Verwaltung des Mangels – auf diesen kurzen Nenner lässt sich vielerorts die Situation bei Stromversorgungs-Herstellern und -Distributoren beschreiben. Die Auswirkungen des Ukraine-Krieges sowie neue, Omikron-bedingte Lockdowns in China lassen keine Entspannung der Lieferkette dieses Jahr erwarten.
Lautete Anfang Oktober letzten Jahres die Überschrift unserer letzten Marktrecherche im Stromversorgungsbereich noch »30 Wochen für einen MOSFET sind ein Glücksfall«, so zeigen die Antworten der aktuellen Umfrage in der Branche inzwischen, dass der eine oder andere froh wäre, würde die Lieferzeit dafür nur 34 Wochen betragen. »Leider haben sich die Lieferzeiten in der zweiten Jahreshälfte 2021 nicht entspannt«, so Egbers, Manager des FAE-Teams bei MEV Elektronik. »Teilweise hat es sich im Vergleich zur ersten Jahreshälfte 2021 sogar noch einmal verschlechtert.« Aktuell reicht der Auftragsbestand der MEV Elektronik bis ins Jahr 2023 hinein.
So sehen es die Bauteile-Lieferanten
Wie stellt sich die Situation in der Branche aktuell aus Sicht der Distributoren dar? »Aufträge für Jahresbedarfe und länger sind keine Seltenheit mehr«, berichtet Frank Stocker, FAE Power Supplies bei Schukat electronic. »Wir werden deshalb neben den bereits gebuchten Kundenaufträgen auch in diesem Jahr ein besonderes Augenmerk auf eine gute Disposition und eine möglichst hohe Lagerverfügbarkeit bei den freien Beständen haben.« Trotzdem rät er seinen Kunden: »Steigen Sie frühzeitig mit uns in die Beschaffung ein, dann können wir wahrscheinlich alle Bedarfe in 2023 decken!«
»Aktuell liegt unser Auftragseingang so hoch wie nie zuvor«, versichert Denny Vogel, zuständig für den Vertrieb bei Leber Systemtechnik. »Derzeit liegt unser Auftragsvolumen bei neun Monaten.« Wirklich neue Projekte seien dabei im letzten Jahr nicht hinzugekommen, »wir halten in etwa den Status quo«. Vogel gibt zu, im letzten Jahr zum gleichen Zeitraum skeptischer eingestellt gewesen zu sein. »Dieses Jahr sind wir optimistisch; unser Ziel ist es, im Vergleich zum Vorjahr zu wachsen.«
In den Augen von Jörg Traum, Geschäftsführer der Emtron electronic, ist die Frage, was im Stromversorgungsbereich derzeit lieferbar ist und was nicht, ganz entscheidend davon abhängig, wie »smart« eine Stromversorgung ist. Wirklich schwierig werde es, wenn Mikrocontroller in den Stromversorgungen verbaut sind: »Da liegen die Lieferzeiten bei allen Herstellern bei zwölf Monaten und mehr. Im Extremfall kriegen wir Liefertermine für den Herbst 2024 genannt; ein Einzelfall liegt mittlerweile bei 2025.«
Aus Sicht von Andreas Hanausek, Product Manager/FAE Power Conversion Products bei Codico, wurden die Stromversorgungshersteller erst relativ spät von der allgemeinen Allokation erfasst. Von Entspannung könne jedoch keine Rede sein, »der weiter erhöhte Bedarf hat jede mögliche Entspannung sofort kompensiert«. Seine Erwartungen für 2022 sind trotzdem sehr optimistisch: »Der Auftragsbestand ist ungebrochen hoch, besonders auffällig ist der deutliche Anstieg bei den Neuprojekten!«
»Wir haben für das Jahr 2022 mit einer weiterhin angespannten Liefersituation gerechnet«, meint Jochen Krause, Geschäftsführer der Hy-Line Power Components, »die ersten zweieinhalb Monate dieses Jahres haben diese Einschätzung auch bestätigt«. Ein Auftragsbestand von sechs Monaten sei inzwischen schon fast die Regel, »in vielen Fällen ist der Bestellhorizont aber auch noch deutlich länger«.
