Einbrechende Nachfrage, Preiskriege zwischen chinesischen Anbietern von Lithium-Ionen-Akkus: Die Batterie- und Akku-Branche ist derzeit sehr turbulent. Nach einem schwachen ersten Halbjahr hofft die Branche auf das zweite Halbjahr 2024. Für Optimismus sorgen die zahlreichen Entwicklungsprojekte.
Ja, wie konnte das nur passieren? Diese Frage mussten sich die Teilnehmer des diesjährigen Batterie-Forums der Markt&Technik gefallen lassen, nachdem sich der Ausblick, den sie noch vor einem Jahr gegeben hatten, im Nachhinein als deutlich weniger positiv erwiesen hatte als ursprünglich erwartet. Erstmals seit Beginn seiner Erhebung war der von Markt&Technik ermittelte Branchenindex Ende letzten Jahres ins Negative gedreht. Was war die Ursache dafür?
Die Teilnehmer des Forums |
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Marc Eichhorn, Technology Segment Specialist Power and Energy Storage, Avnet Abacus |
Fabian Fluck, Senior Field Application Engineer, Hy-Line Schweiz |
André Gronke, Head of Global Engineering (Overseas Business Group), Farasis Energy |
Thilo Hack, Vorstand, Ansmann |
Ralf Isermeyer, Geschäftsführer, VRI Batterie Technik |
Kurz Korn, Verkaufsleiter, Omnitron Griese |
Sven Krüger, Geschäftsführer, Actron Power |
Prof. Dr. Karl-Heinz Pettinger, Professor für Energiespeicher, Hochschule Landshut |
Werner Suter, Geschäftsführer, Tefag Elektronik |
Sönke Zacher, Head of Project Management, Jauch Quartz |
»Es gab vor gut einem Jahr einfach keine klaren Indikatoren dafür, die zu einer pessimistischen Einschätzung der weiteren Entwicklung geführt hätten«, startet Werner Suter, Geschäftsführer der Schweizer Tefag Elektronik in die Diskussion. »Wir haben uns in der Branche alle in der Einschätzung getäuscht, wie voll die Läger offenbar immer noch waren. In der Konsequenz hieß das für unsere Kunden: Sie leeren erst mal ihre Läger, bevor sie wieder etwas bei uns kaufen.«
»Unsere Kunden haben langfristige Orders erteilt, damit wir in der Lage waren, mehr Rohmaterial einzukaufen«, schildert Thilo Hack, Vorstand bei Ansmann, die Situation im Rückblick. »Jeder in der Kette hat nur daran gedacht, seinen Bedarf nach vorne abzusichern, auf diese Weise haben sich gigantische Läger entwickelt.« Dazu komme, dass einige Märkte inzwischen ja komplett eingebrochen seien, Hack denkt dabei beispielsweise an E-Scooter, E-Bike und Gardening-Tools.
»Im Rückblick haben wir zwei Jahre schlicht über unsere Verhältnisse gelebt«, stellt Kurt Korn, Verkaufsleiter bei Omnitron Griese, fest. »Es war die Zeit des möglichst Viel und möglichst Schnell, die Preise waren frei verhandelbar. Ich muss zugeben, dass die Kunden schon im letzten Jahr gesagt haben, dass die Bedarfe der letzten Jahre nicht normal waren und dass es jetzt dann zu einer Normalisierung kommen müsse.« Von eingebrochenen Märkten wie der Bauindustrie seien nicht nur die betroffen, die Power-Tools herstellten, sondern eben auch Produkte wie Schließ- und Alarmsysteme. »Dass wir gut durch die Krise gekommen sind und auch wieder aus ihr rauskommen, haben wir vor allem unserer Stärke im Medizintechnikbereich zu verdanken«, stellt Korn fest.
»Die wahnsinnig langen Vorlaufzeiten, die wir hatten, waren ja zu einem großen Teil den Lieferzeiten bei den Batteriemanagement-ICs geschuldet«, erinnert Sönke Zach, Head of Project Management bei Jauch Quartz. »Allein wegen dieses Bauteils sind wir letztlich auf Vorlaufzeiten von ein bis zwei Jahren gekommen!« Man habe damals um jeden Preis verhindern wollen, »dass man mit dem Endprodukt nicht mehr lieferfähig war«, erklärt er, »und das hat es so schwer gemacht, einzuschätzen, wann sich diese Situation wieder dreht«.
Für Fabian Fluck, Senior Field Application Engineer bei Hy-Line Schweiz, stellt sich im Rückblick vor allem die Frage: »Wie lassen sich solche Entwicklungen in Zukunft vermeiden?« Wo muss nachgeschult werden, damit sich Kunden nicht den Batteriebedarf von zwei, drei Jahren aufs Lager legen und dann irgendwann feststellen müssen, dass die Batterien nicht mehr einsatzfähig sind? Dass bei den Kunden derzeit zum Teil kaum Ware ausgeliefert wird, hat in seinen Augen mit notwendigen Rezertifizierungsmaßnahmen zu tun, »das kann dann gerne schon mal ein halbes Jahr dauern; in der Zeit wird dann nicht ausgeliefert, und es fließt auch keine Ware aus dem Lager ab«.
