Natürlich kommt mit einer Entspannung der Lieferketten auch wieder die alte Frage nach Preissenkungen auf. Über allem steht dabei die Frage:Kann es ein Zurück zu den Preisen vor der Corona-Pandemie geben? Pfülb hat dazu eine ganz klare Meinung: »Der Preistiefpunkt gehört der Vergangenheit an, ich gehe davon aus, dass wir in Zukunft wahrscheinlich nur noch höhere Preise sehen werden. Das liegt auch daran, dass ich mir aktuell nicht mehr vorstellen kann, wo man noch hinziehen könnte, um kostengünstiger zu fertigen.«
»Als Distributor würde ich mir auch eine Preissenkung wünschen«, so Gehrke-Kowol, »aber das ist halt Wunschdenken«. Als Argumente dafür listet er auf, »dass sich die Frachtkosten inzwischen wieder stabilisiert haben, auch die Rohstoffpreise haben sich eingespielt, die Energiekosten sind zwar noch negativ, aber da steuern inzwischen viele Hersteller mit Photovoltaik gegen«. Auch habe sich der Markt verändert, die Auftragslage sei rückläufig, »und ich muss ja die Auslastung in den Fabriken hoch halten, es hilft ja letztlich keinem, wenn ich in neue Fertigungen investiere und deren Auslastung dann niedrig ist«.
Niedrigere Preise zur Ankurbelung der Nachfrage? An diesem Punkt widersprechen ihm zwei Diskussionsteilnehmer ganz deutlich. »Da möchte ich widersprechen«, so Pfülb; »wenn der Bedarf nachlässt oder nicht da ist, wird niemand wegen günstigerer Preise bestellen«. Vissing weist darauf hin, »dass wir uns ja darüber einig sind, dass der Bedarf bei den Kunden da ist, wir sind ja beileibe nicht in der Situation, wo alles den Bach runtergeht!«
Den Wunsch nach niedrigeren Preisen unterstützt auch Lüthje: »Persönlich würde ich mir das auch wünschen, aber ich gehe davon aus, dass sich auf Basis der jetzigen Kostensituation auch die Preise stabilisieren werden.« Lüthje erwartet auch, »dass, wenn Consumer und Computer wieder Gas geben, der Trend wieder zu höheren Preisen geht«. Der Vishay-Manager macht aber auch klar: »Natürlich kann es auch nicht in unserem Interesse sein, dass Kunden aufgrund der Kosten Pleite gehen oder abwandern.«
»Wir werden keine Preise senken, sondern stattdessen selektiv die Preise erhöhen«, stellt Leicher fest. »Dass Großkunden so wie in der Vergangenheit die Preise in jährlichen Verhandlungen um sechs, sieben Prozent nach unten drücken können, das sehe ich so in absehbarer Zeit nicht.« Druck, die Preise zu senken, sieht auch Scheel nicht, »bisher hat nur ein amerikanischer Hersteller die Preise für seine Fahrzeuge mutwillig gesenkt; Deutschlands größter Automobilhersteller hat dagegen angekündigt, die Listenpreise um vier Prozent anzuheben« (Stand:1. März 2023).
Von Redwitz geht davon aus, »dass die Preise wahrscheinlich die nächsten fünf Monate stagnieren werden«. Er verweist auf das Beispiel eines asiatischen MLCC-Herstellers, der sich auf das Konsumelektronik-Geschäft konzentriert und mit dieser Ausrichtung in den letzten Monaten Verluste geschrieben hat. »Die werden natürlich versuchen, sich wieder Marktanteile, speziell im Consumer-Bereich, zurückzuholen, und da dürfte der Preis ein Ansatzpunkt sein.« Auch gebe es bei dem ein oder anderen Distributor derzeit Strategieumstellungen, das erhöht nach seiner Einschätzung die Bereitschaft, in bestimmten Produktsegmenten im Bereich passiver Bauelemente mit den Kunden zu reden.
Auf einen ganz anderen Aspekt der Forderung nach günstigeren Preisen macht Bjørn aufmerksam: »Wenn die asiatischen Hersteller damit beginnen würden, die Bedeutung des europäischen Marktes für sich zu untersuchen, und die Frage, wie viel sie im Vergleich dazu in Asien verdienen können, dann könnte sich am Ende vielleicht herausstellen, dass Europa für sie immer unattraktiver wird.« Als wenig hilfreich empfindet Lüthje in dieser ganzen Situation die Wechselkursthematik, »da hilft natürlich der schwache Euro auch nicht, da brauche ich gar nicht anfangen, über Post-Covid-Preise zu reden«.
