Auch wenn Solar für eine ganze Reihe von SiC-Anbietern heute noch ein Randthema ist, gibt es doch bereits eine ganze Reihe von Unternehmen, für die Solar-Applikationen mit zu den bedeutendsten Absatzmärkten zählen. »Der Solarmarkt ist nach wie vor ein wichtiger Umsatz- und Zukunftsmarkt für uns«, so etwa Wolfram Harnack, Präsident von Rohm Semiconductor Europe. „Wir gehen davon aus, dass die Bedeutung dieses Marktes in diesem Jahrzehnt noch deutlich zunehmen wird.«
Bei Semikron Danfoss ist Solar bereits der viertwichtigste Markt, und seine Bedeutung wird nach Einschätzung von Grasshoff noch weiter steigen, »denn durch die Umstellung auf 1500 V wird der Einsatz von SiC dort noch interessanter«. Semikron Danfoss bedient diesen Markt mit Modulen. Vor dem Hintergrund der Energiekrise wird PV die am häufigsten installierte erneuerbare Energie sein, ist sich Klausner sicher: »Im Zeitraum von 2021 bis 2027 wird sich die weltweit installierte PV-Kapazität verdreifachen.« Für onsemi schlägt sich das in deutlichen Umsatzzuwächsen im Bereich der Energie-Infrastruktur nieder. »Im Jahr-zu-Jahr-Vergleich lag die Steigerung zuletzt bei 75 Prozent«, so Klausner, »unsere Forecast-Erwartung lag bei 60 Prozent Wachstum«.
Trotz allen Hypes rund um das Thema SiC und die weltweit investierten Milliarden von Dollar in den Ausbau der Fertigungskapazitäten: Wie hoch ist eigentlich der aktuelle Anteil von SiC am Leistungshalbleiter-Geschäft in Europa? Eine genaue Antwort darauf scheint schwer zu fallen, wie eine aktuelle Umfrage dieser Zeitung unter führenden Leistungshalbleiter-Spezialisten auf dem deutschen Markt zeigt. Offenbar liegt der Anteil noch immer unter 10 Prozent.
Das ist unter anderem der Eindruck von Dr. Martin Schulz, Global Principal für Application Engineering bei Littelfuse. Dr. Dirk Wittorf, Vice President Strategic Marketing bei Nexperia, würde den Anteil in Deutschland und Europa derzeit bei 5 Prozent veranschlagen. Im Modulbereich liegt der Anteil nach Einschätzung von Grasshoff derzeit bei 3 bis 5 Prozent. Alastair Whitehead schließlich, Vice President Regional Marketing Europe bei Vishay, siedelt den Anteil im einstelligen Prozentbereich an.
Wendet man sich der aktuellen Marktsituation bei klassischen siliziumbasierten Leistungshalbleitern wie etwa MOSFETs zu, lassen sich derzeit aus Sicht der Branche zwei Entwicklungen beobachten: »Wenn es um die Hochspannungstechnologien für die Automobilindustrie und die Industrieelektronik sowie insbesondere bei alternativen Energien geht«, so onsemi-Manager Klausner, »beobachten wir am Markt immer noch Lieferengpässe, während sich bei anderen Technologien ein Abbau von Lagerbeständen beobachten lässt«.
Eine Einschätzung, die auch Whitehead bei Vishay teilt: »Im Bereich der niedrigeren Spannungen haben sich die Lieferzeiten für MOSFETs vielerorts verbessert; anders sieht es bei High-Voltage- und Automotive-Versionen aus.« Zwar rechnet er mit einer weiteren Entspannung am Markt, »aber im Automotive-Bereich wird es auch in Zukunft eine angespannte Situation sein«.
Aus Sicht von Dr. Schulz sind die Lieferzeiten für MOSFETs und IGBTs derzeit stark produktabhängig: »Einige unserer High-Runner haben immer noch Lieferzeiten von über 50 Wochen, während Hochleistungsprodukte wie Wafer und Stacks bereits unter drei Monaten liegen.« Im Vergleich zum Sommer 2022 hätten sich die Lieferzeiten aber insgesamt verbessert. »Der Mehrbedarf an Leistungshalbleitern wird voraussichtlich fortbestehen, aber das Wachstum könnte etwas moderater als 2021 und 2022 ausfallen.«
Rückgänge sieht Dr. Wittorf aktuell vor allem in den Bereichen Consumer, Computing und Communcation; »unsere Leistungshalbleiter für Automotive- und Industrial-Anwendungen sind dagegen auch in diesem Jahr gut nachgefragt«. Nach Einschätzung von Grasshoff haben sich die Lieferzeiten durch die weltweiten Kapazitätserweiterungen verringert, aber auch die Nachfrage habe sich etwas entspannt, »das ist aber nach wie vor sehr kundenabhängig. Unsere Lieferzeiten liegen je nach Produkt aktuell bei 20 bis 30 Wochen«.
