Trotz der Milliarden-Investitionen in SiC-Fertigungskapazitäten haben Industrie-Insider Zweifel, ob sich die weiterhin stark wachsende Nachfrage decken lassen wird. Vor allem eine Entwicklung beunruhigt die Leistungshalbleiterbranche.
Eine Frage dominiert derzeit in der Leistungshalbleiterbranche: Wie viele elektrische betriebene Fahrzeuge bringt die Automobilindustrie 2025/26 weltweit wirklich auf den Markt? Die vorläufige Antwort der Leistungshalbleiterbranche auf den erwarteten riesigen Bedarf: Investitionen von über 10 Milliarden Dollar und das sind nur die Investitionen in den Aufbau der Fertigungskapazitäten für SiC-MOSFETs und -Dioden, die Investitionen in den Ausbau Rohmaterial- und Wafer-Produktion sind da noch nicht involviert. Doch trotz dieser Investitionen, wer sich in der Branche umhört, wie vor Kurzem auf der PCIM Europe, kann schnell den Eindruck gewinnen, dass eine Mehrheit aktuell davon ausgeht, dass die jetzigen Anstrengungen nicht genügen werden.
Claus A. Petersen, CEO von Semikron-Danfoss, fasst die Situation in einem Bild zusammen: „Die Rampe dafür, was nötig wäre, die notwendigen Kapazitäten zur Verfügung zu stellen, wird von Jahr zu Jahr steiler. Es geht ja nicht nur um die reine Fertigungskapazität für SiC-MOSFETs, es geht um alle damit zusammenhängenden Fähigkeiten, zuverlässige SiC-Module oder auch diskrete SiC-Bausteine in ausreichendem Maße zur Verfügung zu stellen“. Vor diesem Hintergrund sind die aktuellen Anstrengungen von Infineon Technologies, STMicroelectronics, Rohm Semiconductor, Wolfspeed, Mitsubishi Electric, Onsemi, Microchip, Toshiba Electronics oder Bosch, um hier nur einige zu nennen, zu sehen.
Im Prinzip herrscht am Markt für SiC-Leistungshalbleiter eine Situation, die Armin Derpmanns, General Manager Semiconductor Marketing, Marketing & Operations bei Toshiba Electronics Europe, so beschreibt: „Niemand, der derzeit in den SiC-Markt eintritt, kommt zu spät. Jeder Neueinsteiger, der sich wie wir in Zukunft dem Automotive-Markt widmet, wird vom Markt, ja vielleicht sogar vom Wettbewerb, begrüßt“. Und die Liste derer, die da noch in den Markt kommen, wird immer länger. Auf der PCIM etwa zeichnete sich ziemlich klar ab, dass dazu in Zukunft beispielsweise auch Nexperia gehören wird.
Doch zurück zu dem, was derzeit in puncto Produktionsaufbau passiert. In Ensdorf, im Saarland, läuft nach Auskunft von Jay Cameron, Senior Vice President Power bei Wolfspeed, derzeit noch alles nach Plan. Heißt konkret, die letzten Zusagen der EU sind noch nicht eingetroffen, aber Cameron macht deutlich, dass man mit einem Zeitpuffer geplant habe und arbeite, „bislang sehen wir keine Notwendigkeit, von unserem Zeitplan abzuweichen“.
Mit welcher Vehemenz in einigen Fällen am Aufbau von Produktionskapazitäten gearbeitet wird, zeigt das Beispiel Onsemi. „Vom 1. Quartal 2022 bis zum 4. Quartal 2023 werden wir unsere Produktionskapazitäten verzehnfacht haben“, berichtet Paul Klausner, Marketing Manager Automotive EMEA, PSG bei Onsemi. Natürlich steht auch dort vor allem der Automotive-Markt im Mittelpunkt der Anstrengungen, Onsemi fährt aber offenbar auch eine dedizierte Distributionspolitik in Sachen SiC. Ein Teil der Produktion ist explizit für diesen Vertriebskanal vorgesehen.
Bei Mitsubishi Electric hat Dr. Masayoshi Takemi, Executive Officer, Group President, Semiconductor & Device, vor Kurzem die im März bekanntgegebenen Pläne in Sachen SiC noch einmal konkretisiert. So bewegen sich die Investitionen für SiC inzwischen im Zeitraum von 2021 bis 2025 bei rund 2 Milliarden Dollar. Der Produktionsbeginn im 8-Zoll-SiC-Werk Kumamoto ist für 2026 vorgesehen. Ebenfalls neu errichtete Assembly & Test-Kapazitäten für SiC in Fukuoka, sollen bereits im Fiskaljahr 2025 ihren Betrieb aufnehmen. Mitsubishi will die Produktionskapazitäten für SiC von 2022 bis 2025 verfünffachen. Den Umsatzanteil von SiC will Dr. Takemi durch diese Maßnahmen bis 2030 auf 30 Prozent des Gesamtumsatzes steigern.
In etwas kleineren Dimensionen bewegen sich dagegen die Investitionen von Microchip. Rund 880 Millionen Dollar sollen in den Ausbau der Fertigungskapazitäten für Silizium- und SiC-Bauelemente in Colorado Springs fließen und den Fertigungsstandort von einer 6-Zoll- zu einer 8-Zoll-Produktionsstätte transformieren. Microchip verweist auf seine mehr als 20 Jahre Erfahrung mit SiC, macht aber gleichzeitig deutlich, dass sich das Geschäftsprinzip deutlich vom Wettbewerb unterscheidet. „Wir bedienen den Traktionsmarkt nicht“, versichert Clayton Pillion, Vice President der Silicon Carbide Business Unit, „wir legen Wert darauf, dass keiner unserer Kunden mehr als 3 Prozent zum Gesamtumsatz beiträgt, um einseitigen Abhängigkeiten vorzubeugen“. Untypisch für das SiC-Geschäft dürfte auch sein, dass bei Microchip nur ein Drittel Direktgeschäft ist, zwei Drittel werden über die Distribution abgewickelt.