Die EU-Staaten wollen ihren Anteil an der weltweiten Chipfertigung wieder steigern, da dieser zugunsten der USA und China rückläufig ist. Die Hersteller fordern dafür hohe Subventionen. Die EU nimmt jetzt über acht Milliarden Euro in die Hand. Davon geht rund die Hälfte nach Deutschland.
Der Anteil der in Europa hergestellten Halbleiterchips am Weltmarkt lag in den neunziger Jahren noch bei rund 10 Prozent und ist inzwischen auf sieben Prozent gesunken. Bei den Milliardeninvestitionen, die der Bau moderner Chipfabriken verschlingt, lassen sich die Hersteller kräftig unterstützen. Die technologische Führerschaft zieht viele wirtschaftliche und politische Konsequenzen nach sich und so exitiert schon seit vielen Jahren ein Subventionswettlauf, an dem zuvorderst die USA und China und im Gefolge auch Korea, Japan und die EU beteiligt sind.
Um die Chipfertigung in der EU zu stärken, hat die EU-Kommission ein milliardenschweres Beihilfe-Programm genehmigt. Damit sollen Dutzende Projekte, viele davon in Deutschland, möglich werden, umriss EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager am Donnerstag in Brüssel die Pläne.
Im Rahmen der sogenannten »Important Projects of Common European Interest« (IPCEI) werden nach EU-Angaben Beihilfen in Höhe von 8,1 Milliarden Euro genehmigt. Zusätzlich investierten private Unternehmen noch einmal bis zu 13,7 Milliarden Euro, so dass es sich um eine Gesamtinvestition von rund 21,8 Milliarden Euro handele. An dem Projekt beteiligen sich neben Deutschland 13 weitere EU-Staaten, darunter Frankreich, Österreich, die Niederlande und Spanien.
»Die neue Förderung für Halbleiter stellt wichtige Weichen für die digitale Souveränität Deutschlands und Europas«, betonte der Hauptgeschäftsführer des Branchenverbandes Bitkom, Bernhard Rohleder. Ohne Halbleiter gebe es keine Digitalisierung. Wichtig sei jetzt, dass die Förderbescheide aber auch zügig ausgestellt würden, mahnte er. »Die Genehmigung der EU-Kommission hat viel Zeit in Anspruch genommen, viele Projekte sind seit mehr als einem Jahr in den Startlöchern.«
In dieses Horn bläst auch Wolfgang Weber, Vorsitzender der Geschäftsführung des ZVEI: »Von der Meldung der Projekte an die EU-Kommission bis zur Entscheidung hat es in diesem Fall eineinhalb Jahre gedauert – das ist zu lang, um im internationalen Wettbewerb mitzuhalten.« Ansonsten unterstützt er die Entscheidung der EU-Kommission und sieht darin ein wichtiges Instrument, die Mikroelektronik voranzubringen: »Halbleiter sind ein entscheidender Baustein für die grüne und digitale Transformation der europäischen und globalen Gesellschaft: sie werden immer ausdifferenzierter z.B. als Leistungshalbleiter, Sensoren oder Mikrocontroller in immer größerer Menge - benötigt für alles rund um die Elektrifizierung, Digitalisierung und Automatisierung. Da die europäische und deutsche Industrie gerade auch hier ihre Stärken hat, wird diese Förderung eine erhebliche volkswirtschaftliche Rendite erwirtschaften.«
In Deutschland werden rund die Hälfte aller Chips in der EU hergestellt. Dementsprechend geht auch rund die Hälfte der acht Millarden Föderung nach Deutschland. Deutschlandweit sind 31 Projekte in 11 Bundesländern beteiligt. Dazu zählen u.a. Wolfspeed im Saarland, Bosch in Baden-Württemberg und Dresden, weiterhin der Standort Dresden mit Infineon und X-Fab. Aber auch viele mittelständische Unternehmen profitieren von der Förderung, so z.B. Cologne Chip, Wacker Chemie oder Elmos oder Semikron. Die Projekte reichen von der Materialherstellung über das Chipdesign bis zur Erstellung von neuen Produkten und Anwendungen.
Laut BMWK hat das Investitionsprogramm das Ziel, bei Mikroelektronik und Kommunikationstechnologien vor allem dort aufzuholen, wo Europa zum Teil technologisch abhängig von Drittstaaten geworden ist. Die Förderung der Mikroelektronik solle dazu beitragen, dass in Deutschland moderne Chip-Fabriken entstehen und leistungsfähigere Komponenten entwickelt werden, heißt es aus dem Wirtschaftsministerium. Man gehe davon aus, dass die geförderten deutschen Unternehmen zusätzlich private Investitionen in Forschung und Entwicklung, Produktionsanlagen und Gebäude im zweistelligen Milliardenbereich umsetzen werden. Gleichzeitig würden durch die nationalen Projekte mehr als 4000 direkte neue Arbeitsplätze geschaffen.
Ein großer Abnehmer der neuen Techniken könnte die Automobilbranche in Deutschland werden. Bis 2030 werde sich die Nachfrage nach Halbleitern in der Automobilindustrie verdreifachen, teilte der Verband der Automobilindustrie (VDA) mit. »Die Autoindustrie wird damit zum drittwichtigsten Chip-Abnehmer weltweit.« Vor allem bei der Elektromobilität seien neue Kapazitäten zwingend notwendig.
Es ist bereits die zweite große Mikroelektronik-Offensive der EU, die bereits 2018 ein ähnliches Programm genehmigt hatte. Damals hatten nach Angaben von EU-Kommissarin Vestager unter anderem eine Chip-Fabrik von Bosch in Dresden und Carl Zeiss in Baden-Württemberg profitiert. Die EU-Kommission muss wichtige nationale Förderprojekte genehmigen, damit es nicht zu Wettbewerbsverzerrungen zwischen den EU-Staaten kommt.