Das sagen die Hersteller
Und wie sehen die Stromversorgungsgeräte-Hersteller selbst die Situation? »Trotz langer Bestellvorlaufzeiten und ergänzender präventiver Maßnahmen funktioniert eine Absicherung der Lieferkette nur mit Einschränkungen«, muss denn auch Georg Beretisch, Geschäftsführer der Phonenix Contact Power Supplies, zugeben; »insbesondere bei höherwertigen Bausteinen wurden teilweise bestätigte Liefertermine kurzfristig verschoben oder nur Teilmengen von den Herstellern allokiert«. Basierend auf dem aktuellen Marktfeedback geht er auch für 2022 »von einem erheblichen Wachstum in unseren Geschäftsfeldern aus«. Bei kritischen Bauteilen wie MOSFETs bleibe es mindestens bis Ende 2023 schwierig. Toshibas Bau von zwei 300-mm-Fabs für Leistungshalbleiter sieht er positiv: »Toshiba ist schon jetzt ein zuverlässiger, langjähriger Partner für uns; mit der geplanten Kapazitätserweiterung werden sie ihre Position im Markt weiter stärken.«
»Rechnerisch liegt unser Auftragsbestand derzeit bei sechs bis sieben Monaten«, berichtet Sebastian Fischer, Geschäftsführer bei Traco Power. »Viele Kunden haben in den letzten Monaten aber auch ihre Bedarfe bis weit ins Jahr 2023 hinein bestellt.« Den Jahresbeginn 2022 bezeichnet er als hervorragend: »Im Januar und Februar lag unser Auftragseingang im Vergleich zum Vorjahr um 40 Prozent höher, der Umsatz lag um 36 Prozent über dem Vorjahreszeitraum.«
»Wir verwalten aktuell den Mangel«, so Kai Heinemann, Geschäftsleiter Entwicklung und Produktmanagement bei Block Transformtoren-Elektronik. »Bestandsprodukte laufen in gleichbleibenden Mengen im Vergleich zu 2020; nennenswerte Mengensteigerungen oder Neuprojekte lösen dagegen einige Frustrationsmomente aus.« In puncto Auftragsbestand liege man inzwischen bei über neun Monaten. »Allerdings haben wir unsere Kunden auch gebeten, angesichts der aktuellen Beschaffungssituation weiter als bislang in die Zukunft zu planen und zu bestellen.«
»Bei Wiederbeschaffungszeiten von zum Teil bis zu 100 Wochen sehe ich aktuell keine Anzeichen für eine Entspannung«, versichert Steffen Heinrich, Geschäftsleiter Technik bei MTM Power. Er geht davon aus, dass sich die Veränderungen der Transportwege im Gefolge des russischen Überfalls auf die Ukraine »überwiegend in Sekundäreffekten niederschlagen werden«. Toshibas verstärktes Engagement im Leistungshalbleiter-Bereich bewertet er positiv: »Gelingt es Toshiba, sich im Preis-Leistungs-Verhältnis vom Wettbewerb abzuheben, wird seine Bedeutung auf jeden Fall steigen.«
Hermann Püthe, geschäftsführender Gesellschafter der inpotron Schaltnetzteile, gibt zu, »dass ich mit einer Entspannung zur Jahresmitte 2022 gerechnet hatte; aktuell halte ich das aber für äußerst unwahrscheinlich«. Da kundenspezifische Netzteile relevante Baugruppen für die Systemfunktion sind, seien die Kunden sehr sensibel geworden: »Aktuell reichen die Aufträge fast aller unserer Kunden schon weit in das Jahr 2023 hinein.« Über Toshibas Ankündigung freut sich Püthe: »Wir setzten deren Bauteile sehr gerne ein, weil sie eine sehr gute, gleichbleibende Qualität bieten und zudem hochinnovativ sind.« Von Toshiba erhalte er auch noch einigermaßen verlässliche Lieferzeiten.