Aus Sicht von Bailey schwächte sich das Wachstum bereits in der zweiten Hälfte des letzten Jahres ab. Der Tiefpunkt war für Power Integrations nach seinen Worten im 1. Quartal 2023 erreicht. »Die Lager bei den Distributoren schmelzen ab, und wir registrieren seit dem 2. Quartal 2023 eine Erholung des Auftragseingangs.« Verantwortlich für den Rückgang sind in seinen Augen die Zurückhaltung im Konsumgüterbereich und die Gegenwinde, mit denen die chinesische Wirtschaft nach den Veränderungen der letzten Monate kämpft. Eine wirkliche Rückkehr zum Wachstumspfad erwartet Bailey ab 2024.
»Kunden gehen für die zweite Jahreshälfte 2023 von einer Delle aus«, pflichtet Grasshoff bei, »für 2024 sind sie weiter optimistisch«. Im Umsatz wird sich das nach seiner Einschätzung wahrscheinlich kaum bemerkbar machen, da dann Lagerbestände aufgebaut würden. Ob sich der Optimismus für 2024 bewahrheitet, hängt nach seiner Meinung von der weiteren Zinsentwicklung ab und davon, wie sich die Wirtschaft in China entwickelt. »Wenn die Teuerung hoch bleibt, wird weniger in Kapazitäten investiert, und damit wird auch der Bedarf sinken. Aktuell werden noch Produkte, die vor der Energiekrise geplant wurden, abgearbeitet.«
Auch Riemann sieht nach einem positiven Start ins Jahr 2023 inzwischen durchaus eine Trendwende: »Es gibt weiterhin starke Wachstumstreiber, aber auch einbrechende Märkte.« Vor dem Hintergrund neue hinzukommender Fertigungsstätten geht er davon aus, dass ein Preisverfall am Markt einsetzen wird. Bei AOS selbst sei es gelungen, die Lieferzeiten im Vergleich zum Vorjahr zu halbieren. »Bei High-Runnern können wir den Vertriebskanal inzwischen wieder mit 14 Wochen bedienen, im Durchschnitt liegt die Zeit von der Bestellung des Endkunden, bis er Ware am Lager hat, bei 20 Wochen.«
Von nach wie vor hohen Lieferzeiten berichten die Distributoren Glyn und Hy-Line Power. »Bei unseren Herstellern gibt es immer noch einen breiten Bereich von 30 bis 60 Wochen«, so Harald Kasteleiner, Business Unit Manager Analog, Power & Sensors bei Glyn. »Aktuell sehen wir darum noch keine echte Lieferzeitenentspannung bei unseren Kunden.« Er berichtet auch davon, dass nach einem guten Start in den ersten fünf Monaten des neuen Jahres sich inzwischen eine Phase des zurückhaltenden Bestellverhaltens aufseiten der Stammkunden zeigt.
Jochen Krause, Geschäftsführer der Hy-Line Power Components, berichtet von Lieferzeiten, je nach Produktbereich von 40 bis 60 Wochen. »Noch sehe ich wenig Entspannung bei der Versorgungssituation, ich rechne eher in 2024 mit einer leichten Entspannung.« Dass sich der Auftragseingang derzeit schwieriger gestaltet, hat für ihn vor allem damit zu tun, »dass die Kunden aufgrund der langen Lieferzeiten bereits Aufträge bis ins Jahr 2024 hinein platziert hatten«. Im Industriebereich rechnet Krause eher mit einem leichten Wachstum in diesem Jahr, »der Energiesektor dagegen wird stärker wachsen«.
Aufgrund der fallenden globalen Transportkosten und Finepowers Spezialisierung auf Leistungselektronik erwartet Tobias Herrmann, Global Business Development Manager bei Finepower, eine weitere Umsatzsteigerung für 2023, und das unabhängig von der allgemeinen Lage. Die Lieferzeitenentwicklung bezeichnet er als durchaus unterschiedlich, und der PV-Markt gewinne für sein Unternehmen zunehmend an Bedeutung.