Zum ersten Mal seit drei Jahren zeigt sich im Distributionsmarkt in Deutschland wieder Wachstum mit einem bemerkenswerten Signal zum Auftragseingang. Markt&Technik hat einige Distributoren dazu befragt.
Laut den Erhebungen des FBDi legte der Markt im dritten Quartal um 1,2 Prozent zu mit einem Book-to-Bill von 1. Der Auftragseingang stieg im dritten Quartal im Vorjahresvergleich um satte 33,1 Prozent.
Viele sehen Signale für einen Aufbruch und fast alle Befragten beschreiben ein positives Momentum, das vor einem Jahr so noch nicht erkennbar war.
Bei DigiKey zeigt sich der Aufschwung besonders deutlich, wie Mike Slater, Vice President Global Business Development, formuliert: »Wir sehen die höchste Kundenzahl aller Zeiten, weltweit und in der DACH-Region.« Seit 26 Monaten wächst die Kundenzahl Monat für Monat: »Die Anzahl der Kunden ist weltweit um mehr als 5 Prozent gestiegen.« Risiken wie geopolitische Spannungen erkennt er zwar, doch sein Fazit bleibt eindeutig: »Robotik, Elektrofahrzeuge, autonome Systeme, der Maker-Bereich sowie Luft- und Raumfahrt und Verteidigung treiben das Wachstum«, lautet seine optimistische Einschätzung. Slaters klare Botschaft: Der Markt kommt zurück, und er kommt stabil zurück.
Im Mittelstand, der sich vorwiegend aus Spezialdistributoren zusammensetzt, sind die Aufwärtstendenzen je nach Produktschwerpunkt mehr oder weniger stark ausgeprägt. Schukat electronic spürt nach Aussage von Geschäftsführer Bert Schukat jedenfalls deutlichen Rückenwind: »Aufgrund unserer starken Positionierung in anderen Bereichen wie unter anderem Stromversorgungen, Wärmemanagement oder HMI Solutions sowie einer kontinuierlich sehr guten Verfügbarkeitssituation fiel der Rückgang bei uns in den vergangenen Monaten eher moderat aus, was uns ermöglichte, eine solide Basis für den aktuellen Umsatzanstieg zu schaffen.« Auch bei Schukat war das Q3 2025 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum besser, was den positiven Wachstumskurs untermauert. »Es war zwar kein erheblicher Wachstumsschub, aber ein einstelliger Plus-Bereich, was für uns angesichts der Herausforderungen ein solides Ergebnis darstellt. Vergleicht man dies mit den Zahlen vor der Allokationsphase, insbesondere im Q3 2020, erkennen wir ebenfalls eine deutlich positive Entwicklung.«
Gewohnt zugespitzt fasst Thomas Gerhardt, Geschäftsführer von Glyn, die Situation aus seiner Sicht zusammen: »Die Bookings waren in den letzten Wochen wieder etwas besser. Das Book-to-Bill ist insgesamt auf fast 1 geklettert. Der Umsatz ist allerdings noch sehr niedrig. Man könnte also salopp sagen: Das deutet zumindest mal auf einen stabil miserablen Markt hin.« Und er lässt eine ausführliche Analyse folgen: »Wie die aktuellen FBDi-Zahlen zeigen, sind die DACH-Umsätze der Distribution tatsächlich in Q1–Q3 noch einmal um −15,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr gesunken, die in Deutschland um −10,2 Prozent. Rechnet man das linear hoch, wird die Branche 2025 in Deutschland mit circa 3,13 Milliarden etwa auf dem Niveau von 2015 landen. Da fragt man sich schon: ›Wo ist das Wachstum der letzten zehn Jahre hin‹, an dem wir alle eine Dekade lang so hart gearbeitet haben?«
Nach dem Rekordumsatz in 2023 von 5,42 Milliarden Euro in Deutschland dürfte man deshalb wohl für viele Jahre nicht mehr von Wachstum sprechen, sondern nur noch von Erholung, meint Gerhardt. Sein Ausblick auf 2026 ist dennoch vorsichtig positiv: »Wir haben uns alle an die erratischen Zollankündigungen sowie das tägliche Wechseln zwischen Freund und Gegner gewöhnt, es schockiert uns nicht mehr so sehr. Wir machen professionell unsere Arbeit weiter und wir passen die Kosten bestmöglich an. Zudem werden Überbestände und Überkapazitäten abgebaut. Das muss irgendwann dazu führen, dass es wieder passt und die Stimmung steigt. Die Chancen, dass das 2026 der Fall sein könnte, verbessern sich.«
Gudeco-Geschäftsführer Michael Denner schildert, dass nach den schwachen Monaten im Jahr 2025 sich der Umsatz seit dem 3. Quartal wieder auf einem vertretbaren Level stabilisiert und »zumindest nicht mehr zurückgeht«. Der Lagerbestand habe sich inzwischen auf ein vernünftiges Maß reduziert. Trotzdem schauen die Kunden noch vorsichtig in die Zukunft und bestellen nicht mehr so weit im Voraus, wie das noch 2022/2023 der Fall war, beschreibt Denner die Lage. »Meistens sind es Schnellschüsse mit kurzfristigem Wunschtermin und einem möglichst niedrigen Preis. Deshalb hat sich unser Book-to-Bill in den letzten Monaten auf nur etwas über 1 eingependelt.« Um Engpässe zu vermeiden, wenn die Lieferzeiten wieder anziehen, empfiehlt Denner seinen Kunden, jetzt Aufträge zu platzieren und nicht zu lange zu warten.
