Vor dem Hintergrund eines heißen Herbstes mit steigenden Inflationsraten und einem möglichen Gas- und Energieengpass, zeigt sich die deutsche Industrieelektronik bislang sehr robust. Prognosen für 2023 fallen allerdings verhalten aus.
Auch wenn alle konjunkturellen Frühwarnindikatoren wie Geschäftsklimaindex und Zinsentwicklung auf eine bevorstehende Eintrübung der Konjunktur hinweisen – bisher, so das Ergebnis einer aktuellen Umfrage der Markt&Technik, ist davon im Bereich Industrieelektronik wenig zu erkennen. So schwächt sich zumindest bei den Befragten weder der Auftragseingang ab, noch liegen die Umsätze für das 2. Quartal 2022 oder die Monate Juni und Juli 2022 unter den Zahlen des Vorjahres. Häufig weisen sie sogar noch eine Steigerung gegenüber den letzten Monaten auf.
Nach Auskunft des Branchenverbandes ZVEI sank das Geschäftsklima in der deutschen Elektro- und Digitalindustrie im Juli 2022, nachdem es im Vormonat noch einen leichten Anstieg aufwies. So beschrieben 46 Prozent der Branchenunternehmen ihre wirtschaftliche Situation im Juli als gut, weitere 46 Prozent als stabil und 8 Prozent als schlecht. Für die zweite Jahreshälfte 2022 rechnen nur 11 Prozent der Firmen mit mehr, 57 Prozent mit gleich vielen und 32 Prozent mit weniger Geschäften. Das größte Problem der Branche, so der ZVEI, werden auch in den nächsten sechs Monaten die bekannten Versorgungsengpässe sein.
Von einer Beruhigung auf recht hohem Niveau spricht Dr. Ralph Wiechers, Chefökonom des VDMA: »Da jedoch nach wie vor die Abarbeitung der bestehenden Aufträge aufgrund der Materialengpässe schwierig ist, wächst das Auftragspolster – inzwischen auf rund zwölf Monate. Das dürfte Produktion und Umsatz im Maschinen- und Anlagenbau eine gute Weile absichern.« Zu Auftragsverschiebungen käme es vor dem Hintergrund von Knappheiten und Preissteigerungen. Eine Investitionszurückhaltung ist in der Branche noch nicht spürbar.
»Wir haben unsere Mitglieder zuletzt Ende Juni befragt«, so Dr. Wiechers, »damals gaben noch 80 Prozent der Unternehmen an, ihre Investitionen in diesem Jahr erhöhen zu wollen«. Stellvertretend für den Maschinenbau könnte man hier die Antwort von Andrea Glawe, Regionale Vertriebsdirektorin bei Kroenert, nehmen: »Unsere Auftragslage ist derzeit sehr gut, wir haben nur durch die weltweiten Lieferengpässe große Probleme, die Wünsche unserer Kunden zu bedienen.« In puncto Investitionsvorhaben hat Kroenert bislang keine Entscheidungen zurückgestellt.
Kaum verwunderlich also, dass Stromversorgungshersteller, für die der Maschinen- und Anlagenbau eine der Hauptabnehmerbranchen ist, aktuell noch keine Anzeichen einer Rezession erkennen können. »Wir sehen allenfalls seit Anfang Juni eine Rückkehr auf das normale Niveau des Bestelleingangs«, so Bernhard Erdl, Geschäftsführer und Gründer der Puls-Gruppe; »der übertriebene Boom ist zu Ende«. Auftragsverschiebungen oder gar Stornierungen gebe es nicht: »Noch wollen die Kunden ihre nicht mehr vorhandenen Lager etwas auffüllen.«
»Wir spüren die Probleme, die auch unsere Kunden mit der Materialversorgung haben«, stellt Hermann Püthe, Geschäftsführender Gesellschafter der inpotron Schaltnetzteile, fest. »Daraus resultieren durchaus auch Verschiebungen, die jedoch keine Stornierungen sind. Eine Rezession ist daraus sicher nicht abzuleiten.« – »Wir können keinen Auftragsrückgang erkennen, ganz im Gegenteil, die Bedarfe halten unvermindert an, und bei vielen steigen sie sogar noch weiter«, berichtet auch Oliver Walter, CEO von Camtec Power Supplies. »Unsere Kunden fragen uns regelmäßig, ob wir nicht früher liefern könnten – Verschiebungen sind deshalb für uns absolut kein Thema!«
»Seitens unserer Kundschaft merken wir noch keine Zurückhaltung«, bestätigt auch Kai Heinemann, Geschäftsleiter Entwicklung und Produktmanagement bei Block Transformatoren-Elektronik. »Natürlich hören und lesen wir auch von den aufziehenden Wolken, wir glauben aber weiterhin, dass unsere Branche relativ gut durch eine eventuelle Rezession kommen wird, weil die Megatrends in Richtung erneuerbare Energie und All Electric Society ja weiterhin intakt sind und in diese Richtung große Summen investiert werden.«
»Unsere Book-to-Bill Ratio ist weiterhin gleichbleibend hoch, allerdings hören wir von Marktbegleitern, dass die Bookings schon seit einigen Monaten nachlassen«, so Karsten Bier, Unternehmensinhaber der Recom-Power-Gruppe. »Wenn die geopolitische Lage weiter so instabil bleibt, wird sich eine Rezession nicht vermeiden lassen.« Von seinen Investitionsplänen will er sich dadurch nicht abbringen lassen: »Wir investieren durch die Krise, wir beschleunigen eher noch unsere Aktivitäten.«
Auch wenn aktuell die konkreten Kennzahlen in Deutschland noch keine Zurückhaltung erkennen lassen und der Auftragseingang im 2. Quartal sogar noch einmal leicht über dem 1. Quartal lag, rechnet Sebastian Fischer, Geschäftsführer der Traco Electronic, »mit einer deutlichen Eintrübung der Konjunktur ab dem 3. Quartal, mit dem einhergehenden Rückgang des Auftragseingangs«. Vom Eintritt einer wirklichen Rezession gemäß technischer Definition geht er aber erst 2023 aus. Stornierungen sieht Fischer nicht, eher vereinzelte Verschiebungen, »weil den Kunden andere Komponenten für ihre Produktion fehlen«.