Veränderungen kündigen sich nicht mit großem Vorlauf an. Noch seien die Auftragsbücher voll, so Sebastian Fischer, Geschäftsführer der Traco Electronic, und die Book-to-Bill weiter über 1. Aber das könnte sich im 3. Quartal schnell ändern.
Markt&Technik: Steigende Lieferzeiten und Materialpreise haben das Jahr 2021 auch im Stromversorgungsbereich geprägt. Wie wirkte sich das auf Ihr Geschäft aus, und welche Auswirkungen hatte es für Ihre Kunden?
Sebastian Fischer: Ich würde sagen, die Trendwende von Rezession bis Anfang 2021 und die darauf folgende rasche Erholung waren schon speziell. Nach der Finanzkrise 2008/09 war das aber ähnlich. Glücklicherweise hatten wir Ende 2020 unser Lager, ohnehin eines der größten im Stromversorgungsbereich, noch einmal deutlich aufgestockt. Das hat uns 2021 dann sehr geholfen, und es ist uns dadurch gelungen, Marktanteile dazuzugewinnen. Aber auch wir waren gezwungen, teilweise zusätzliche Komponenten zu qualifizieren; das hat R&D-Kapazität gebunden. Aus meiner Sicht war 2021 sowohl für Kunden als auch für Lieferanten ein sehr zeitintensives Jahr; gemeinsam ist es uns aber fast immer gelungen, akzeptable Lieferpläne zu erarbeiten.
Am 24. Februar hat Russland die Ukraine angegriffen. Seit drei Monaten in Folge sinken die Aufträge der deutschen Wirtschaft. Mit welcher Entwicklung rechnen Sie für den weiteren Verlauf dieses Geschäftsjahres?
Sowohl bei uns als auch in der Industrie ist der Auftragsbestand aktuell und bis in die erste Jahreshälfte 2023 hinein noch hoch. So lagen auch im 2. Quartal dieses Jahres die Umsätze von Traco in Deutschland noch über denen des 1. Quartals. Unsere Book-to-Bill bewegt sich aktuell noch über 1. Mit der rapide gestiegenen Inflation, den nach wie vor andauernden Lieferkettenproblemen, dem Krieg in der Ukraine und den dadurch ausgelösten Sanktionsmaßnahmen des Westens, der Talfahrt des Euro gegenüber dem Dollar und der generellen Wachstumsschwäche in Europa sind aktuell sicher alle Zutaten für einen Konjunktureinbruch nicht nur in Deutschland vorhanden.
Mit dem Ausbruch des Krieges wurde die Abhängigkeit von verschiedenen Rohstofflieferungen aus Russland deutlich. Sehen Sie Auswirkungen auf die Elektronikbranche?
Ein Problem könnten die Rohmaterialien gerade für passive Bauelemente darstellen. Hier kommt doch ein großer Teil aus Russland, wie seit Kriegsbeginn deutlich wurde. Der entsprechende Index zeigt einen drastischen Preissprung. Das ist eigentlich ein klares Signal für Knappheit. Es wird sich noch zeigen, wie sich das in den nächsten Monaten auswirken wird.
Als sei der Krieg im Osten Europas noch nicht genug, verschärfen sich auch die Spannungen in Asien, siehe Taiwan und Südchinesisches Meer. Wie sehr beunruhigen Sie diese Entwicklungen?
Für Traco Power kann ich sagen, dass wir unsere Produkte zum größten Teil in Taiwan produzieren. Aus diesem Grund sind die politischen Spannungen zwischen China und Taiwan und die daraus resultierenden möglichen Auswirkungen auf unsere Versorgungssicherheit elementarer Bestandteil unseres Risk Managements.
Es gibt erste Warnungen für eine Stagflation. Halten Sie das für realistisch? Welche Gefahr stellt das für den Fertigungsstandort Deutschland/Europa dar?
Persönlich halte ich die Gefahr, dass eine Stagflation eintritt, für groß. Zudem ist ja auch nach heutigem Stand die Versorgungssicherheit der Industrie mit Energie im kommenden Winter alles andere als gesichert. Ich persönlich halte deshalb einen deutlichen Konjunkturrückgang ab dem 3. Quartal dieses Jahres für wahrscheinlich. Wenn wir eines aus den Krisen der Vergangenheit lernen können, dann, wie schnell sich ein positiver Trend ins Gegenteil verkehren kann!