Welche Ziele verfolgt Nexperia im Bereich Leistungshalbleitertechnik, und welche Rolle spielen dabei SiC und GaN? Antworten auf diese Fragen liefern Katrin Feurle, Senior Director and Head of Product Group SiC Diodes & FETs, und Carlos Castro, Vice President & General Manager GaN.
Markt&Technik: Nexperia startete mit der klaren Fokussierung auf diskrete Bauelemente auf den Markt und ist damit sehr erfolgreich. Zuletzt lag der Umsatz bei fast 2,5 Milliarden Dollar. Wo liegt der Schlüssel für diesen Erfolg?
Katrin Feurle: Ja, unsere Entwicklung seit der Gründung war wirklich bemerkenswert. Ein Grund dafür ist sicherlich, dass wir auf einem soliden Fundament mit einer jahrzehntelangen Erfolgsgeschichte in der Halbleiterfertigung aufbauen konnten. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Tatsache, dass unsere Unternehmensleitung von Anfang an auf eine kontinuierliche globale Investitionsstrategie gesetzt hat – in Forschung und Entwicklung, Produktionskapazitäten und vor allem in Personal. So haben wir es geschafft, mit unseren Produkten die wichtigsten Megatrends am Markt zu adressieren.
Carlos Castro: Dabei kommt eine Vielzahl von Faktoren zusammen, die in der Kombination unseres breiten Know-hows und unserer engagierten Unternehmenskultur liegen. Ein Schlüssel zu unserem Erfolg ist zweifellos unsere Innovationskraft, sei es in Bereichen wie Wide Bandgap oder branchenführender Gehäusetechnik. Gemeinsam mit unseren Kolleginnen und Kollegen bieten wir Lösungen, die die Bedürfnisse unserer Kunden in den Mittelpunkt stellen. Aspekte, die durch gezielte Standortentscheidungen erleichtert werden: In Deutschland haben wir unser Forschungs- und Entwicklungszentrum in Hamburg mit der Nähe zur Fertigung angesiedelt. Im Süden Deutschlands sind wir in München besonders nah an den großen Automobilherstellern.
Nexperia will bis 2030 einen Jahresumsatz von 10 Milliarden Dollar erreichen. Ein erreichbares Ziel, das vor allem von Automotive und SiC getrieben wird?
Castro: Im Mittelpunkt unserer Strategie bei Nexperia stehen Effizienz und Innovation. Wir sind stolz darauf, der bevorzugte Lieferant für viele führende Technologieunternehmen zu sein. Das verdanken wir zu großen Teilen unserer Treue zur Herstellung hoher Stückzahlen und einer zuverlässigen Lieferkette. Unser Ansatz kombiniert Kosteneffizienz mit erstklassiger Qualität.
Feurle: Zusätzlich spielt unser Kundenbezug eine wichtige Rolle in unserem Wachstum. Unsere Fähigkeit, eng mit unseren Kunden zusammenzuarbeiten und ihre Anforderungen zu verstehen, ermöglicht es uns, maßgeschneiderte Lösungen anzubieten.
Nexperia hat sein Produktportfolio schrittweise erweitert. Zuletzt kamen unter anderem IGBTs, SiC- und GaN-Leistungshalbleiter hinzu. Gibt es noch Produktfelder, die aus Ihrer Sicht das Produktspektrum weiter abrunden könnten?
Feurle: Mit der Einführung von WBG-Produkten haben wir sicherlich wichtige Schritte unternommen, um das Produktspektrum zu erweitern. Allerdings ergeben sich aus den Applikationen für Leistungshalbleiter auch immer weitere spannende Produktfelder und Möglichkeiten, das Portfolio zu erweitern. Bereits Anfang 2022 haben wir in Dallas ein Design-Center eröffnet, das unseren Einstieg in den Analog-Markt markiert.
