Abgeschmolzene Lager treffen auf geopolitische Unsicherheiten. Aus Sicht von Thilo Hack, Vorstand von Ansmann, wird das Jahr 2025 herausfordernd. Er geht von Preisstabilität angesichts angepasster Produktionsvolumina aus. Bei der 21700-Zelle sieht er noch realistische Optimierungspotenziale.
Markt&Technik: Herr Hack, die ersten sechs Monate des Geschäftsjahrs 2025 liegen hinter uns. Haben sich Ihre Erwartungen an das neue Geschäftsjahr erfüllt? Gibt es Entwicklungen, die Sie positiv oder negativ überrascht haben?
Thilo Hack: Dieses erste Halbjahr 2025 war von einer hohen Dynamik und zahlreichen Veränderungen gekennzeichnet. Neuwahlen in Deutschland, US-Zollentscheidungen sowie anhaltende geopolitische Spannungen führten branchenübergreifend zu Herausforderungen wie rückläufigen Absatzzahlen und erforderlichen Produktanpassungen aufgrund erweiternder Sanktionslisten bezogen auf Bauteile in den entsprechenden länderspezifischen Produkten. Durch den Einsatz unternehmenseigener Datenbanken konnten Lösungen im Änderungsmanagement zügig und effizient implementiert werden, wodurch der weitere reibungslose Verkauf ermöglicht wurde.
Allgemein ist zu hören, dass die Batterie-Spezialisten im DACH-Raum auf der Suche nach Aufträgen sind, zum Teil wird kurzgearbeitet. Wie ist die Situation bei Ansmann?
Unser Unternehmen ist auf Wachstum ausgerichtet und sucht regelmäßig nach neuen Projekten und Kunden. Im Unternehmen wird derzeit keine Kurzarbeit durchgeführt.
Beobachten Sie, dass das zuletzt das Day-to-Day-Business wieder deutlich anzieht? Steht plötzlich wieder von Seiten der Kunden der Anspruch Luftfracht im Raum?
Das gilt zwar nicht für alle Branchen und Märkte, ist aber in einigen Fällen bereits so und könnte meiner Einschätzung nach weiter zunehmen.
Würden Sie in diesem Zusammenhang von einer Art „technischer“ Marktnachfrage sprechen, die nicht auf einen allgemeinen Nachfrageaufschwung zurückzuführen ist, sondern vielmehr abgeschmolzene Lager bei den Kunden, die es versäumt haben, rechtzeitig nachzubestellen?
Zwei Faktoren treffen hier zusammen: Die Lager wurden nach hohen Beständen in 2022/23 deutlich reduziert. Gleichzeitig ist der Absatz wegen geopolitischer Unsicherheiten und niedriger Nachfrage schwer planbar – die Bestände werden daher vorsichtig gesteuert. Besonders bei länderspezifischen Produkten hat sich diese Herausforderung verstärkt.
Wir sind inzwischen wieder in einem absoluten Käufermarkt angekommen, was das Batterie- und Akku-Business angeht. Gehen Sie davon aus, dass sich der Preisverfall der letzten Jahre im Bereich Lithium-Ionen-Akkus auch in diesem Jahr weiter fortsetzen wird?
Ein genereller Preisverfall lässt sich derzeit nicht feststellen. In einigen Fällen führen Überkapazitäten bestimmter Zellentypen aufgrund rückläufiger Märkte bei Herstellern und Distributoren zu Bestandsüberschüssen. Dies betrifft jedoch nicht alle Zelltypen, Zellchemien oder Hersteller. Viele Zellenhersteller haben ihre Produktionskapazitäten an den geringeren Bedarf angepasst, um Preisstabilität zu gewährleisten. Diese Vorgehensweise basiert auf Erfahrungen aus dem Jahr 2019, als eine ähnliche Marktsituation auftrat.
Unter dem Eindruck der Zollstreitigkeiten zwischen den USA und China hatten in den letzten Monaten chinesische Batterie- und Akku-Hersteller erkennen lassen, dass sie sich in Zukunft mehr dem europäischen Markt zuwenden wollen. Halten Sie das für eine kurzfristige oder eher langfristige Umorientierung? Welche Chancen eröffnet das für europäische Kunden?
Es ist erkennbar, dass Europa zunehmend als verlässlicher Handelspartner wahrgenommen wird und an Bedeutung gewinnt. In Bezug auf Stabilität wird Europa zunehmend als fundamentales Standbein für China angesehen. Diese Entwicklung deutet auf eine langfristige Umorientierung hin, was sich auch im fehlenden Vertrauen in die Währung USD widerspiegelt, da der Euro an Stärke gewinnt. Dadurch nehmen sowohl das Vertrauen als auch der Einfluss Europas zu.
Deutschland will in den nächsten Jahren in Summe 1 Billion Euro in Infrastruktur und Militär investieren. Nachdem die parlamentarischen Hürden genommen sind, werden die Ausschreibungen wohl ab Herbst in Gang kommen. Wo sehen Sie Chancen, dass die Batterie- und Akku-Branche von diesem Programm profitiert, und wann rechnen Sie damit, dass sich diese „zusätzliche“ Auftragsentwicklung in Ihren Auftragsbüchern niederschlägt?