Selbstkritisch merkt Marc Eichhorn, Technology Segment Specialist Power and Energy Storage bei Avnet Abacus, an, «dass wir angenommen haben, dass, wenn die Materialwelle, die da reingekommen ist, einmal durchgeschwappt ist, es wieder zu einer Normalisierung kommen wird – dem war allerdings nicht so«. Letztlich, so Eichhorn, sei der Markt von einem Extrem ins andere gekippt – »von der Unterversorgung in die Überversorgung«. Welche Auswirkungen ein hohes Zinsniveau und ein schlechtes Konsumklima unter anderem auch als Folge des Ukrainekrieges haben wird, haben nach seiner Einschätzung auch viele Kunden unterschätzt, »man war einfach zu sehr noch darauf konzentriert, lieferfähig zu sein«.
»Die konjunkturelle Ausrichtung des Jahres 2023 haben einfach alle unterschätzt«, pflichtet auch Ralf Isermeyer, Gründer und Geschäftsführer der VRI Batterie Technik bei, »darunter fällt auch ganz klar das Konsumverhalten in Europa, den USA und China«. Das hätte dazu geführt, »dass sich einige Parameter radikal verändert hätten«. Die Zurückhaltung der Verbraucher hat nach seiner Einschätzung nicht mit Geld zu tun, »das ist vorhanden, wir haben ja seit Jahren ein Reallohnplus, aber das Geld wird nicht mehr ausgegeben, die Leute sind verunsichert«.
Dass Maßnahmen wie die Streichung der Förderprämie für Elektrofahrzeuge nicht unbedingt positive Auswirkungen haben, macht das Statement von André Gronke, Head of Global Engineering (Overseas Business Group) bei Farasis Energy, noch einmal klar: »Unabhängig davon, ob man nun im Premiumsegment oder im A- oder B-Segment tätig ist, liegen die Abrufe seither schon hinter den Erwartungen zurück.« Gronke geht allerdings davon aus, dass die Auswirkungen in anderen Bereich der Batterie- und Akku-Welt noch gravierender gewesen sein dürften.
Eine gänzlich andere Situation hat Sven Krüger, Geschäftsführer der Actron Power, erlebt. »Wir sind ein relativ junges Unternehmen, gerade mal drei Jahre alt«, so seine Erklärung, »das bedeutete für uns, dass 2023 viele unserer Industrieprojekte gerade erst in Serie gegangen sind. Während die etablierten Unternehmen in der zweiten Jahreshälfte 2023 mit Umsatzrückgängen zu kämpfen hatten, hatten wir darum noch ein Umsatzwachstum«.
Einen sehr speziellen Marktbereich nimmt Prof. Dr. Karl-Heinz Pettinger, Professor für Energiespeicher an der Hochschule Landshut, im Rückblick auf 2023 ins Visier. »Im Bereich der Speicher für Photovoltaik-Heimanlagen kam es endlich zu dem Preisrutsch, den viele seit Jahren erwartet hatten«. Während der Zellenpreis im Automotive-Bereich sank, blieb er im Speicherbereich lange Zeit stabil. 2023 gaben die Preise dann auch in diesem Bereich nach: »Aus Sicht der Privatkunden und der Energiewende eine positive Sache«, freut sich Prof. Dr. Pettinger; »für die Gerätehersteller schmolz schlicht die Marge«.
Gibt es Gründe für Optimismus im zweiten Halbjahr 2024? Und mit welcher Entwicklung rechnet die Branche für 2025? »Ich höre von vielen Kunden, dass sie in den letzten Jahren sehr viel Geld in die Hand genommen haben, um ihre Marktanteile zu verteidigen«, berichtet Isermeyer, VRI Batterie-Technik, »die kümmern sich jetzt um ihre Konsolidierung«. Für die zweite Jahreshälfte 2024 ist er optimistisch. Das Gleiche gilt für 2025, »wir haben Anfragen im Haus, die in den letzten sechs Monaten zurückgeschoben wurden, on hold gesetzt wurden. Das bestärkt mich in der Hoffnung, dass der Aufschwung 2025 kommt!«
Aus Sicht von Suter, Tefag Elektronik, war das erste Halbjahr 2024 gar nicht so schlecht, der Halbjahresvergleich zum Vorjahr lässt ihn für die zweite Jahreshälfte 2024 noch optimistischer in die Zukunft blicken. Er merkt aber auch an, »dass die Unsicherheit im Markt nach wie vor groß ist«. 2025 dürften aus seiner Sicht »Lieferzeiten und Preisentwicklungen keine Themen mehr sein«. Hoffen lässt ihn auch die Tatsache, »dass die Läger ja irgendwann mal wieder leer sein müssen, und dann beginnt ein neuer Zyklus«.