Grenzen der Miniaturisierung
Wenn es einen Trend gab, der in den letzten Jahrzehnten im Bereich passiver Bauelemente unabhängig von wirtschaftlichen oder technischen Veränderungen konstant geblieben ist, dann der der Miniaturisierung. Auf diese Weise führte der Weg erst von Kondensatoren der Größe 1206, um ein Beispiel zu nennen, zu Baugrößen wie 0402 und 0201, bevor man dann noch kleiner wurde. Begleitet wurde diese Entwicklung von der steten Frage, ob es denn noch kleiner gehe. Die Anforderungen dafür kommen vor allem aus dem Konsumgüter- und Mobilfunkbereich. Im Bereich der Industrieelektronik dürfte es dagegen auch aktuell in Europa nicht allzu viele Hersteller geben, die standardmäßig 0201-Bauelemente einsetzen. Dass es noch kleiner geht, haben Hersteller wie Murata und Taiyo Yuden bewiesen, indem sie Bauelemente der Größe 008004 produzieren. Größenmäßig entspricht das in etwa der Hälfte eines Bauelements der Baugröße 001005.
Stellt sich die Frage, obeine weitere Miniaturisierung in Bezug auf diskrete passive Bauelemente technisch überhaupt noch möglichist und es wirtschaftlich Sinn machenwürde. »Wir hatten zwar mal Muster und Samples von Bauteilen unter 001005«, berichtet Jakob, »aber wir haben das dann nicht realisiert. Unser Weg ist der der Performance-Steigerung in existierenden Bauformen«. – »Wir bewegen uns zwar nicht in den genannten Mini-Größen«, so Lüthje, »aber Miniaturisierung macht dann keinen Sinn mehr, wenn diese Bauelemente ihre physikalische Funktion nicht mehr erfüllen können«. Dass passive Bauelemente irgendwann mal staubförmig werden, glaubt der Vishay-Manager darum nicht.
Stattdessen laufe die Entwicklung in die Richtung, die Volume-Efficiency zu steigern, also höhere Performance durch Rohmaterialverbesserungen aus den bekannten Gehäusegrößen herauszuholen. In zwei Fällen ist sich Lüthje sicher, dass es ganz klare physikalische Grenzen für weitere Miniaturisierungsschritte gibt: Alu-Elkos und Leistungswiderstände. Eine Einschätzung, die Renner auf den einfachen Nenner bringt: »Wenn ich Leistung haben will, brauche ich Baugröße!«
Scheel verweist in seiner Antwort auf die Frage auf Firmengründer Murata Akira, der die Zusammenhänge in diesem Bereich sehr früh klar benannte: »Um High-Class Electronic Devices herzustellen, benötige ich High-Class Components, und diese erhalte ich nur durch den Einsatz von High-Class Rohmaterial.– Der Schlüssel liegt also letztlich immer beim Rohmaterial, um entweder die Performance zu steigern oder die Baugröße zu verkleinern«, so Scheel. Da würden die Grenzen schon immer weiter verschoben, aber Scheel geht davon aus, »dass Verbesserungen auf diesem Gebiet vor allem in Performance-Steigerungen fließen werden«. Dass Murata derzeit an Bauformen kleiner als 008004 arbeite, sei ihm nicht bekannt.
»Wenn man von heutiger Fertigungstechnik ausgeht, dann sind bei MLCCs derzeit Schichthöhen in der Z-Achse von 100µm machbar«, so Heel. »Darüber hinaus gibt es aktuell Ansätze mit Nanostrukturen oder Siliziummaterialien, unter diese Schichtdickenhöhen zu kommen.« Aber das sei aktuell Forschung. Heel weist auch darauf hin, »dass mit der Miniaturisierung eben auch Nebeneffekte wie ein schlechteres Kapazitätsverhalten unter Spannungsverläufen einhergeht«. Aus diesem Grund versuche man eine höhere Spannungsstabilität aus den vorhandenen Bauformen herauszuholen. »Bei den Folienkondensatoren haben wir von Generation zu Generation 30Prozent der Bauform eingespart«, so Heel, »und das bei besserer Performance, höherer Spannungsfestigkeit und verbesserter Feuchtebeständigkeit«.
Dass passive Integration auch etwas anders gehen kann, verdeutlicht Bjørn. »Folienkondensator-Module sind letztlich auch integrierte Bauelemente. Wenn ich hier kleine Zellen zusammenschalte, ergeben sich dadurch beispielsweise Vorteile für Onboard-Charger.« Aus Sicht des Herstellers passiver Bauelemente ist das für ihn auch etwas Neues, »weil man dieses Produkt kundenspezifisch layouten kann«. Passive Integration, nur eben in einem größeren Maßstab.