Untersuchungen an Kondensatoren bei konstanter DC-Vorspannung haben gezeigt, dass es eine zeitabhängige Kapazitätsdrift gibt, die viel größer sein kann als der typische VCC-Effekt und normale Alterungseffekte zusammen. Vishay hat aus diesem Grund eine vergleichende Fallstudie unternommen
Bis vor Kurzem ging man davon aus, dass die Angaben der Hersteller von keramischen Vielschichtkondensatoren (MLCC) zum typischen Spannungskoeffizienten der Kapazität (VCC) und zum Kapazitätsverlust durch Alterung (ohne Vorspannung) additiv seien, und dass eine weitere Kapazitätsdrift im Laufe der Zeit nicht signifikant wäre. Allerdings haben jüngste Untersuchungen der zeitabhängigen Kapazitätsdrift von X7R-MLCCs bei konstanter DC-Vorspannung – als DC-Bias-Alterung bezeichnet – gezeigt: Es gibt eine zeitabhängige Kapazitätsdrift, die viel größer sein kann als der typische VCC-Effekt und normale Alterungseffekte zusammen. Außerdem meldete ein Automobilhersteller ein Problem in kritischen Systemen, das mit Kapazitätsverlusten und der DC-Bias-Alterung zusammenhing.
Dieses Problem veranlasste Vishay dazu, eine vergleichende Studie über das DC-Bias-Alterungsphänomen bei 0603-X7R-MLCCs mit 100 nF und maximal 50 V von vier Herstellern durchzuführen. Für eine DC-Bias-Alterungsanalyse, die sich über 1000 Stunden erstreckte, wurden die MLCCs von Vishay und drei anderen Herstellern mit 40 Prozent und 100 Prozent ihrer Nennspannung beaufschlagt. In regelmäßigen Zeitintervallen fand eine Messung der Kapazität an allen Proben statt, wobei dieselbe DC-Vorspannung angelegt wurde.
Ergebnis dieser Untersuchung: Eine längere Belastung der X7R-Kondensatoren mit einer DC-Vorspannung führt zu einer Kapazitätsabnahme, die viel stärker ist als die natürliche Drift aufgrund der Alterung. Alle Kondensatoren von Wettbewerbern zeigen im Vergleich zu Vishay-Kondensatoren einen größeren Kapazitätsverlust im Laufe der Zeit. Nach 1000 oder mehr Stunden wiesen die Kondensatoren von Vishay die höchste Restkapazität auf. Festgestellt wurde auch, dass sich die Kapazität der Kondensatoren von Vishay nach dem Abschalten der Vorspannung viel schneller erholt als die von Konkurrenzprodukten.
Arten von MLCCs
Seit mehreren Jahrzehnten sind keramische Vielschichtkondensatoren aufgrund ihrer hohen Kapazität, ihres geringen äquivalenten Serienwiderstands, ihrer niedrigen Kosten und ihrer Unempfindlichkeit gegenüber Hochtemperatur-Lötprozessen die bevorzugte Wahl für viele SMD-Anwendungen. Dabei hängt die Stabilität ihrer elektrischen Eigenschaften weitgehend von der Art des verwendeten dielektrischen Materials ab. Klasse I und Klasse II sind die beiden am häufigsten verwendeten Arten von keramischen Dielektrika. Klasse I – ein sehr stabiles, verlustarmes Dielektrikum auf der Basis paraelektrischer Keramiken – erlaubt aufgrund seiner relativ niedrigen Dielektrizitätskonstante nur einen begrenzten Kapazitätsbereich. Kondensatoren der Klasse I sind aufgrund ihrer natürlichen Stabilität über Zeit, Temperatur und Spannung hinweg von dieser Studie ausgenommen. Die Klasse II umfasst Materialien mit hoher Dielektrizitätskonstante auf der Grundlage ferroelektrischer Keramikzusammensetzungen.
Es können hohe Kapazitätswerte erreicht werden, allerdings auf Kosten höherer Verluste und geringerer Stabilität der elektrischen Eigenschaften. Mehrere Faktoren beeinflussen die Stabilität der elektrischen Eigenschaften von Kondensatoren der Klasse II. Zu den bekanntesten dieser Faktoren zählen Temperatur, DC/AC-Amplitude, Frequenz und Drift der Kapazität.
Obwohl der Einfluss der DC-Vorspannung auf die Kapazität von MLCCs und deren vorspannungslose Alterung in der Industrie gut bekannt sind, schenkte man den langfristigen Auswirkungen der Vorspannung auf die Kapazität im Laufe der Zeit wenig bis gar keine Aufmerksamkeit. In letzter Zeit wurde dieser Eigenschaft, der sogenannten DC-Bias-Alterung, mehr Aufmerksamkeit gewidmet, nachdem es zu Anwendungsproblemen kam. Für ein besseres Verständnis der Mechanismen, die zur DC-Bias-Alterung führen, ist es hilfreich, kurz die Besonderheiten der vorspannungslosen Alterung und des VCC-Effekts zu betrachten.
VCC-Effekt
Der VCC-Effekt und die vorspannungslose Alterung hängen speziell mit der ferroelektrischen Beschaffenheit von Klasse-II-MLCCs zusammen. Ein Merkmal ferroelektrischer Dielektrika ist das Auftreten einer spontanen, permanenten Polarisation. Infolge dieser neigen die Dipole in einem ferroelektrischen Kristall dazu, sich aufzureihen, wodurch ferroelektrische Domänen entstehen, in denen alle Dipole die gleiche Richtung haben. Da sich die Konzentration der Domänen und die Ausrichtung der Dipole direkt auf die Dielektrizitätskonstante K auswirken, beeinflusst jede Veränderung oder Neuausrichtung der Domänen den Wert von K und damit die Kapazität gemäß der folgenden Formel:
wobei C = Kapazität n = Anzahl der Dielektrikum-Schichten A = Überlappungsfläche jeder leitenden Schicht (m2) ε0 = dielektrische Permeabilität im Vakuum (8,854 · 10–12 F/m) K = Dielektriizitätskonstante t = Abstand der Dielektrikum-Schichten (m)
Erklärung des VCC-Effekts
Bei Dielektrika der Klasse II ist die spontane Polarisierung der Keramik und die damit verbundene Bildung von Domänen für die anfänglich hohe Kapazität verantwortlich. Trägt man die Polarisation als Funktion des Erregerfeldes auf wie in Bild 1, erhält man eine Hystereseschleife. Die dargestellte Hysteresekurve ist typisch für Dielektrika auf Bariumtitanatbasis. Anfangs ist die Polarisierbarkeit hoch, aber sie flacht mit zunehmender elektrischer Feldstärke allmählich ab. Infolgedessen nimmt die Kapazität mit zunehmender Vorspannung ab, wie aus dem VCC-Diagramm in Bild 2 ersichtlich ist.