Für Hack, Ansmann, stellt 2024 ein klares Übergangsjahr dar: »Deutschland war in der Vergangenheit die Lokomotive Europas, und wir haben auch noch den Treibstoff geliefert; mittlerweile lässt das mit der Zugkraft nach und beim Treibstoff wird es auch immer dünner.« Das Thema Bestands- und Lagerabbau sieht er pessimistischer als Suter: »Ich gehe davon aus, dass das auch im nächsten Jahr noch nicht abgeschlossen sein wird.«
Auch Zacher, Jauch Quartz, ist für die zweite Jahreshälfte 2024 optimistischer. »Wir sehen bei den Kunden, dass sich im Bereich Entwicklung wieder viel tut. Aktuell haben wir einfach Kundenprojekte, die sich verzögern.« Im Rückblick auf die letzten zehn Jahre »stehen wir nicht schlecht da«, meint er, »die Corona-Jahre mit ihren Rekorden haben uns in den letzten Jahren eben verwöhnt«.
Aus Sicht von Korn, Omnitron Griese, »gibt es zahlreiche Projekte, die jetzt wieder richtig Fahrt aufnehmen, die werden uns in der zweiten Jahreshälfte 2024 und auch 2025 wieder Umsatzzuwächse bescheren«. Aktuell läge man bereits deutlich über den Ergebnissen des Vorjahres.
Eichhorn, Avnet Abacus, blickt mit gemischten Gefühlen auf die zweite Jahreshälfte 2024. »Das laufende Geschäft stottert noch ein wenig, gleichzeitig haben wir neue Projekte, die für eine Zeit geparkt waren, und wir haben jetzt wieder die Ressourcen, um diese Projekte aufzugreifen.« Er geht allerdings davon aus, dass viele Kunden für 2024 noch versorgt sind »und man vielleicht erst wieder ab dem 1. Quartal 2025 disponieren wird«. Seine Sorge für 2025: »Bei vielen neuen Produkten sehe ich bislang noch nicht, dass sie 2025 skalieren werden, also wirklich in Stückzahlen kommen werden«.
Sowohl für die zweite Jahreshälfte 2024 als auch 2025 sieht Krüger, Actron Power, »starke Impulse für uns aus Österreich, der Schweiz und Polen«. Er sieht die zweite Jahreshälfte darum noch vielversprechender als die erste. »Die nichtdeutschen Kunden sind deutlich euphorischer, in Deutschland fehlt etwas die Dynamik, die man früher hatte.«
»Stand heute«, so Flucke, Hy-Line Schweiz, »kommen die Abrufe, die eigentlich in der ersten Jahreshälfte 2024 kommen sollten, jetzt in der zweiten Jahreshälfte. Ob das so bleibt, weiß man nicht«. Aus diesem Grund sei weiterhin realistisches Fahren auf Sicht angebracht. Er bestätigt die Aussage von Zacher bezüglich verschobener Projekte, »die ein, zwei Jahre eingefroren wurden«, weil der Fortbestand der bestehenden Produkte am Markt abgesichert werden musste. »Auch da habe ich Kunden, die mir sagen, ab Oktober wollen wir mit Neuentwicklungen weitermachen, vielleicht aber auch erst später.«
Gronke berichtet davon, »dass Forecasts aus dem ersten Halbjahr ein Stück weit ins zweite Halbjahr 2024 geschoben wurden, und die scheinen jetzt auch wirklich zu kommen«. Für das kommende Jahr sieht man bei Farasis Energy inzwischen deutlich höhere Prognosen im Nutzfahrzeugbereich und im Segment Material-Handling. Was man aber derzeit am Markt auch beobachten könne, seien definitiv die Auswirkungen der Strafzölle, die in den USA auf chinesische Elektrofahrzeuge erhoben werden.
Gronke weist aber auch auf viele neue Kundenprojekte im Bereich Elektrifizierung und Antriebstechnik hin. Der Treiber für die Batterie- und Akku-Branche seien neuen Ideen: »Bestes Beispiel dafür ist Xiaomi, die vor Kurzem mit großem Erfolg in China ihr ‚Software-defined Vehicle’ vorgestellt haben und damit eine ganz neue Kundengruppe angesprochen haben.« Hier sieht er auch die Zukunft Deutschlands: »Mit neuen Ideen am Markt erfolgreich sein, und dann auf das in Deutschland zweifelsfrei vorhandene Produktions-Know-how zurückgreifen.«
Er verweist in diesem Zusammenhang auch auf das Beispiel Tesla: »Wenn die jetzt mit ihrem von Grund auf neu entwickelten elektrischen LKW auf den Markt kommen, dann wird dieses Fahrzeug schon heute leichter sein als jeder Diesel-LKW mit vergleichbarer Reichweite. Laut Zertifizierung darf der Tesla-LKW aber 2 Tonnen Nutzlast mehr mitnehmen. Mehr Nutzlast ist gleich mehr Lademenge und damit auch mehr Profit für das Transportunternehmen.« Die Transition zu elektrisch betriebenen Fahrzeugen werde vielleicht langsamer ablaufen, als man das vielleicht noch vor einem Jahr gedacht habe, »aber sie lässt sich nach meiner Einschätzung nicht mehr aufhalten«.