Bei den großen Broadlinern in Europa ist man sich weitgehend einig: Es geht wieder aufwärts. Bei Avnet beobachtet EMEA-Präsident Gilles Beltran bereits seit Sommer eine spürbare Erholung. »Wir hatten ein stetiges Wachstum bei den Buchungen und eine positive Book-to-Bill«, sagt er. Besonders IP&E habe sich erholt. Probleme beobachtet Beltran noch im Automotive-Umfeld, doch sein Gesamteindruck bleibt konstruktiv: Die Erholung ist da, sie wächst und sie wirkt stabil: »Wir erwarten, dass sich der Trend eines moderaten Wachstums in den kommenden Monaten fortsetzt. Die Buchungen entwickeln sich im Moment relativ gut. In den vergangenen Monaten haben wir außerdem eine Zunahme bei Demand-Creation und Projektaktivitäten auf Kundenseite gesehen, was im neuen Jahr zu mehr Geschäftschancen führen dürfte.« Man merke zudem, dass die Lagerbestände tendenziell niedriger werden und sich einige Produktlieferzeiten wieder verlängern.
Andreas Bettinger, Vice President Sales Central Europe bei Rutronik, erkennt ebenso eine Belebung: »Wir verzeichnen seit mehreren Monaten eine spürbare Dynamik, die deutlich über dem Vorjahreswert liegt. Diese Entwicklung unterstreicht eine fortschreitende und nachhaltige Nachfrageerholung, getragen vor allem durch langfristig orientierte Aufträge.« Bettinger betont die starken Ergebnisse bei elektromechanischen Komponenten und bei CPUs, die in vielfältigen Anwendungen gefragt sind. »Beide Produktgruppen profitieren von der anhaltenden Investitionsbereitschaft in Automatisierung und digitale Infrastruktur.« Bettinger warnt zwar vor steigendem Kostendruck im Markt, doch sein Ausblick ist positiv: »Die jüngsten Entwicklungen geben Anlass zu vorsichtigem Optimismus. Der stabile Umsatz und die deutlich zunehmende Dynamik im Auftragseingang zeigen, dass sich die Nachfrage nachhaltig erholt.«
Jörg Strughold, President EMEA Components von Arrow Electronics, betrachtet die Entwicklung weltweit: »In unseren drei großen Märkten – Amerika, EMEA, Asien-Pazifik – sehen die Frühindikatoren derzeit gut aus. Book-to-Bill, Backlog und die Anzahl neuer Designs stellen sich für uns zum aktuellen Zeitpunkt positiv dar. Wir gehen davon aus, dass sich das Business global gesehen in der Anfangsphase eines moderaten zyklischen Aufschwungs befindet.« Der Markt erhole sich schrittweise von einer längeren zyklischen Korrektur, sagt Strughold. »Die Fundamentaldaten unseres globalen Komponentengeschäfts sind stabil, und wir sind zuversichtlich, dass wir gestärkt aus dieser Phase hervorgehen werden«, fasst er zusammen. Alle drei Regionen entwickeln sich nach Aussage von Strughold anhaltend im Rahmen oder über dem saisonalen Trend. Auch der Umsatz mit Halbleitern und IP&E-Komponenten stieg seinen Worten zufolge im dritten Quartal gegenüber dem Vorquartal. Auf Märkte heruntergebrochen, antwortet Strughold: »Unsere beiden größten Segmente weltweit sind Industrial und Transportation, und in diesen Bereichen gibt es viel Bewegung. Unsere Mehrwertangebote, insbesondere Supply-Chain-Services, Engineering- und Design- sowie Integrationsdienstleistungen, haben sich zuletzt gut entwickelt.«
Zurück zu den Online-Distributoren: Für Mouser ist der Drehpunkt eindeutig die Design-Aktivität. Marie-Pierre Ducharme, Vice President EMEA Marketing & Business Development, Mouser Electronics, kommentiert: »In der DACH-Region erholt sich Deutschland langsamer als andere Länder wie Österreich und die Schweiz, die etwas stärker wachsen. Dennoch sehen wir auch in Deutschland ein einstelliges Wachstum, was zeigt, dass sich der Markt erholt.« Besonders im Jahr 2025 verzeichnet Deutschland laut Ducharme solide Verkäufe bei Interconnect- und Diskret-Produkten. »Und wir liefern weiterhin mehr Produkte an eine wachsende Zahl von Kunden. Diese positive Entwicklung zeigt eine Zunahme der Design-Aktivität, die das Wachstum bis 2026 weiter vorantreiben wird.« Automotive bleibt schwieriger, doch die Elektrifizierung hält die Nachfrage hoch.