Da die aktuellen Investitionen bislang nicht im Detail kommuniziert wurden, ist eine fundierte Bewertung der Infrastruktur sowie eine qualifizierte Einschätzung der Auftragsentwicklung derzeit nicht möglich. Es erscheint zudem empfehlenswert, den Bereich E-Mobility miteinzubeziehen, sodass auch Themen wie Lastenräder, Bike Sharing und weitere Felder der Elektromobilität angemessen berücksichtigt werden können.
Sehen Sie die Gefahr, dass bei einer EU-konformen Ausschreibung der Investitionsprogramme deutsche Mittelständler wie Ansmann leer ausgehen werden? Ist bei der Gestaltung der Ausschreibungen darauf zu achten, dass die Wertschöpfung in Deutschland stattfindet?
In unserem Bereich sehe ich kein Problem: Wir sind international wettbewerbsfähig und positionieren uns erfolgreich im europäischen Markt.
Eines der großen Themen, die die Branche zuletzt beschäftigt haben, war das neue Batteriegesetz. Haben Sie den Eindruck, dass sich der allgemeine Informationsstand zu diesem Thema bei den Kunden inzwischen verbessert hat? Rechnen Sie damit, dass es ähnlich wie bei- EU Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz angesichts der veränderten politischen Balance in der EU und einzelnen Mitgliedsländern zu deutlichen Veränderungen dieses Gesetzesvorhabens kommt? Stichwort: Entbürokratisierung?
Die neue Batterieverordnung im Vergleich mit dem alten Batteriegesetz bleibt weiterhin ein relevantes Thema in der Branche und wirft zahlreiche Fragen auf. So ist allein der Umfang des Dokuments von ehemals 14 auf 117 Seiten gestiegen, die Anzahl der Anhänge hat sich von 3 auf 15 erhöht, und die Erwägungsgründe stiegen von 30 auf fast 150! Zudem entstehen Unsicherheiten, da Anforderungen teilweise unklar definiert sind oder unterschiedlich interpretiert werden können. Das Thema Entbürokratisierung wird in diesem Zusammenhang häufig angesprochen und könnte generell verschiedene Bereiche des geschäftlichen Umfelds erleichtern.
In der Industrieelektronik sind 18650- und 21700-Zellen nach wie vor die Arbeitspferde der Branche. Sehen Sie bei diesen Zellen noch Optimierungsmöglichkeiten, zum Beispiel hinsichtlich einer 18650-Zelle mit 4 Ah, oder einer 21700-Zelle mit bis zu 7 Ah? Oder werden andere Zelltypen in Zukunft mehr Marktanteile gewinnen?
Nach wie vor liegt der Schwerpunkt auf der Lithium-Ionen-Technologie, da davon ausgegangen wird, dass die beiden Zellformate auch künftig mit unterschiedlichen Technologien eine bedeutende Rolle spielen werden. Für 18650-Zellen mit LION NMC oder NCA sind derzeit keine wesentlichen Weiterentwicklungen mehr zu erwarten. Im Gegensatz dazu bietet das 21700-Format nach aktuellen Einschätzungen weiteres Entwicklungspotenzial hinsichtlich Kapazitätssteigerung sowie Optimierung des Hochstrom- und Temperaturverhaltens der Zellen, wie durch Besichtigungen von Produktionsstätten in Asien bestätigt wurde.
Zukunftsthema Feststoffbatterien und Natrium-Ionen-Batterien: Wann rechnen Sie in beiden Fällen mit marktreifen Produkten für die Industrieelektronik? Erste Natrium-Ionen-Zellen aus China im 21700-Format sollen ja bereits verfügbar sein?
Unser Team für Entwicklung und Innovationsmanagement beschäftigt sich aktuell mit der Analyse von ersten Mustern und Herstellern sowie mit entsprechenden Tests. Dazu gehört auch die Untersuchung der Lithium-Schwefel-Technologie. Es wird erwartet, dass in einem Zeitraum von etwa drei bis fünf Jahren neue Technologien, insbesondere Natrium-Ionen-Zellen, in die Serienproduktion übergehen.
Ansmann hat in den letzten Jahren mit einem eigenen Prüflabor eine umfangreiche Datenbank mit am Markt erhältlichen Batterien und Akkus der verschiedensten Elektrochemien aufgebaut. Wie intensiv nutzen Ihre Kunden diesen Service, und wie stark verkürzt dieser Service nach Ihren Erfahrungen Entwicklungsprojekte bei Kunden: Uum Wochen, um Monate?
Wir verfügen über eine umfassende Datenbank sämtlicher etablierter Zellhersteller. Mithilfe der „Ansmann Zelldatenbank“ können wir Kunden unmittelbar nach Eingang ihrer Spezifikationen geeignete Zellen hinsichtlich Leistungsdaten und Bauraum empfehlen, die exakt den jeweiligen Anforderungen entsprechen. Durch dieses Vorgehen konnten wir die Entwicklungszeiten in aktuellen Projekten um mehrere Wochen reduzieren. Unser Team besucht auch regelmäßig Hersteller vor Ort, um stets aktuelle Informationen zu Produktionsprozessen zu erhalten. Aus unserer Sicht ist die Zellenanalyse ein integraler Bestandteil der Neuentwicklung von Projekten und kann zudem als eigenständige Dienstleistung zur Erstellung individueller Lastprofile nach Vorgabe des Kunden beauftragt werden. Dieser Service unterscheidet uns als Unternehmen im Technologiebereich und bietet Kunden potenzielle Vorteile hinsichtlich Geschwindigkeit, Kosten und Nachhaltigkeit.