Castro: Aber abseits der fertigen Produkte legen wir besonderes Augenmerk auf unsere Gehäusetechnik. Im letzten Jahr haben wir 20 Jahre LFPAK-Standard gefeiert und können auf viele wichtige Gehäuse-Innovationen zurückblicken. Erfolge, die wir natürlich auch in Zukunft wiederholen wollen. Das CCPAK, ein top gekühltes SMD-Kupfer-Clip-Gehäuse, zum Beispiel kombiniert die thermischen Vorteile von Durchsteckgehäusen mit Induktivitätsvorteilen der SMD-Technologie und wird ganz neue Möglichkeiten für den WBG-Einsatz bieten.
Im SiC-Bereich bietet Sie bislang Dioden an. Wann werden Sie auch mit SiC-MOSFETs aktiv? Werden Sie als erstes mit 1200-V-SiC-MOSFETs in dieses Marktsegment einsteigen oder mit 650- oder 900-V-Versionen?
Feurle: Wir haben unser Portfolio-Rollout eng mit unseren Schlüsselkunden aus der Industrie und Automobilbranche abgestimmt. Deshalb steigen wir schon bald mit 1200-V-SiC-MOSFETs in den Markt ein. Ich freue mich, dass wir ein Spitzenprodukt auf den Markt bringen werden.
Nexperia war bislang auf diskrete Bauelemente fokussiert. Seit Kurzem unterhalten Sie eine Zusammenarbeit mit Kyocera AVX zur Entwicklung von SiC-Rectifier-Modulen mit 650 V und 20 A. Bedeutet das, Nexperia wird in Zukunft auch Module anbieten?
Feurle: Da wir unseren Kunden immer die besten Produkte anbieten wollen, evaluieren wir natürlich stetig die Möglichkeiten von Portfolioerweiterungen. In diesem Fall war klar: Nexperias SiC-Expertise in Kombination mit dem Modul-Know-how von Kyocera ist ein überzeugendes Angebot für Kunden, die mit der Wide-Bandgap-Halbleitertechnologie höhere Leistungsdichten erreichen wollen.
Sie hatten zuletzt angekündigt, mit kräftigen Investitionen die Produktionsstandorte in Hamburg und Manchester auszubauen. Wie ist da der aktuelle Stand, und welche Produktbereiche profitieren von diesen Investitionen am stärksten?
Castro: In Manchester profitiert vor allem unsere PowerMOS-Sparte vom Ausbau der 8-Zoll-Waferfertigung. In Hamburg produzieren wir den Großteil unserer bipolaren diskreten Halbleiter auf 8 Zoll und bauen diese aus. Wir sind damit der einzige industrielle Akteur in Europa, der noch in diese Technologie investiert. In Hamburg entsteht zudem eine hochmoderne Produktionslinie für Galliumnitrid- und Siliziumkarbid-Bauelemente, gleich neben dem neuen Siliziumkarbid-Testlabor, das kürzlich eröffnet wurde.
Neben den Investitionen in die Produktionsstandorte müssen wir aber auch über unsere Forschungs- und Entwicklungsarbeit sprechen. Katrin und ich haben unsere Büros in unserem neuen Design-Center in München, das sich im Aufbau befindet. In den vergangenen Jahren haben wir massiv in bestehende F&E-Standorte investiert und einige neue Design-Center dort aufgebaut, wo auch Talente sind. München reiht sich hier in die globale Riege unser F&E-Standorte in Europa, Asien und den USA ein.
Sie haben erwähnt, dass GaN in Hamburg produziert werden soll. Wie sehen Ihre weiteren Pläne bei GaN aus?
Castro: Unsre Hauptstandorte für Forschung und Entwicklung im GaN-Bereich werden in Manchester und Hamburg angesiedelt sein. Diese Standorte umfassen sowohl eine Entwicklungsabteilung als auch Produktionskapazitäten in Hamburg. Langfristig, wenn der Markt für GaN eine gewisse Größe erreicht, planen wir eine ähnliche Strategie wie bei unseren Siliziumprodukten. Das bedeutet, dass wir sowohl auf interne als auch externe Produktion setzen werden, um die steigende Nachfrage und den Bedarf an GaN-basierten Lösungen zu erfüllen. Unser Ziel ist es, flexibel auf die Entwicklungen im Markt zu reagieren und unsere Position als führender Anbieter in diesem Bereich weiter auszubauen.
