v.l.n.r.: Joachim Pfülb, Vide President und Prokurist bei Beck Elektronik Bauelemente /
Peter Kokot, Sales Director CE North at Avnet Abacus /
Ferdinand Leicher, Vice President Sales EMEA bei Bourns /
Alexander Nebel, Technical Marketing Manager EMEA bei der Yageo Group /
Engelbert Hopf, Chefreporter der WEKA Fachmedien
Noch mögen es manche für ein Hirngespinst halten, doch es besteht nach Einschätzung von Experten die reale Gefahr, dass nach dem Abbau der übervollen Lager im Bereich passiver Bauelemente zum Jahreswechsel 2024/25 eine massive Allokation drohen könnte.
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Mit einer kleinen Gruppe von vier Diskussionsteilnehmern (Peter Kokot, Sales Director CE North, bei Avnet Abacus, Ferdinand Leicher, Vice President Sales EMEA bei Bourns, Alexander Nebel, Technical Marketing Manager EMEA bei der Yageo Group und Joachim Pfülb, Vide President und Prokurist bei Beck Elektronik Bauelemente) führte Engelbert Hopf, Chefreporter der WEKA Fachmedien, im Vorfeld des Round-Tables eine kleine Video-Diskussionsrunde zu aktuellen Themen aus dem Bereich der passiven Bauelemente durch.
Einblicke der Diskussionsteilnehmer in drei Videos
Vor einem Bullwhip-Effekt, der extremer ausfallen könnte als jemals zuvor, warnt Ferdinand Leicher, Vice President Sales EMEA bei Bourns, wenn der richtige Zeitpunkt für die Wiederbestellungen nach dem Abschmelzen der Läger in der zweiten Jahreshälfte 2024 verpasst wird. Wann und in welchem Volumen dann bestellt werde, ist aus Sicht von Peter Kokot, Sales Director CE North bei Avnet Abacus noch nicht abzusehen. Er spricht bei den Herstellern weltweit von einer Fertigungsauslastung von nur 70 Prozent. Alexander Nebel, Technical Marketing Manager EMEA bei der Yageo Group sieht das Problem in den nächsten 12 Monaten weniger in den notwendigen Maschinen, als den fehlenden Fachleuten in der Produktion. Für Joachim Pfülb, Vice President und Prokurist bei Beck Elektronik Bauelemente, ist es vor allem dem mangelnden Vertrauen der Kunden in die weitere wirtschaftliche und konjunkturelle Entwicklung geschuldet, dass die Folgeaufträge bislang ausbleiben. Letztlich sei hier auch die Politik gefordert.
Für Peter Kokot, Sales Director CE North bei Avnet Abacus, geben sich die Kunden einer Illusion hin, wenn sie glauben, die Lieferzeiten und Preise würden noch weiter sinken, wenn sie nur lange genug warteten. Auch für Ferdinand Leicher, Vice President Sales EMEA bei Bourns, ist das eine absolut unrealistische Erwartungshaltung, die den negativen Bullhip-Effekt nur noch weiter verstärkt. Auch wenn es neue Lieferanten am Markt geben mag, so Joachim Pfülb, Vice President und Prokurist bei Beck Elektronik Bauelemente, dann gibt es doch Preisentwicklungen etwa bei den Basismaterialien, Energiepreisen und Löhnen, die nicht mehr zurückzuschrauben wären. Wenn die Einkäufer nun ihrerseits der Meinung seien, der Markt sei zurück, und von Preisen unter dem Niveau vor der Corona-Pandemie träumten, bedeute das sich auf lange und unerfreuliche Verhandlungen einzustellen.
Ja, es lassen sich passive Bauelemente herstellen, die nur noch schwer von »Dust in the wind« unterscheidbar sind. Seit rund zwei Jahren sind MLCCs und teils auch Widerstände der Baugröße 008004 am Markt erhältlich, angeboten werden sie von vier Herstellern weltweit. Zum Einsatz kommen sie vor allem in Wearables, verbaut werden sie damit vor allem in Asien. Ob es noch kleiner geht? Ob sich die physikalischen Grenzen noch weiter ausreizen lassen? Darauf will sich niemand festlegen, auch die Frage, ob in den nächsten Jahren verstärkt passive mit Halbleiterfertigungstechniken hergestellt werden und es Single-Layer mit 10.000 pF geben wird, bleibt abschließend unbeantwortet.
Passive Bauelemente-Expertenforum
Elf Experten hatten sich auf Einladung der Markt&Technik zum Roundtable-Gespräch getroffen, um sich über die aktuellen Entwicklungen auf dem deutschsprachigen Markt für passive Bauelemente auszutauschen. Hier finden Sie Teil 1 der Diskussion und Teil 2.
Zwischen Herstellern und Distributoren herrschte dabei diesbezüglich des Abbaus der Läger sowohl in der Distribution als auch bei den Kunden Einigkeit – es geht voran, mit etwas gutem Willen könnte man sogar von einer Trendwende sprechen. Aber es wird wohl noch mindestens bis zur Jahresmitte andauern, bis die Läger so weit abgeschmolzen sind, dass die Einkaufsleiter wieder auf den Bestellknopf drücken. Dass sie es bisher noch nicht tun, hat nach Ansicht der Diskussionsteilnehmer vor allem damit zu tun, dass viele Kunden aktuell angesichts der wirtschaftlichen und konjunkturellen Lage mit Cashflow-Problemen kämpfen. Finanzchefs und CFOs hätten darum allzu frühen Bestellungen einen Riegel vorgeschoben.
In der Konsequenz, auch darin sind sich Hersteller und Distributoren einig, wird auf der Kundenseite so lange, wie es nur irgend geht, mit den Nachbestellungen, vor allem was Rahmenaufträge angeht, gewartet. Erfahrungsgemäß würden dann irgendwann nach dem Ende der Sommerferien in Deutschland alle gleichzeitig auf den Bestellknopf drücken und erwarten, jetzt bitte innerhalb von sechs bis acht Wochen beliefert zu werden. Dass, so die Diskussionsteilnehmer wird aber nicht passieren, weil diese plötzlich hochgehende Nachfrage auf reduzierte Fertigungskapazitäten weltweit trifft. Bis diese Fertigungskapazitäten über das Einstellen und Anlernen neuer Mitarbeiter wieder in Richtung 90 Prozent und mehr Auslastung hochgefahren werden können, dürften nach Einschätzung der versammelten Experten mindestens sechs, vielleicht aber auch neun Monate vergehen, bevor Kunden in Europa von den wieder mit Volllast produzierenden Fertigungen profitieren würden.