Einmal mehr hat Murata unter Beweis gestellt, wie weit sich die Miniaturisierung von Keramik-Vielschichtkondensatoren noch vorantreiben lässt: Mit einem MLCC der Baugröße 006003 stellt das Unternehmen eine Weltneuheit vor.
Mit einem L-Cancel-Transformer definiert Murata zudem die Störunterdrückung von Stromversorgungen neu.
Kleiner, kompakter, und noch mal kleiner – Miniaturisierung bestimmt seit Jahrzehnten die technische Entwicklung im Bereich passiver Bauelemente und ganz besonders im Segment der Keramik-Vielschichtkondensatoren (MLCCs). Vielleicht erinnert sich der eine oder andere noch daran, dass spätestens mit der Markteinführung der Baugröße 0402 und ganz sicher der Baugröße 0201 ernsthafte Diskussionen darüber ausbrachen, ob eine weitere Miniaturisierung überhaupt noch möglich sei, weil damals Zweifel aufkamen, ob die Bestückungsmaschinen überhaupt in der Lage wären, noch kleinere Bauteile zuverlässig auf der Leiterplatte zu platzieren.
Die Abmessungen eines 0402-Chips betragen rund 1 mm × 0,5 mm. Mit der Bauform 008004 (wurde von Murata 2014 auf den Markt gebracht) wurde dann die Größe 0201 noch einmal unterboten, und jetzt stellt Murata als Weltneuheit den ersten MLCC im 006003-Format vor. Ein Bauelement, das eine Länge von 0,16 mm und eine Breite sowie Höhe von 0,8 mm aufweist. Trotz dieser minimalen Abmessungen bildet der MLCC seine physikalische Funktion zuverlässig ab. Mit seiner kompakten Bauweise weist der neue Keramik-Vielschichtkondensator ein um ungefähr 75 Prozent geringeres Volumenverhältnis als der bislang kleinste MLCC im 008004-Format.
Mit fortschreitender Intelligenz der elektronischen Geräte hat über die letzten Jahre auch die Anzahl der MLCCs zugenommen, die in Elektronikprodukten jeglicher Art zum Einsatz kommen. So kommen etwa in den Smartphones der neuesten Generation bis zu 1000 hochminiaturisierte MLCCs zum Einsatz. Neben Smartphones dürften die neuen 006003-MLCCs zukünftig vor allen in Wearables Verwendung finden.
Als Technologie- und Marktführer im Bereich der Keramik-Vielschichttechnologie hatte Murata bereits zur Jahresmitte ein anderes Bauteil vorgestellt, das in seiner Art bislang einzigartig ist, den »L-Cancel-Transformer«, kurz: LCT. Dieses Produkt ist in der Lage, die Ersatzserieninduktivität (ESL) eines Kondensators zu neutralisieren und damit seine Entstörfähigkeiten zu optimieren. Je stärker die Nachfrage nach miniaturisierter und hochgradig funktionaler Elektronik wächst, umso mehr rückt in vielen Anwendungsbereichen das Problem der elektromagnetischen Störgrößen in den Vordergrund.
Muratas LCT stellt nun eine ganz neue Herangehensweise bei der Bewältigung dieser Probleme dar – einerseits die Störgrößen aus der Stromversorgung in den Griff zu bekommen und anderseits die Zahl der dafür benötigten Kondensatoren nicht ausufern zu lassen. So ist der LCT eigens dafür ausgelegt, Störgrößen in einem Frequenzbereich von wenigen Megahertz bis zu einem Gigahertz zu minimieren. Erreicht wird dies mithilfe negativer gegenseitiger Induktivität, was die Ersatzserieninduktivität eines Entstörkondensators verringert und damit dessen Effektivität steigert. Dadurch reduziert sich die Zahl der benötigten Kondensatoren drastisch!
Mit nichtmagnetischer Keramik-Vielschichttechnologie hergestellt, bürgt der Baustein für eine stabile negative Induktivität und einen niedrigen Gleichstromwiderstand von maximal 55 mΩ, selbst bei wechselnden Stromstärken. Einsetzbar sind LCTs bis zu einer Temperatur von 125 °C, und da es keine Gleichstromüberlastung gibt, sind sie bis zu 3 A mit stabiler negativer Induktivität einsetzbar. In oberflächenmontierbaren Gehäusen mit Maßen von 2 mm × 1,25 mm 0,95 mm realisiert, werden die Bauteile gegurtet auf Rollen ausgeliefert.
