren aber auch davon, wenn unsere US-Kunden in den nächsten Jahren wie angekündigt auch weitere Werke außerhalb der USA errichten werden«.

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Tobias Hübner, TDK-Lambda: »Die Kunden sind zurückhaltender, sie sind gezwungen zu reagieren, wenn sich ihre Läger füllen. Je kundenspezifischer, desto weniger ist das der Fall, aber im Standardbereich reagieren sie dafür umso schneller.«
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Ein weiterer Punkt, bei dem unter den Diskussionsteilnehmern weitgehende Einigkeit herrschte, war die Frage, wie sich die Preisentwicklung im Stromversorgungsbereich 2023 und voraussichtlich auch 2024 gestalten wird. Vor dem Hintergrund der Preiserhöhungen während der Corona-Phase, rechnet keiner der Diskussionsteilnehmer damit, dass die Preise wieder nachgeben könnten. Material- und Arbeitskosten ließen sich nicht auf die Vor-Covid-Zeit zurückdrehen. Vor diesem Hintergrund und den anhaltend hohen Inflationsraten weltweit, schließen sie für 2023 weitere Preiserhöhungen nicht aus. Auch für 2024 spricht aus Sicht der Diskussionsteilnehmer bislang nichts für wieder sinkende Preise im deutschsprachigen Stromversorgungsmarkt.


Mehr über die aktuellen Entwicklungen und Trends auf dem deutschsprachigen Stromversorgungsmarkt lesen Sie im Trendguide »Stromversorgung&Powermanagement«, der am 21. Juli dieses Jahres auch als E-Paper erscheint.


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