Welche Umsatzbedeutung hat das Automotive-Geschäft derzeit für Sie? Welchen Anteil haben das Industrie- und das Konsumgüter-Geschäft?
Feurle: Damit haben Sie unsere drei wichtigen Standbeine genannt. Neben dem Automotive-Geschäft sind Consumer und Industrial für uns die umsatzstärksten Bereiche. Tatsächlich macht der Umsatzanteil, der direkt mit der Automobilindustrie zusammenhängt, mehr als 50 Prozent unseres Gesamtumsatzes aus. Das Automotive-Segment hat in den letzten Jahren einen kontinuierlichen Anstieg verzeichnet, und dieser Trend wird dank zunehmender Elektrifizierung voraussichtlich in absehbarer Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen.
Welche Bedeutung hat der europäische Markt für Nexperia im Vergleich zu den anderen Regionalmärkten? Wird der Anteil Europas in Zukunft steigen?
Castro: Europa spielt für Nexperia eine bedeutende Rolle, was sich sicherlich auch auf unsere historische Präsenz in dieser Region zurückführen lässt. So feiert der Standort unserer Hamburger Waferfabrik im kommenden Jahr hundertjähriges Bestehen. Dank unserer langjährigen Geschichte und starken Verbindungen zu Kunden in Europa haben wir hier einen erheblichen Marktanteil. Tatsächlich ist Europa für Nexperia der zweitstärkste Umsatzmarkt nach Asien. In Bezug auf die zukünftige Entwicklung des europäischen Marktes sind wir optimistisch. Obwohl es keine bedeutenden, neuartigen Verschiebungen zwischen den regionalen Märkten gibt, sehen wir dennoch Potenzial für weiteres Wachstum in Europa. Dafür sind unsere starke Präsenz und unsere etablierten Kundenbeziehungen eine solide Grundlage.
Nexperia hat in den letzten Jahren einige Akquisitionen getätigt. Wäre die Übernahme eines SiC- oder GaN-Spezialisten eine Hilfe beim Erreichen des Umsatzziels für 2030?
Feurle: Unser Umsatzziel ist nicht von Akquisitionen abhängig. Wir verfolgen eine Strategie, die auf organisches Wachstum, also eigene Investitionen, und Kooperationen mit führenden Partnern in ihren jeweiligen Disziplinen setzt.
Europa investiert im Rahmen des European Chips Act Milliarden in seine Halbleiterindustrie. Werden Sie nach Newport noch einmal versuchen, in Europa einen zusätzlichen Fertigungsstandort hinzuzugewinnen? Oder wird nach dem Scheitern in Newport nur noch in Fertigungsstandorte außerhalb Europas investiert?
Feurle: Der European Chips Act und die Investitionen in die Halbleiterentwicklung und -fertigung in Europa sind ein ermutigendes Zeichen für die Branche. Wir schätzen die Bemühungen der EU und ihrer Mitgliedstaaten, unsere Industrie zu fördern und auszubauen. Wir müssen aber auch im Blick behalten, dass der Schwerpunkt dieser Diskussionen derzeit hauptsächlich auf fortgeschrittener Halbleitertechnologie mit noch kleineren Strukturen liegt. Diese sind zweifellos von Bedeutung, bedienen aber nur einen kleinen Teil des Marktes. Das Gros der Nachfrage konzentriert sich auf herkömmliche Halbleitertechnologie mit etablierten Strukturen. Dies ist auch der Bereich, in dem Nexperia sich entscheidend für Europa einsetzen kann.
Castro: Außerdem konzentriert sich die Förderung von Investitionen und neuen Fabriken hauptsächlich auf die Errichtung von Front-End-Fabriken. In der Realität werden die Wafer zwar hier produziert, müssen aber immer noch nach Asien zur Prüfung und Verpackung geschickt werden, bevor sie verwendet werden können. An dieser Situation hat sich bisher nichts geändert. Unsere Standortentscheidungen in Europa sind natürlich von verschiedenen Faktoren beeinflusst, einschließlich der Marktnachfrage und der Entwicklungen in der Halbleiterbranche. Unsere Strategie wird flexibel bleiben müssen, um den sich ändernden Anforderungen und Chancen gerecht zu werden.