Conrad-CEO Ralf Bühler bringt einen wichtigen Punkt auf den Tisch: »B2B-Kunden kaufen bei uns nicht zu den niedrigsten Preisen ein. Es geht darum, Lieferketten zu sichern. Verfügbarkeit ist oft wichtiger als der Preis, und Flexibilität wird zu einem echten Wettbewerbsvorteil.« Conrad verzeichnet dementsprechend seit dem 2. Quartal Wachstum, das sich im 3. Quartal nochmals beschleunigt hat: »Wir glauben an die Digitalisierung der Beschaffung, weil sie die Einkaufsprozesse unserer Kunden extrem vereinfacht«, erklärt Bühler weiter. Momentan sind Off-Board-Produkte, also Produktbereiche wie Elektromechanik, Steckverbinder, Kabel und Leitungen, Conrads Wachstumstreiber.
Bürklin-CEO Holger Ruban hat ebenfalls Positives zu vermelden: »Seit Mitte des Jahres wachsen wir auch wieder im einstelligen Bereich. Anfang des Jahres haben wir nur ein sehr verhaltenes Wachstum in einigen Produktbereichen in der Elektromechanik, Automation und bei einzelnen Herstellern im passiven Bereich gesehen. Mittlerweile hat sich dieses Wachstum aber auch auf alle anderen Produktkategorien, zum Beispiel Halbleiter, ausgeweitet.« Außer den Produkten hat das 1+-Angebot, also die Möglichkeit, bereits ab der Stückzahl 1 Produkte zu kaufen, laut Ruban reges Interesse gefunden. Dennoch gibt er zu bedenken, dass sehr viele Unternehmen Investitionen und Projekte noch zurückhalten. Als absolutes positives Highlight bezeichnet er die vielen neuen Hightech-Start-ups/Grown-ups, die in Bürklin einen Partner auf Augenhöhe gefunden haben. »Insgesamt gehen wir für 2026 davon aus, dass sich diese vorsichtigen Trends verfestigen werden und wir zu einem stabilen Wachstum in der Industrie zurückkehren.«
Ulf Timmermann, Geschäftsführer von reichelt elektronik, hat für sein Unternehmen wieder Wachstum geplant. »Und wir werden dieses Ziel auch erreichen«, ist der Firmenchef überzeugt. Damit befindet sich reichelt seit über 50 Jahren auf Wachstumskurs und konnte bislang in jedem Jahr solide zulegen. »Unsere Entscheidung, den Fokus verstärkt auf den B2B- und B2A-Bereich zu richten, ohne Maker und Prosumer aus den Augen zu verlieren, war richtig. Im B2B/B2A-Segment profitieren wir momentan von starken Umsätzen in den Bereichen IT, Automatisierungstechnik, Robotik und KI-relevanten Produktgruppen wie Boards«, berichtet Timmermann (Anmerkung der Redaktion: B2A = Business-to-Administration). Timmermann spart bei dieser Gelegenheit nicht mit Kritik an den politischen Rahmenbedingungen: »EU- und Bundesinitiativen haben nur noch bremsende Wirkung, und eine fehlende Entscheidungskraft in allen Bereichen wie Infrastruktur, Digitalisierung, gepaart mit einer steigenden Flut von Eingriffen, von sinnfreien Vorgaben usw. schwächen die deutsche Wirtschaft, statt Zeichen im internationalen Wettbewerb, insbesondere gegenüber den USA und China, zu setzen.«
Ähnlich sehen das auch andere Player aus dem Mittelstand: So bemängelt Michael Denner, dass es nach wie vor an einer klaren Linie der Politik hakt, um ein Zeichen zu setzen, dass es wieder vorangeht: »Die Regierung kümmert sich mehr um Großkonzerne und nicht um den Mittelstand als Motor der Wirtschaft.«
FBDi-Geschäftsführer Andreas Falke appelliert abschließend an das Miteinander in der Branche: »Gerade in Zeiten geopolitischer Unsicherheiten und fragiler Lieferketten ist der Austausch im Verband wichtiger denn je. Die Elektronikbranche steht vor massiven Herausforderungen. Gemeinsam können wir neue Wege gestalten.«
Die vollständigen Statements der befragten Distributoren lesen Sie in der nächsten Ausgabe beziehungsweise auf elektroniknet.de.