Dr. Peter Wawer leitet seit Juli 2016 die Infineon-Division »Industrial Power Control«, kurz: IPC. Nun hat sich diese Division in »Green Industrial Power«, kurz: GIP, umbenannt. Welche Gründe es dafür gab und warum das keinesfalls Greenwashing ist, verriet er der Markt&Technik.
Markt&Technik: Die Division, die Sie leiten, hat sich nun in Green Industrial Power umbenannt. Warum?
Dr. Peter Wawer: Mit diesem Schritt wollen wir dem Umstand Rechnung tragen, dass unser überdurchschnittliches Wachstum zukünftig vor allem durch die Energiewende angetrieben wird, zum Beispiel aus dem Bereich der erneuerbaren Energien. Natürlich bleiben wir auch unserem Industriegeschäft treu. Deswegen bleibt Industrial auch Teil unseres Namens.
Der neue Claim von Infineon lautet »Driving Decarbonization and Digitalization. Together«. Was bedeutet das heruntergebrochen auf die Division GIP?
Seit jeher treibt uns das Thema Energieeffizienz und damit auch die Dekarbonisierung an. Jahrelang sind immer effizientere elektrische Antriebe im Industriebereich unser Hauptgeschäftstreiber gewesen. Bei den IGBTs bringen wir demnächst die achte Generation auf den Markt. Aber mit Siliziumkarbid kommt nun seit ein paar Jahren ein Halbleitermaterial ins Spiel, das vor allen Dingen im Kontext der erneuerbaren Energien – Fotovoltaik und Windkraft – eine enorme Rolle spielt. Bei allen schnell schaltenden Applikationen lassen sich damit jetzt die Systeme effizienter machen, die Verlustleistung reduzieren und gleichzeitig die Energiedichte erhöhen.
Dekarbonisierung ist eine Kernkompetenz von GIP – logisch. Aber wie kommt das Thema Digitalisierung ins Spiel?
Sämtliche Ansteuerungen in der Halbleitertechnik sind mittlerweile digital, und GIP hat an diesem Trend natürlich einen Anteil und profitiert davon. Dadurch haben wir jede Menge Expertise über die Art und Weise, wie man die Ansteuerung optimiert, aufgebaut. Seit Jahren beobachten wir schon starkes Kundeninteresse an Themen wie Fernwartung und Telemetrie. Und genau diese Aspekte sind Teil der Digitalisierung. Welche Daten will der Kunde in das System einspeisen und welche Informationen will er aus seinem System zurücklesen? Das geschieht üblicherweise digital über Halbleiter. Und das ist genau der Anspruch, dass wir gemeinsam – natürlich gemeinsam als Infineon mit seinen verschiedenen Divisions, aber auch gemeinsam mit unseren Kunden –die bestmögliche Lösung anbieten wollen.
Im Sommer 2022 hieß es, das Cold-Split-Verfahren für Siliziumkarbid sei in einer Qualifizierungsphase. Wie sieht’s da jetzt aus? Läuft das schon in Serie?
Wir haben unsere kleine Pilotlinie in Dresden weiter ausgebaut und die Ausrüstung vom Laborstatus auf ein fertigungstaugliches Level gebracht. Momentan ziehen wir in Dresden in größere Räumlichkeiten um, wo der Betrieb in den nächsten Wochen wiederaufgenommen wird. Auch die ersten Produkte sind bereits qualifiziert. Wir können also bereits – wenn auch noch im kleinen Maßstab – Cold-Split produktiv einsetzen. Wir liegen voll in unserem Zeitplan.
Bei Siliziumkarbid steht nun der Übergang von 150- auf 200-Millimeter-Wafer an. Wie sieht da die Roadmap aus? Da arbeiten Sie doch mit Resonac zusammen, oder?
Mit Resonac haben wir einen sehr langfristigen Liefervertrag bei uns bis zum Ende des Jahrzehnts und gegebenenfalls auch darüber hinaus. Dadurch sind wir mit signifikanten Volumina an Material versorgt. Dieser Vertrag beinhaltet auch die Migration von 150 auf 200 Millimeter. Momentan untersuchen wir erste 200-Millimeter-Wafer von verschiedenen Herstellern in der Fertigung; der Qualifikationsprozess ist noch nicht gestartet. Bis dahin dürfte es noch ein Weilchen dauern, weil wir unsere Fertigungskapazitäten auf Basis von 150 Millimetern gerade stark erweitern.
Dennoch dürften wir die Qualifikationen von 200-Millimeter-Material in den nächsten Jahren abschließen. Damit könnten wir dann flexibel auch auf 200-Millimeter-Wafern produzieren in dem Maße, in dem wir zu wettbewerbsfähigen Kosten das Rohmaterial bekommen. Es ist also an dieser Stelle eine Frage der Produktivität, eine Frage der Kosten. Momentan gibt es nur wenig 200-Millimeter-Material, was aus Kostengründen noch nicht wettbewerbsfähig ist. Aber das wird sich über die nächsten Monate und Quartale sicherlich dynamisch weiterentwickeln. Das haben wir auch beim Übergang von 100 auf 150 Millimeter beobachtet.
Momentan steigen die Bedarfe bei Siliziumkarbid rasant an. Welche Maßnahmen trifft die GIP, um diesem dynamischen Marktwachstum zu begegnen?
Zum einen haben wir in zusätzliche F&E-Kapazitäten investiert, also signifikant Personal aufgebaut. Teilweise haben wir auch vorhandene Entwicklungsressourcen umgewidmet, indem wir Silizium-Entwickler gebeten haben, auch Siliziumkarbid zu entwickeln. Zum anderen haben wir unsere Fertigungskapazitäten ausgebaut. In den letzten fünf Jahren ist Siliziumkarbid bei uns im Mittel um mehr als 50 Prozent pro Jahr gewachsen. Zwar kamen wir von einer kleinen Basis, sodass es anfangs ein bisschen leichter war. Aber nun kommen wir beim Umsatz in dreistellige Millionenbeträge. Das sind signifikante Volumina, und da macht unsere Operations-Organisation wirklich einen sehr guten Job.
Das heißt jetzt vor allen Dingen, dass wir unseren Standort in Villach ausbauen. Dort haben wir signifikante 150-Millimeter-Kapazitäten von Silizium auf Siliziumkarbid umgewidmet, weil Silizium in die neue 300-Millimeter-Fab migriert ist. Das macht auch weiter guten Fortschritt, und wir bauen mit Hochdruck ein drittes Modul in unserer Fabrik in Kulim, in Malaysia. Diese wird mit Siliziumkarbid in 150 Millimeter im nächsten Jahr loslegen.