Die Vorteile des Einsatzes eines solchen Bauteils im Stromversorgungsbereich macht Zlatko Pavlovic, Business Development Manager für Power Conversion Products bei Murata, mit einigen Hinweisen noch einmal deutlich: »Der L-Cancel-Transformer reduziert die ESL im angeschlossenen Entkopplungskondensator und die in der Plantine etwa durch Durchgangslöcher erzeugte ESL vom Anschluss auf der Ground-Seite zur Ground-Schicht des Mehrschicht-Keramikkondensators. Auf diese Weise maximiert die Komponente die Rauschunterdrückungsleistung des MLCC und unterdrückt das Rauschen in Hochfrequenzbändern erheblich.« Einsatzmöglichkeiten für die neuartigen Bauteile sieht er derzeit vor allem in verschiedenen Konsumgüter- und Industriebereichen wie Kameras und WiFi-Geräte, aber auch in der Sensortechnik.
Wie sehen renommierte Stromversorgungsspezialisten im deutschsprachigen Raum diese Neuentwicklung? Aus Sicht von Ulrich Schwarz, Sales Director bei TDK-Lambda Germany, »bietet die Technologie in ihrer jetzigen Form vor allem Vorteile für DC/DC-Wandler und POLs mit kleiner Leistung. Da die Bauteile derzeit auf niedrige Spannungen und Ströme bis maximal 3 A ausgelegt sind, macht sie das für größere Leistungen von Netzteilen noch ungeeignet«. Für Schwarz ist die Technologie aber sehr interessant, »vor allem, wenn in Zukunft stärkere Varianten verfügbar sein werden«.
Für Uwe Daro, Produktmanager bei Fortec Power, klingt die Technik interessant, »es wird sich zeigen, ob sie sich in der Praxis weit verbreiten wird«. Er geht davon aus, dass ihr Einsatz wie immer von einer Abschätzung der Kosten gegenüber dem Nutzen abhängig sein wird. »Wenn der Einsatz dieses Bauteils zu einer Einsparung bislang benötigter Bauteile führt, ist es natürlich im Sinne der Ressourcenschonung und des Umweltschutzes, einen Schritt in diese Richtung zu tun.«
Aus Sicht von Recom ist der LCT-Transformator eine Weiterentwicklung einer EMI-Filterinduktivität in DC/DC-Stromversorgungen. Aus Sicht von Recom hat das neue Bauteil durchaus das Potenzial, die Anzahl und den Platzbedarf der Filterkondensatoren zu reduzieren. Für geeignet hält man bei Recom die Neuentwicklung von Murata für Anwendungen im zweistelligen Wattbereich.
Für Thomas Widdel, Managing Director der zur Cosel-Gruppe gehörenden Eplax, ergeben sich die Vorteile des neuen Bauteils mit Sicherheit aus der Zahl der benötigten Komponenten und der Konzeptionierung von Schaltungen. »Wir sehen hier Vorteile in allen Anwendungen, vorrangig aber in AC/DC-Netzteilen.«
Hermann Püthe, Geschäftsführender Gesellschafter von inpotron Schaltnetzteile, sieht die Neuvorstellung eher kritisch. »Bisher haben wir für die Stördämpfung bereits exzellente, diskrete Lösungen, die einen deutlich weiteren Frequenzbereich abdecken«, so Püthe. »Das ist für die Reduzierung von symmetrischen Störspannungen aus dem Netzteil wichtig!« Aus seiner Sicht ist darum die erst ab 5 MHz wirksame Neuheit von Murata mit einer Strombelastbarkeit von nur 3 A für inpotron Schaltnetzteile eher ungeeignet.
Zurückhaltend äußert sich auch Kai Heinemann, General Manager Development and Product Management bei Block Transformatoren-Elektronik: »In der aktuellen Bauform ist dieses neue Bauteil für uns wenig relevant und aus heutiger Sicht nur für einige Spezialfälle in Zubehörgeräten interessant.«
Für Steffen Heinrich, Segment Manager Railway bei MTM Power, sind die neuen Bauteile aus heutiger Sicht eher für geringe Leistungsklassen bis etwa 100 W geeignet. »Wir werden das in unseren nächsten Entwicklungsprojekten auf jeden Fall auf Einsatzmöglichkeiten prüfen«, versichert er; unklar ist aus seiner Sicht jedoch bislang, »wie diese neuen Bauteile auf Belastungen mit gepulsten Strömen reagieren«.
Georg Beretitsch, Geschäftsführer von Phoenix Contact Power Supplies, sieht den wesentlichen Vorteil des LCT in seiner Fähigkeit, die Anzahl der benötigten Kondensatoren in der Applikation und damit die Kosten zu reduzieren. »Besonders nützlich ist das für Anwendungen in der Leistungselektronik, wo eine effiziente Rauschunterdrückung in kompakten Räumen erforderlich ist.« Da es aktuell nur die Variante mit 3 A Stromtragfähigkeit gebe, beschränke sich der Einsatzbereich auf diese Leistungsklassen. »Wir beobachten aber die zukünftige Weiterentwicklung und entscheiden von Applikation zu Applikation über den Einsatz dieser neuen Technologie.«